Alex, Honda hat relativ bald im Jahr beschlossen, sich auf 2009 zu konzentrieren. Was steckt dahinter und kann das funktionieren?
Alex Wurz: Da wir im Hier und Jetzt leben, ist es natürlich nicht die optimale Variante. Wenn man aber schaut, wo wir stehen und was wir mit dem vorhandenen Auto erreichen können und gleichzeitig schaut, wo wir in den nächsten Jahren hin wollen, dann muss man selbstkritisch genug sein, um zu erkennen, dass unser Auto dieses Jahr nicht das Beste war. Das ist offensichtlich und davor verstecken wir uns auch nicht. Aber die Frage ist: warum ist das so? Um das zu beheben, muss man die Struktur und die Abläufe verbessern. Deshalb hat sich das Teammanagement entschieden, erst einmal daran zu arbeiten. Es ging also um die internen Abläufe, die übrigens sehr gut waren, bis es Ende 2006 zum Reifenwechsel kam.

Im letzten halben Jahr des Reifenkriegs zwischen Michelin und Bridgestone war Honda das Team mit den meisten Punkten. Dann muss etwas nicht effizient genug abgehandelt worden sein. Das ist das Problem, warum wir heute ein Auto haben, das nicht ganz so gut ist. Wenn man nun sagt, dass man sich auf das nächste Jahr konzentriert, bedeutet das nicht, dass man nur am nächstjährigen Auto arbeitet. Man versucht von Grund auf die Struktur zu durchleuchten, alles Schritt für Schritt durchzugehen. Das belegt Ressourcen, die ins jetzige Auto nicht mehr einfließen konnten.

Wie wichtig ist die Rolle von Ross Brawn?
Alex Wurz: Unheimlich wichtig, aber er kann die Struktur von fast über 1.000 Mitarbeitern nicht so schnell ändern. Er kann mit neuen Sichtweisen helfen, schneller ans Ziel zu kommen. Das schafft er auch. Aber es liegt nicht allein an Ross Brawn. Er hat die Schützenhilfe von Nick Fry und vielen anderen neuen und alten Leuten. Es ist ja nicht so, dass die Honda-Mitarbeiter schlecht wären. Sie haben schon erfolgreiche Autos gebaut.

Honda probierte alles aus: Flügel, Ohren und Geweihe., Foto: Sutton
Honda probierte alles aus: Flügel, Ohren und Geweihe., Foto: Sutton

Du siehst also schon jetzt konkret Projekte, die sich 2009 auswirken können?
Alex Wurz: Ja, allerdings weiß ich von anderen Teams, dass es manchmal länger dauert, als es einem lieb ist. Gerade im Sport, wo alle 14 Tage dein Output auf der Uhr in Hundertstelsekunden gemessen wird. Das ist das Konträre zu jedem anderen Business, wo es teilweise Jahre dauert, bis sich eine Fehlentscheidung auswirkt. Wir sehen es alle 14 Tage.

Man hört immer, dass Honda bei KERS führend sei. Kannst du das unterschreiben und wie wichtig wird die Rolle von KERS im nächsten Jahr überhaupt sein?
Alex Wurz: Die erste Frage kann ich mit hundertprozentiger Sicherheit unterschreiben. Wir waren bislang auch die einzigen, die KERS auf der Rennstrecke im Vollbetrieb gefahren sind. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir 2009 die WM gewinnen werden. Es kommt noch auf viel mehr als nur KERS an. Wir haben damit jedoch einen Bereich, der uns viel besser schlafen lässt als viele Konkurrenten.

Wie groß kann die Rolle des Systems sein?
Alex Wurz: Es wird dich nicht aus der letzten in die erste Reihe bringen und umgekehrt wird es dich auch nicht von der ersten in die letzte Reihe versetzen, wenn du es nicht haben solltest. Aber es wird einige Plätze und Zehntel ausmachen.

Glaubst du, dass die Abstände 2009 wieder größer werden?
Alex Wurz: Das könnte gut sein, speziell im ersten Jahr nach den Regeländerungen ist das oft der Fall.

Was wird die größere Rolle spielen: die Slicks oder die Aerodynamikbeschneidung?
Alex Wurz: Die Reifenumstellung beeinflusst die Aerodynamik sehr stark. Durch die Änderung des Reifenprofils wird die Luftströmung der Vorderreifen verändert und das ist der wichtigste Teil der Aerodynamik am Auto. Die Teams werden zwar relativ rasch aufholen, aber ich gehe schon davon aus, dass sich die Zeiten etwas auseinanderziehen werden.

Wird es schwierig, Informationen wegen der neuen Reifen auf das neue Jahr zu übertragen?
Alex Wurz: Ja und nein. Die Gesetze der Physik bleiben die gleichen, wer jetzt damit umgehen kann, wird die Basisinformationen sicher übernehmen können. Dennoch ist es ein großer Unterschied, wenn es um das Eingemachte geht.

Alex Wurz hat als Testfahrer viel zu tun., Foto: Sutton
Alex Wurz hat als Testfahrer viel zu tun., Foto: Sutton

Wie stark werden sich die Fahrer umstellen müssen?
Alex Wurz: Der Fahrer muss sich aus verschiedenen Gründen umstellen. Er muss KERS einbeziehen, die Slicks, die andere Aerodynamik und dadurch wird sich viel bei den kleinen Nuancen verändern, die dem einen oder anderen sehr zu schaffen gemacht haben. Einige werden dadurch besser werden, andere werden neue Probleme bekommen.

Kommen Slicks Fahrern mit einem weicheren Fahrstil entgegen?
Alex Wurz: Nein, du kannst damit aggressiver fahren. Man kann mehr rutschen, aggressiver fahren. Es wird den Fahrern helfen, die sehr gerne eine starke Vorderachse haben, also zum Beispiel mir.

Könnten sich GP2-Fahrer, die Slicks gewohnt sind, damit leichter tun?
Alex Wurz: Nur ganz am Anfang. Wer jetzt in der GP2 sitzt und dieses Interview liest, darf nicht vergessen: er kommt in ein Feld, in dem nur die Besten fahren. Dann wird die Luft noch einmal viel dünner.