Ein Formel-1-Team kennt keine Winterpause. Ganz im Gegenteil, in den Entwicklungsabteilungen findet während der Wintermonate ein ganz anderes Rennen statt: der Wettkampf um die schnellsten und effizientesten Modifikationen am neuen Fahrzeug, um für die bevorstehende Saison gerüstet zu sein. Diese bringt dramatische Veränderungen für die Bereiche Aerodynamik, Energierückgewinnung und Reifen mit sich und stellt daher noch höhere Anforderungen an Team und Technik als in der Vergangenheit.

"Im Winter stellen wir die Weichen für die Leistungsfähigkeit unseres neuen Autos", sagt Dr. Mario Theissen, der Motorsportdirektor von BMW. Was da versäumt wird, ist im Verlauf einer Saison nicht mehr aufzuholen. Um Umwege im Entwicklungsprozess zu vermeiden, bauen die Teams auf einen dreiteiligen Entwicklungskreislauf auf, bestehend aus der computergestützten Strömungssimulation CFD (Computational Fluid Dynamics), intensiven Tests im Windkanal und Testfahrten auf der Rennstrecke.

Höchste Effizienz dieser drei Komponenten garantiert jedoch erst die Aufbereitung der jeweils gewonnenen Daten mithilfe hochleistungsfähiger Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT), der Kernkompetenz des Technologiepartners T-Systems. Denn die Entwicklung eines Formel-1-Autos beruht größtenteils auf komplizierten Rechen- und Datenprozessen, die durch das Know-how der Technologiepartner gestützt werden. CFD ist eine Art digitaler Windkanal, der Luftströmungen berechnet und visualisiert.

Supercomputer

Die Simulationen spielen eine wichtige Rolle., Foto: Sauber
Die Simulationen spielen eine wichtige Rolle., Foto: Sauber

Beim BMW Sauber F1 Team im schweizerischen Hinwil läuft CFD auf einem der schnellsten Supercomputer Europas, "Albert 3", mit einer fast unvorstellbaren, maximalen Rechnerkapazität von 50.700 GigaFlops oder, anders ausgedrückt, mehr als 50 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde. Um eine CFD Simulation mit allen Konsequenzen auszuwerten, benötigt aber selbst der Supercomputer schon mal 24 Stunden, denn diese Aufgabe ist wirklich gewaltig: Bei CFD wird die Oberfläche des virtuellen Autos mit einem engmaschigen Netz aus bis zu 100 Millionen Dreiecken überzogen und simulierten Luftströmungen ausgesetzt. Für jedes dieser Dreiecke berechnet das Programm dann wichtige Parameter, wie Windrichtung, Druck, Windgeschwindigkeit und Temperatur.

"Da steckt richtig viel Leistung dahinter", sagt Peter Furrer, Head of IT des BMW Sauber F1 Teams. Wie viel? "Etwa zwei Drittel der gesamten Datenmenge, die bei uns anfällt, haben mit der CFD-Simulation zu tun." Nicht verwunderlich, bedenkt man, dass mit CFD sogar Interaktionen von zwei Fahrzeugen, wie beispielsweise Überholvorgänge oder Windschattenverhalten, simuliert werden können. Die zweite Station des permanenten Testkreislaufs befindet sich direkt neben dem Hauptgebäude des Teams in Hinwil. Der 4.000-PS-Hauptventilator des mit modernster Computertechnik ausgestatteten Windkanals ermöglicht Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h.

Windkanal

Die von CFD für tauglich befundenen, neu entwickelten Komponenten werden an einem 60-Prozent-Modell im Windkanal getestet die zugehörigen Daten werden sofort in ein eigenes Rechenzentrum übertragen und können von den Ingenieuren ohne Zeitverzögerung abgerufen werden. "Der Windkanal ist das komplexeste Entwicklungswerkzeug, das wir in der Formel 1 haben", sagt Dr. Mario Theissen. Dazu kommt, dass die gewonnenen Daten richtig interpretiert werden müssen.

Denn oft ist ein neues Teil nicht einfach besser, sondern es hat Vorteile in einzelnen Bereichen und Nachteile in anderen. Das muss dann richtig bewertet werden. Sehr wichtig ist daher das Zusammenspiel zwischen CFD und Windkanal. "Wir haben deshalb schon früh auf die Kombination aus Windkanalarbeit und Computersimulation gesetzt. Damit können wir die Lücken füllen und erreichen eine durchgehende Entwicklungskette", verrät Theissen.

Testfahrten

Die Stunde der Wahrheit schlägt auf der Rennstrecke. Bei Testfahrten, wie zurzeit im spanischen Jerez, geht es darum, Erkenntnisse über die neuen aerodynamischen Vorgaben, die profillosen Slickreifen und das KERS-System zu gewinnen. Dabei werden die mithilfe von CFD und Windkanal modifizierten Fahrzeugkomponenten unter Rennbedingungen erprobt. Mit seinem Interimsauto F1.08B hat BMW Sauber die Reglementsänderungen konsequenter umgesetzt als die Konkurrenz.

BMW Sauber testete bereits nach dem 2009er Reglement., Foto: Sutton
BMW Sauber testete bereits nach dem 2009er Reglement., Foto: Sutton

Aktuell setzt das Team ein Auto mit KERS und eines ohne ein. Der Frontflügel entspricht bereits dem 09er-Reglement, der Heckflügel nur teilweise. Er hat zwar schon grundsätzlich die richtigen Dimensionen in Höhe und Breite, hat aber noch einen Benzing, der 2009 so nicht erlaubt sein wird.

Datanaustausch

Das Testteam an der Rennstrecke in Jerez ist über eine Standleitung mit Hinwil verbunden. Wenn es ausrückt, sind insgesamt 40 Fileserver mit an Bord. Davon dienen 2 Fileserver mit einer Speicherkapazität von je 1,3 Terabyte (1 Terabyte = 1 Million Megabyte) dem Team zur Sicherung der gewonnenen Daten. Die übrigen Server werden als Workstations genutzt. An einem normalen Testtag werden etwa zehn Gigabyte Daten gesammelt und ausgewertet. Eine ganze Menge, aber immer noch wenig im Vergleich zu den mehreren Terabyte, die an einem ganz normalen Arbeitstag durch die Netzwerke in Hinwil geschleust werden.

Der hochleistungsfähige Datenhighway, auf den das BMW Sauber Team auch bei den Rennen zurückgreift, ermöglicht superschnelle Datentransfers: Von Spanien werden die Daten mit nur 38 Millisekunden Verzögerung in die beiden Teamstandorte Hinwil und München übertragen. Der permanente Datenaustausch zwischen den beiden Standorten dauert lediglich 11 Millisekunden. Dadurch können in den Werken parallel zu den Tests in Jerez weitere Simulationen durchgeführt werden.

Die Ergebnisse werden sofort zurück an die Strecke übertragen und dort ins Testprogramm integriert. "Die Übertragungsgeschwindigkeit spielt eben auch in der Formel 1 eine elementare Rolle", sagt Ulrich Welss, ICT-Experte bei T-Systems, "doch genau so wichtig ist, dass die Datensicherheit gewährleistet ist." Damit die Konkurrenz nicht mithört, sind alle Daten verschlüsselt.

Wie gut BMW Sauber seine Hausaufgaben über den Winter gemacht hat, wird sich beim ersten Saisonrennen zeigen. Die Vorfreude auf das neue Auto ist extremer als in den letzten Jahren, die Nervosität entsprechend größer. "Das neue Reglement würfelt alles durcheinander, da kann es gut sein, dass wir einige Überraschungen erleben werden", sagt BMW Sauber F1-Pilot Nick Heidfeld. "Ich bin aber guter Dinge, dass unsere Ingenieure aus den neuen Möglichkeiten mehr machen als die anderen Teams. Und dann sind wir auch 2009 ganz vorne mit dabei."