Hochgejubelt, als neuer britischer F1-Messias gepriesen, Lewis Hamilton beschleunigte in seiner ersten Formel 1-Saison von Null bis auf Warpgeschwindigkeit. In Bahrain fiel er ebenso abrupt wie hart aus dem Hyperraum direkt auf den sandigen Wüstenboden. Ein Unfall am Freitag, ein Fehler am Start, ein Crash mit seinem ungeliebten Ex-Teamkollegen und ein Rückfall bis ans Ende des Feldes zeigten Wirkung. Aus Hamilton sprach der Frust. Bei legitimen Zweikämpfen gegen Hinterbänkler zeigte er ihnen die Faust, gab verärgert Handzeichen. Der angestaute Ärger suchte und fand ein Ventil.

Die Leichtigkeit des Rookie-Jahres schien wie verflogen. Vor Saisonbeginn war Hamilton als Vizeweltmeister und F1-Superstar quasi als Nummer 1 bei McLaren gesetzt. Doch nach einem überlegenen Auftaktsieg erlebte er zwei schwierige Wochenenden. Plötzlich war er der etablierte Fahrer, der von einem jungen Teamkollegen gehetzt wurde.

Hamilton gegen Alonso

"Ich bin sehr enttäuscht und komme mir vor, als hätte ich das Team heute im Stich gelassen", sagte Hamilton enttäuscht. "Aber ich lasse mich nicht unterkriegen und werde weiter kämpfen." Bis dahin verlief seine F1-Karriere wie ein Senkrechtstart. "Da musste irgendwann so etwas passieren", blieb er Realist. Ausgerechnet Alonso und Hamilton, die Streithähne der vorangegangenen Saison waren aneinandergeraten. Kein Wunder, dass es nicht lange dauerte, bis Gerüchte im Fahrerlager die Runde machten, Fernando habe Lewis absichtlich eines Bremstests unterzogen. "Das ist absoluter Müll", sagte Alonso trocken.

Pat Symonds zeigte sogar die Telemetrieausdrucke her, um den Spekulationen den Boden zu entziehen. Alonso beschleunigte voll aus der Kurve heraus bis 227 km/h im fünften Gang. "Er berührte die Bremsen nicht", betonte Symonds. "Man sieht den Einschlag in den Daten, er wurde von hinten gerammt." Alonso glaubte, dass Hamilton auf seiner Aufholjagd einfach zu viel riskiert hatte. "Man versucht zu schnell, zu viele Plätze gutzumachen. Er war zu nah und hat es vielleicht nicht bemerkt." Voran ging laut Martin Whitmarsh eine Berührung mit Mark Webber, die Hamilton den Nasenflügelbogen kostete. "Durch den beschädigten Flügel verlor er an Downforce, das beeinträchtigte die Bremsen und die Lenkung und führte letztlich zum Unfall mit Fernando."

Hamilton unter Druck

Hamilton geriet ins Kreuzfeuer der Kritiker., Foto: Sutton
Hamilton geriet ins Kreuzfeuer der Kritiker., Foto: Sutton

"Hamilton ist völlig neben der Kappe", kritisierte Christian Danner, der den Auffahrunfall mit Alonso als "selbstzerstörerisch" bezeichnete. Niki Lauda ging sogar noch weiter: "Hamilton fasziniert mich im Moment nicht so wie letztes Jahr. Er hat einen richtigen Durchhänger." So etwas dürfe sich ein Titelanwärter nicht leisten. "Die Punkte fehlen am Ende", mahnte Lauda, der damit letztlich nicht recht behalten sollte. Den gestiegenen Druck als Vizeweltmeister und Teamleader ließ der Österreicher nicht gelten. "Nein, der Crash am Freitag war vollkommen unnötig. Das hätte man nach seinem ersten Jahr nicht erwartet. Normalerweise denkt man, dass ein Fahrer besser wird."

Die alte Weisheit, dass das zweite Jahr immer das schwerste sei, galt für Lauda nicht. "Nur wenn du blöd bist und abhebst", sagte er. "Dann ist es schwieriger. Wenn du normal den Weg gehst, ist es leichter. Denn du hast wesentlich mehr Erfahrung, kannst mit dem Auto umgehen, hast mehr Rennpraxis." Felipe Massa kennt die Situation, das Gefühl im Kreuzfeuer der Kritik zu stehen, den öffentlichen Druck und die Last, die damals von seinen Schultern auf jene von Hamilton überging. Massa hatte sie gerade erst abgelegt, zumindest zu einem Großteil.

Massa schlägt zurück

Wie im Vorjahr brachte Massa seine Kritiker mit einer überlegenen Vorstellung in Bahrain zum Schweigen. "Nachdem die WM für mich unter dunklen Wolken begonnen hatte, kann ich jetzt endlich wieder die Sonne scheinen sehen", strahlte der Brasilianer. "Es liegen keine einfachen Wochen hinter mir, aber so ist das Leben. Es ist nicht das erste Mal und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein", kannte er die knallharten Gesetze der Formel 1-Welt. Aber selbst im Cockpit war der Druck allgegenwärtig. "Ich hatte immer im Hinterkopf, was in Malaysia geschehen ist. Ich wollte bloß keinen Fehler begehen. Also versuchte ich mich auf alles zu konzentrieren, sicherzustellen, dass ich das Ziel erreichen würde."

Alex Wurz lobte Massa für ein "astreines" Wochenende. "Das ist nicht so einfach, wenn du ständig am Limit fährst. Da passieren halt auch Fehler", so Wurz, der meinte, dass Massa alle eines Besseren belehrt habe. "Das war sicher die beste Antwort auf die Kritik, die heutzutage in der Formel 1 wie aus der Pistole geschossen losgeht."

BMW Sauber angelte sich die erste Pole und die WM-Führung., Foto: Sutton
BMW Sauber angelte sich die erste Pole und die WM-Führung., Foto: Sutton

Trotz des Erfolges, trotz des abgelegten Drucks, trotz der geohrfeigten Kritiker gab es aber nicht nur Lobeshymnen auf die Triumphfahrt des Brasilianers. "Bei Ferrari war Massa dort, wo er immer sein könnte, wenn er nicht blöde Fehler machen würde", mahnte Lauda. "Er ist ein perfektes Rennen gefahren, hat Kimi von Anfang bis Ende dominiert - besser kann er es nicht machen. Sein Problem ist, dass er nie das ganze Jahr so stabil fährt." Ganz war die Last also noch nicht von Massas Schultern verschwunden.

Neue Machtverhältnisse

Bahrain ist Ferrari-Land. Das war schon beim Debüt in der Wüste so, das war im letzten Jahr so, das war in der Saison 2008 so. "Ich musste noch nicht einmal das Maximum herausholen", verriet Massa. Sein Teamkollege Kimi Räikkönen konnte nicht mehr aus seinem F2008 herausholen. "Das ist das Beste, was möglich war. Es war nicht gerade mein bestes Wochenende", gestand der damals noch amtierende Weltmeister. "Diese acht Punkte bringen mir die Führung in der Fahrer-WM - das ist ein Grund, Bahrain zufrieden zu verlassen."

Nach Bahrain behauptete Mario Theissen mit Fug und Recht: "Für mich war es die letzte Bestätigung, dass wir drei Top-Teams haben, die je nach Tagesform Rennen gewinnen können." Dazu zählte er auch sein eigenes Team. "Alles läuft auf einen Dreikampf hinaus", bestätigte Norbert Haug. "Es war gut, zu sehen, dass wir die Rennpace der Spitzenautos mitgehen konnten", freute sich Theissen. "Aber Ferrari war noch einen Tick weiter vorne, wenn auch bei Weitem nicht so viel, wie wir aufgrund des Trainings erwartet hatten." BMW Sauber kam danach als Führender in der Konstrukteurs-WM nach Europa zurück. "Das haut mich um", sagt Theissen. "Das hatte ich nicht auf der Rechnung."

Die Überraschung des Wochenendes war jedoch weder der Sieg von Felipe Massa noch die starke Vorstellung von BMW Sauber. "Die Überraschung ist, dass die McLaren so langsam sind - schweinelangsam", kritistierte Christian Danner. Was lief also schief? "Alles", sagte Norbert Haug ehrlich. "Bei uns war hier Melbourne", spielte er auf das schwarze Ferrari-Wochenende vom Saisonstart an. "Diesmal hatten wir einen Tag zum Vergessen. Nach Melbourne hat man Ferrari abgeschrieben, wir wissen genau, was seitdem passiert ist." Räikkönen und Massa gewannen die beiden Folgerennen in Malaysia und Bahrain. "Ich bin kein Freund von Schwarz und Weiß. Letztes Mal war Massa für viele ein Fahrschüler, dem man die Lizenz abnehmen sollte, jetzt hat er gewonnen."