Auch wenn man es ihm nicht ansieht, und es viele Beobachter auch gar nicht wahrhaben wollen: Felipe Massa ist kein Formel-1-Rookie mehr. Die sprichwörtlichen Teddybär-Augen sind geblieben, aber der Brasilianer ist mittlerweile eine feste Größe in der Königsklasse des Motorsports, ein Spitzenfahrer in einem Spitzenteam. Ein Ferrari-Pilot und als solcher ein ernstzunehmender Titelkandidat.

Es hat nicht sollen sein: Massa ist nur Vizeweltmeister., Foto: Sutton
Es hat nicht sollen sein: Massa ist nur Vizeweltmeister., Foto: Sutton

Doch kaum fand sich Felipe Massa in der Formel 1 ganz oben, wuchsen auch schon die Ansprüche. Nicht die eigenen, aber die von außen. Vor allem die seiner brasilianischen Landsleute, die schon Rubens Barrichello als würdigen Nachfolger des legendären Ayrton Senna abgewatscht hatten. Zum ersten Mal seit 15 Jahren führte zur Saisonmitte 2008 mit Felipe Massa wieder ein Brasilianer die F1-Weltmeisterschaft an. Massa ist bei Vergleichen vorsichtig, möchte sich nicht in die Reihe großer brasilianischer Namen von Emerson Fittipaldi über Nelson Piquet bis Ayrton Senna einordnen. "Bis ich die erreiche, da fehlt mir noch unglaublich viel, im Vergleich zu ihnen bin ich noch so klein", meinte er bescheiden - und deutete mit den Fingern eine Größe von etwa zwei Zentimetern an.

Ein bisschen größer ist er mit seinen wohlwollend gemessenen 1,65 Metern doch. Bis dahin hatte Massa immer mit dem Phänomen zu kämpfen, nirgendwo wirklich ernst genommen zu werden - zumindest nicht als WM-Kandidat. Als ausgesprochen schnell galt er schon immer, seit seinem Formel-1-Einstieg als Zwanzigjähriger bei Sauber 2002. Aber eben auch als zu unkonstant, als unter Druck zu fehleranfällig, vielleicht auch zu "verspielt" und nicht hart genug, um es in der Formel 1 bei allem Talent wirklich bis ganz an die Spitze zu schaffen. Manche dieser Schwächen blitzen auch heute noch durch, etwa bei seinen Fehlern zu Saisonbeginn.

Bei Sauber war Massa ebenso schnell wie hitzköpfig., Foto: Sutton
Bei Sauber war Massa ebenso schnell wie hitzköpfig., Foto: Sutton

Als Ferrari ihn nach einem Lehrjahr als Testfahrer, umrandet von zwei Jahren bei Sauber, zum Teamkollegen von Michael Schumacher machte - als Nachfolger seines Landsmannes Rubens Barrichello, schien auch er nicht mehr als ein besserer Wasserträger, hieß es, er sei nur durch "Familienbeziehungen" zu dem Job gekommen, schließlich ist Nicolas Todt, der Sohn des damaligen Ferrari-Sportdirektors Jean Todt, sein Manager...

Nach Schumachers Rücktritt holte Ferrari Kimi Räikkönen, "um ihn Massa vor die Nase zu setzen", so die allgemeine Interpretation. Als dann Räikkönen prompt - nach Anfangsschwierigkeiten - den WM-Titel für Ferrari gewann, Massa durch den Abgang von Todt gleichzeitig an politischem Rückhalt im Team zu verlieren schien und sich Anfang 2008 selbst dicke Fehler in Australien und Malaysia leistete, setzten viele ihn schon auf die Abschussliste - trotz bis Ende 2010 laufendem Vertrag.

Aber Massa bewies, dass man ihn damit unterschätzt hatte: Er schlug zurück, mit den Siegen in Bahrain und der Türkei, überraschte unter anderem dadurch, auf der von ihm nun wirklich nicht geliebten Strecke von Monaco das ganze Wochenende über schneller zu sein als sein favorisierter Teamkollege Räikkönen, leistete sich keine Fehler mehr, war da, wenn sich die Chance geboten hat - wie in Frankreich durch die technischen Problem des Finnen. Plötzlich war er der Titelkandidat in Rot, der Gegner von Lewis Hamilton.

Trost von der Ehefrau Raffaela., Foto: Sutton
Trost von der Ehefrau Raffaela., Foto: Sutton

Dass er sich in Sachen Arbeitsweise und vor allem Einsatz und Arbeitseifer sehr viel von Michael Schumacher abgeschaut hat, betont er immer wieder - umgekehrt ist bekannt, dass auch der siebenmalige Weltmeister stets große Stücke auf ihn hielt, ihn höher einschätzte als viele seiner anderen Teamkollegen, denen er im Laufe seiner Karriere begegnete. Auch vor dem Finale in Brasilien brachte Schumacher seine Unterstützung für seinen Ex-Kollegen zum Ausdruck, glaubte fest an ihn - wenn auch letztlich in Sachen Titelwunder vergeblich.

Privat hat Massa die Hochzeit mit seiner vier Jahre älteren Dauerfreundin Raffaela Bassi im letzten November noch stabiler gemacht: "Sie ist sehr wichtig für mich, sie gibt mir genauso Rückhalt wie meine Familie, rückt mir auch manchmal den Kopf ein bisschen gerade - und das ist auch gut so." Von der reinen Optik sollte sich jedenfalls niemand mehr täuschen lassen. Auch wenn Massa mit inzwischen 27 Jahren immer noch etwas kindlich-knuddellig daherkommt, ein bisschen wie ein Teddybär, den jeder mal gern in den Arm nehmen möchte: die Räikkönens und Hamiltons dieser Welt müssen mit ihm rechnen. Der Schein trügt eben manchmal.