Als Luca di Montezemolo bei der FOTA-Pressekonferenz in Genf über KERS sprach, hat er andeutungsweise in Ihre Richtung geschaut. Sind Sie daran interessiert, ein mögliches Einheits-KERS zu liefern?
Mario Theissen: Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Wir haben innerhalb der FOTA schon seit letztem Jahr sehr intensiv über KERS diskutiert und schon damals zwei Beschlüsse getroffen: einer war, dass wir KERS 2009 nicht in Frage stellen, der andere war, dass wir für 2010 ein Einheits-KERS anpeilen, um die Kosten zu drücken.

Was heute verkündet wurde, war also nicht neu, sondern wurde schon im Dezember vereinbart. Am Mittwoch haben wir zusätzlich beschlossen, dass wir das Standard-KERS ausschreiben werden. Es kann sein, dass wir uns bewerben, aber das entscheiden wir erst, wenn die Spezifikationen auf dem Tisch liegen.

Was genau bedeutet das? Gibt es noch gar keine genauen KERS-Spezifikationen?
Mario Theissen: Am Reglement ändert sich nichts, also könnte man dasselbe System fahren wie in dieser Saison. Jetzt müssen wir darauf schauen, welche Kosten das verursacht und welche Preise es bedeuten würde. Sicher müssen im Umfeld noch andere Fragen geklärt werden, bevor man alle Teams damit beliefern kann. Die Situation ist derzeit noch offen. Klar ist, dass die FOTA diese Ausschreibung machen wird. Wenn sie auf dem Tisch liegt, werden wir uns mit der Frage befassen.

Stimmt es, dass Sie schon ganz am Anfang allen Teams angeboten haben, das System für alle zu liefern?
Mario Theissen: Nein, so stimmt es nicht. Wir haben vor zwei Jahren, als KERS zum ersten Mal auf den Tisch kam, unterstützt, dass wir ein gemeinsames KERS machen - bevor wir selbst damit begonnen haben. Das ist nicht zustande gekommen, weil alle in die eigene Richtung losgelaufen sind. Als dann das Standard-KERS diskutiert wurde, konnten wir uns vorstellen, dieses zu bauen. Eine Entscheidung lässt sich aber erst fällen, wenn die Anforderungen auf dem Tisch liegen.

Mario Theissen ist einer der größten KERS-Verfechter., Foto: BMW AG
Mario Theissen ist einer der größten KERS-Verfechter., Foto: BMW AG

Ist es nicht so, dass die ganzen Arbeiten am jetzigen KERS umsonst waren, wenn 2010 ein Einheits-KERS kommt?
Mario Theissen: Nein, es lässt sich jetzt schon sagen, dass dies nicht der Fall sein wird. Auch wenn wir zu Saisonbeginn noch nicht mit KERS fahren sollten, haben wir schon jetzt entscheidenden Technologietransfer zur Serie geschafft. Diesbezüglich gibt es zwar unterschiedliche Aussagen von den Teams: die einen sagen, es bringt der Serie etwas, die anderen behaupten das Gegenteil, weil sie nur auf die Steuerstrategie schauen, die im Serienautos anders ist. Wir sagen: es hat uns eine Menge gebracht. Denn wir schauen auf die einzelnen Komponenten wie Motorgenerator, Batterieeinheit und Steuereinheit. Hier haben wir einen massiven Sprung nach vorne geschafft, der heute schon in Serienprojekten umgesetzt wird, ganz gleich, was in der Formel 1 nach 2009 passiert.

Wie würden Sie den Unterschied zwischen heute und ein paar Jahren beschreiben. Was hat sich bei den Teams verändert?
Mario Theissen: Es ist ein Riesenschritt, eine Situation, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Alle Teams arbeiten gemeinsam an der Plattform, sind am Rennwochenende aber Wettbewerber.

War die Wirtschaftskrise der Auslöser dafür?
Mario Theissen: Die Idee wurde im ersten Halbjahr 2008 geboren. Damals stellten wir fest, dass wir alle einzeln arbeiteten, uns teils im Kreis drehten und uns nicht sauber abstimmten. Dadurch hatten wir keine konsistente Position. Das war der Auslöser. Aber es hat natürlich sehr geholfen, mit der jetzigen Situation umzugehen.

2009 wird für alle Autofirmen ein sehr schwieriges Jahr. Sind Sie zuversichtlich, dass alle bis 2012 im Boot bleiben?
Mario Theissen: Es besteht von allen Teams, inklusive der Hersteller, die Absicht, ein Concorde Agreement zu verhandeln und abzuschließen. Dieses würde dann bis 2012 laufen. Aber der eigentliche Beschluss kommt erst mit der Unterschrift.

Die wirtschaftliche Situation macht sich auch bei BMW bemerkbar. Spüren Sie mehr Druck innerhalb des Unternehmens?
Mario Theissen: Das Formel-1-Projekt wird innerhalb des Hauses betrachtet wie jedes andere. Auch wir haben Kostenrunden gedreht und ich bin sehr froh, dass wir damit angefangen haben, bevor die Krise kam. Wir haben den F1-Aufwand seit dem Jahr 2005 jedes Jahr zurückgefahren. Das BMW-Budget von 2009 liegt 40% unter dem Budget als reiner Motorenlieferant von Williams in der Saison 2005.

Die FOTA hat viele Vorschläge wie ein neues Punktesystem gebracht. Wie sicher sind Sie sich, dass diese auch umgesetzt werden?
Mario Theissen: Es ist ein Vorschlag aller Teams an die FIA respektive FOM. Wir werden den Dialog suchen, aber mehr als gemeinsam etwas vorschlagen können wir nicht.