"Das war einer der aufregendsten Siege meiner Karriere", freute sich Lewis Hamilton kurz nach der Siegerehrung in Spa-Francorchamps, kurz nachdem er nach der Zieldurchfahrt wahre Urschreie im Boxenfunk von sich gegeben hatte. "Genau davon habe ich gesprochen, genau davon habe ich gesprochen!", jubelte er nach seinem sportlichen Sieg im verregneten Ardennen-Krimi, der die spannendsten GP-Schlussrunden der letzten Jahre erlebte.

Doch der Jubel sollte nicht lange anhalten. Bereits kurz nach Rennende kündigte die Rennleitung eine Untersuchung des Überholmanövers von Hamilton gegen Kimi Räikkönen an. Der Brite hatte sich auf feuchter Strecke in den Windschatten des Ferrari gefahren, setzte vor der Bus-Stop-Schikane zum Überholen an, kürzte jedoch die Schikane ab, da Räikkönen die Tür in der Schikane zumachte, und ließ danach auf der Zielgeraden Räikkönen reglementgemäß wieder vorbei. Dabei setzte er sich erneut in den Windschatten des Ferrari, der nach links herüberzog und somit Hamilton die Innenbahn frei machte. Dort bremste er Räikkönen in der La Source aus und ging trotz einer leichten Berührung in Führung.

Rückendeckung von den (Ex-)Fahrern

"Es wundert mich nicht, dass es eine Untersuchung gegeben hat. Denn erstens ist ein Ferrari involviert, da gibt es meistens eine Untersuchung, und zweitens war es eine delikate Situation in einer Schikane, bei der die Stewards ganz genau hinschauen müssen, ob sich Hamilton mit dem Abkürzen einen Vorteil verschafft hat oder nicht", analysierte Christian Danner für uns die Szene. Zu diesem Zeitpunkt war das Urteil der Rennkommissare noch nicht bekannt.

Hamilton gegen Räikkönen: das Duell des Rennens., Foto: Sutton
Hamilton gegen Räikkönen: das Duell des Rennens., Foto: Sutton

"Nachdem ich es ein paar Mal in Zeitlupe gesehen habe, ist für mich sonnenklar, dass alles ganz normal zuging", sagte Danner. "Es war eine ganz normale Rennsituation, in der Räikkönen Hamilton sogar rausgekickt hat, was aber völlig okay ist." Hamilton habe Räikkönen nach der Abkürzung komplett vorbeigelassen und dann ganz normal überholt. "Die Untersuchung ist in Ordnung, aber es kann eigentlich nichts dabei herauskommen." Das ist der Beweis: auch Ex-F1-Fahrer können sich mit ihren Einschätzungen der Rennkommissare irren...

Hamilton selbst war sich nach Rennende keiner Schuld bewusst und sagte zu einer möglichen Bestrafung: "Keinesfalls erwarte ich eine Strafe. Das ist Motorsport und wenn es dafür eine Strafe gibt, dann ist etwas falsch." Er habe in der Kurve vorne gelegen und sich deshalb keinen Vorteil verschafft; genau das führen die Rennkommissare aber als Grund für seine nachträgliche 25-Sekunden-Zeitstrafe an: er habe sich durch das Abkürzen in der Bus-Stop einen Vorteil verschafft. Das wurde auch Wochen später bei der Berufungsverhandlung bestätigt.

"In der Schikane versuchte ich zu überholen und wir berührten uns fast", beschrieb Hamilton die Situation. "Ich lenkte nach links, um das zu verhindern. Auf der Start-Zielgeraden ließ ich ihm Platz, wieder in Führung zu gehen, aber in der La Source kam ich innen an ihm vorbei. Es war fair. Eine Strafe wäre absolut falsch, aber ihr wisst ja wie sie sind, warten wir es ab", hatte er vielleicht doch schon eine böse Vorahnung davon, was kommen sollte.

Ron Dennis war nach Rennende fest davon überzeugt, dass sein Pilot nichts falsch gemacht hat. "Erstens war Lewis bei der Schikane vorne und wurde nach außen gedrückt. Er war definitiv in Führung, als es aus der Schikane ging", sagte er. Diese Sichtweise habe ihm auch Rennleiter Charlie Whiting bestätigt. "Er ist keiner der Rennkommissare, aber er gab seine Meinung ab und sagte, wir hätten uns an die Regeln gehalten." Dennis sagte sogar, dass es gar keine Regelübertretung gegeben habe. "Denn die Kurve gehörte uns. Aber auch wenn wir sie nicht gehabt hätten, so haben wir Kimi wieder nach vorne gelassen."

Erwartungsgemäß sah Norbert Haug das genauso. "Unserer Meinung nach hat sich Lewis keinen unerlaubten Vorteil verschafft", betonte der Mercedes-Motorsportchef, der nie mit einer Bestrafung gerechnet hätte. "Ich weiß nicht, was daran zu beanstanden ist." Bei Ferrari wollte sich niemand so richtig zu der Situation äußern, nur eins stritt Teamchef Stefano Domenicali ab: dass Ferrari Protest gegen McLaren eingelegt habe. Stattdessen sagte er: "Wir haben heute eine Lektion gelernt. Man muss warten, nicht nur bis zum Rennende, sondern auch noch auf das Danach."