Bob, Renault gewann in Fuji den zweiten Grand Prix in Folge. Sie müssen begeistert sein...
Bob Bell: Absolut. Fernando und Nelson fuhren ein großartiges Rennen. Ihre Resultate hatten nichts mit Glück zu tun. Wir haben damit erneut die Fortschritte bestätigt, die uns seit Saisonbeginn mit dem Renault R28 gelungen sind. Die beiden Siege sehe ich als Beleg für die grandiose Arbeit des gesamten Teams in den Workshops und an der Strecke - die jüngsten Erfolge sind eine großartige Belohnung für uns alle.

Wie erklären Sie sich diese Rückkehr des Teams in die absolute Spitze der Formel 1?
Bob Bell: Da kommen verschiedene Faktoren zusammen. Vor allem aber haben wir stets größten Wert gelegt auf die kontinuierliche Weiterentwicklung unseres Autos. Bei jedem Rennen in dieser Saison haben wir neu entwickelte Komponenten eingesetzt. In Singapur beispielsweise fuhren wir erstmals mit dem neuen Frontflügel, der auf Anhieb perfekt funktionierte. Zudem haben wir inzwischen ein besseres Verständnis unseres Chassis und wissen, wie wir sein Potenzial optimal nutzen können. Als Folge davon haben die Fahrer größeres Vertrauen ins Auto und können daher leichter die Extra-Portion Performance finden, die den Unterschied ausmacht.

Wo steht der Renault R28 aktuell im Vergleich mit der Konkurrenz?
Bob Bell: Ich denke, dass wir bei der reinen Performance nach wie vor hinter Ferrari und McLaren sind, dafür aber einen Vorteil gegenüber BMW besitzen. Unter Rennbedingungen sind wir näher an der absoluten Spitze dran. Unser Auto geht besser mit den Reifen um. Das erlaubt uns unser schon vor längerem formuliertes Doppelziel zu erreichen: mit dem drittstärksten Auto im Feld Rang vier in der Konstrukteurs-WM zu erreichen.

Renault durfte zum zweiten Mal in Folge jubeln., Foto: Sutton
Renault durfte zum zweiten Mal in Folge jubeln., Foto: Sutton

Sie sprechen vom Umgang mit den Reifen während des Rennens - der zählte zu Beginn der Saison nicht zu den Stärken des R28...
Bob Bell: Das stimmt, aber inzwischen gilt das komplette Gegenteil.

Wie das?
Bob Bell: Das hängt vor allem mit den allgemeinen Verbesserungen zusammen, die uns mit dem R28 gelungen sind - in aerodynamischer und mechanischer Hinsicht. Sobald ein Rennwagen konkurrenzfähiger ist, muss der Fahrer ihn nicht mehr "überfahren". Dadurch rutscht der Wagen weniger, was wiederum den Verschleiß der Reifen verringert.

Was waren die größten Entwicklungsschritte des R28?
Bob Bell: Der größte Fortschritt gelang uns zweifellos in Barcelona, wo wir erstmals mit einer neuen Karosserie fuhren. Front- und Heckflügel sowie die Motorabdeckung hatten wir praktisch komplett überarbeitet. Auch danach setzten wir in jedem Rennen neue Teile ein. Heute ist kein Bereich der Karosserie mehr so, wie er zu Saisonbeginn war.

Wird sich dieser Prozess auch in China und Brasilien fortsetzen?
Bob Bell: Anstatt uns auf neue Komponenten zu verlassen, konzentrieren wir uns darauf, die vorhandenen Performance-Kapazitäten zu 100 Prozent auszuschöpfen. Wenn wir dabei auf neue Lösungen stoßen und wir ausreichend Zeit haben, sie umzusetzen, werden sie selbstverständlich zum Einsatz kommen.

Um Entwicklungen für die kommende Saison kann es sich dabei aber nicht handeln, oder? Sie im aktuellen Auto einzusetzen, ist doch sicherlich unmöglich.
Bob Bell: Ja, und das ist für alle Teams ein großes Problem. Wir haben natürlich längst mit unserem Programm für die kommende Saison begonnen. Aber die Regeländerungen sind so gravierend, dass wir davon so gut wie gar nichts für die aktuelle Saison ableiten können.

Das neue Rechenzentrum zur Strömungsdynamikberechnung hat das Team bereits in Betrieb genommen. Wird es ausschließlich zur Entwicklung des Renault R29 genutzt?
Bob Bell: Im Moment ja. Zur Einweihung des Rechenzentrums haben wir allerdings mit einigen Arbeiten für den R28 begonnen. Die Bremsen-Kühlschächte, mit denen wir in Monza fuhren, wurden zum Beispiel mithilfe der neuen Anlage entwickelt.

Letzte Frage: Dürfen wir in Shanghai am kommenden Wochenende eine ähnliche Leistung erwarten wie in Fuji?
Bob Bell: Auf dem Papier zählen wir nicht zu den Favoriten. Aber Fernando hat zuletzt zweimal bewiesen, dass alles möglich ist. Wir werden auf jeden Fall einen weiteren Sieg anstreben. Daran besteht kein Zweifel.