Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen - so ein einfaches Sprichwort. Aber das Neue muss nicht immer unbedingt das Bessere sein. Gerade in der Formel 1 stehen für 2009 viele Neuerungen an und die wissen nicht wirklich alle zu gefallen. Wird 2009 also besser als 2008? Motorsport-Magazin.com hat sich auf eine - nicht unbedingt gänzlich objektive - Spurensuche gemacht und geschaut, ob alt oder neu denn nun besser ist.

Du gute alte Zeit

von Falko Schoklitsch

Auf wiedersehen Flügelgewirr!, Foto: Sutton
Auf wiedersehen Flügelgewirr!, Foto: Sutton

Wenn schon die Fahrer selbst sagen, die neuen Autos seien die hässlichsten, die sie je gesehen haben, dann muss man eigentlich nicht mehr viel nachdenken. Fahrende Lego-Bausätze haben wir schon in unseren Kinderzimmern gehabt. Ja, damals im Alter von unter zehn Jahren waren wir stolz darauf, wenn wir aus ein paar Bauklötzen etwas gefertigt haben, das geradeaus rollen konnte, aber auf einer echten Rennstrecke will das doch keiner sehen. Einzig Christian Klien hat den praktischen Nutzen der neuen Autos für 2009 gesehen und gemeint, sollte im Winter seine Auffahrt eingeschneit sein, dann könnte ihm der neue Vorderflügel gute Dienste leisten.

Wie schön war das noch in diesem Jahr, als Formel-1-Autos wirklich noch wie echte Rennautos ausgesehen haben und nicht wie Design-Schöpfungen aus den 80ern mit mehr Ecken als ein Dodekaeder. Natürlich lässt sich darüber streiten, dass gewisse aerodynamische Auswüchse die ästhetischen Standards auch stark ausgereizt haben, aber es war eben noch Innovation möglich und die Ingenieure konnten zeigen, was in punkto Luftfluss ums Auto so alles möglich ist. In diesem Sinne ein trauriges Adieu an Winglets, Chimneys, Nasenflügel und wie sie noch alle hießen. Ihr ward nicht immer schön, aber ihr ward ein wichtiger Bestandteil unserer F1-Welt.

2008: ein Kampf bis zur letzten Kurve., Foto: Sutton
2008: ein Kampf bis zur letzten Kurve., Foto: Sutton

Bevor nun das große Weinen ausbricht, ja, wir haben davon gehört, dass mit den neuen Autos auch eine neue Qualität der Rennen einsetzen soll. Endlich soll wieder mehr als ein halbes Mal pro Grand Prix überholt werden. Aber bringt das auch mehr Spannung? Mehr als dass die WM in der letzten Kurve des letzten Rennens entschieden wird geht doch wohl kaum. Ich lehne mich einmal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, die Weltmeisterschaft 2009 wird weiter als 800 Meter vor Schluss bereits entschieden sein; also hat auch hier 2008 die Nase eindeutig vorne. Und angesichts eines solchen Finales kann man dann doch die eine oder andere Prozession in Kauf nehmen, oder? Immerhin hat Luca di Montezemolo seinen Fernseher nicht während des Rennens in Valencia zerstört, sondern beim Finale in Sao Paulo und solche Emotionen braucht die Formel 1 einfach.

Und 2008 hat seine Nase in einem weiteren Punkt noch klar vorne. War es nicht immer sehr spannend, wenn bei Tests während der Saison schon einmal die neuen Aerodynamik-Pakete für die kommenden Rennen ausgeführt wurden. Da ließen sich Fotos studieren wie der Zapruder-Film (alle, die ihn nicht kennen, mögen ihn in Zusammenhang mit John F. Kennedy googeln), nur um zu schauen, was es denn Neues an den Autos gibt. Testzeiten wurden auf Herz und Nieren überprüft und alle Aussagen dahingehend getestet, ob irgendwer sich nicht absichtlich zurückgehalten hat. In Zeiten, in denen überall nach - neudeutsch ausgedrückt - Suspense gesucht wird, gab es für den Fan doch kaum was Spannenderes, als auch zwischen den Rennen über mögliche Verschiebungen im Machtgefüge auf dem Laufenden gehalten zu werden. In diesem Sinne, halt dich fest 2009.

Neu ist auch besser

von Stephan Heublein

Ja, sieht komisch aus, aber wenn es Spaß macht!, Foto: The LEGO Group
Ja, sieht komisch aus, aber wenn es Spaß macht!, Foto: The LEGO Group

2008 hat die Nase deutlich vorne? Höchstens wegen dieses schrecklichen Bügelflügels quer über der Nase, der sich über die letzten anderthalb Jahre bei allen Teams eingebürgert hat. Innovativ war das vielleicht noch beim ersten Team, bei den neun Nachahmern dann schon nicht mehr. Aber egal ob man die neuen Autos für Schneepflüge mit Stummel-Heckflügel oder LEGO-Autos mit Bausatzoptik hält: sie versprechen auf dem Papier das beste Racing seit Jahren!

Pluspunkt Nummer 1: Die Slicks sind zurück. Echte Rennautos brauchen profillose Slicks. 2009 bekommen sie diese. Die von allen Fahrern verhassten Rillenreifen haben mit dem alten Jahr ausgedient. Jetzt kommt es wieder auf das Gefühl der Fahrer an, mit den Reifen richtig umzugehen. Echten Reifen. Die Reifenprobleme mancher Fahrer von 2008 sollten damit der Vergangenheit angehören und somit die Karten neu gemischt werden. Nick Heidfeld, Kimi Räikkönen, Heikki Kovalainen: alle erhalten sie eine neue Chance, egal welche Probleme sie 2008 hatten.

Pluspunkt Nummer 2: Das Überholen soll einfacher werden. Der Preis für die gewöhnungsbedürftige Optik waren all die Winglets, Flügelchen und Barge Boards, die eh nur als schön empfunden wurden, weil wir sie schon seit Jahren erdulden mussten. Das Ergebnis sollen bessere Rennen, mehr Überholmöglichkeiten und der Anfang vom Ende der unbeliebten Dirty Air sein. Was will der Fan mehr? Auf diese Weise sollen sich Fahrer wieder im Windschatten an den Vordermann ansaugen und einen Angriff starten können. Zudem dürfen sie im Laufe einer Runde den Frontflügel aus dem Cockpit verstellen, um die Luftverwirbelungen des Gegners auszugleichen und ihn so besser zu attackieren. 2009 wird das Jahr des Anti-Trulli-Train!

2009 verspricht Hochspannung!, Foto: Sutton
2009 verspricht Hochspannung!, Foto: Sutton

Pluspunkt Nummer 3: Sollte die Aerodynamikerleichterung einmal noch nicht ganz reichen, um am vorher fahrenden Auto vorbeizugehen, kommt KERS ins Spiel - der Boost-Button ist da! Zum ersten Mal werden per Knopfdruck nicht nur höhere (erlaubte) Drehzahlen freigegeben, sondern wirklich zusätzliche PS hinzugeschaltet. Die aus Bremsenergie gewonnene Kraft können die Fahrer taktisch einsetzen, um einen Überraschungsangriff auf ihren Konkurrenten zu reiten - außer dieser kontert ebenfalls mit seinen Zusatz-PS. Spannende KERS-Schlachten, neue Strategien und jede Menge Überholmanöver sind zu erwarten, vielleicht auch wieder mehrere in einer Kurve. So muss Motorsport sein. Ach ja, einen Umweltgedanken soll das Ganze auch noch transportieren. In Zeiten des Herstellermassensterbens ein löblicher Nebeneffekt.

Suspense gesucht? Die große Frage lautet: Wer kommt mit den einschneidenden Regeländerungen am besten zurecht? Wer hat schon jetzt die beste Entwicklungsarbeit geleistet? Denn das Testverbot während der Saison macht die Vorbereitung so wichtig wie noch nie. Dabei können die eingefahrenen Kräfteverhältnisse durch die kleinsten Details aus den Fugen geraten und plötzlich Teams an der Spitze auftauchen, mit denen im Moment noch niemand als Sieg- oder gar Titelkandidat rechnet.

Die Formel-1-Saison 2008 endete mit einem Hollywood-reifen WM-Finale, die Saison 2009 verspricht noch viel mehr Spannung als jeder Blockbuster. Die F1-Welt braucht keinen dunklen Ritter, keinen weißgesichtigen Dauergrinser und keinen Peitschen schwingenden Archäologen. Sie hat einen farbigen Weltmeister, einen milchgesichtigen Nachwuchsstar und einen verdammt coolen Eismann. Nur auf die Geschichten aus den Londoner Kellergewölben können wir 2009 verzichten...