Die Lehre der Nacht

In Singapur war vieles anders. Das bemerkte Nick Heidfeld schon am ersten Tag, als ihm die BMW Sauber-Pressesprecherin den Plan für das Wochenende mitteilte: "Wir haben über meine Media-Slots gesprochen und dann sagte Heike: morgen Vormittag um 17:30 Uhr..."

Nico Rosberg hatte nichts gegen den verschobenen Schlafrhythmus einzuwenden. "Ich gehe jede Nacht um 4:00 Uhr schlafen und stehe nachmittags um 14:00 Uhr auf. Das ist perfekt - so würde ich es am liebsten zu hause auch machen." Einen Haken hatte die Sache aber doch: "Nachts zwischen zwei und drei Uhr etwas Anständiges zu essen zu bekommen, ist nicht so einfach", warnte Heidfeld. Das ist auch Rosberg aufgefallen: "Die sollten nächstes Jahr Restaurants haben, die lange offen haben."

Die Scheinwerfer musste kein Team montieren..., Foto: McLaren
Die Scheinwerfer musste kein Team montieren..., Foto: McLaren

Schon vor dem Wochenende kündigte Rosberg an: den umgestellten Tagesrhythmus wolle er nach dem Rennen dazu nutzen, um in die Disco zu gehen. "Hoffentlich gibt es auch etwas zu feiern." Mit Platz 2 hat er durchaus einen vernünftigen Grund gefunden...

Die Lehre vom Schlafzimmer

Die Vögel zwitschern in den Bäumen, die Sonnenstrahlen brechen zwischen den hellen Vorhängen hindurch. Zeit zum Aufstehen. Doch halt: nicht für die F1-Piloten, die sich in Person von Nick Heidfeld sogar leicht über genau diese beiden störenden Einflüsse beschwerten. David Coulthard nahm das mit all seiner Erfahrung locker hin. "Meine Verlobte Karen ist mit mir hier. Wir nutzen die zusätzliche Zeit im Schlafzimmer..."

Die Lehre vom Bau

Zeit hatten die Baumeister in Singapur genügend, doch manche Dinge wurden auf der neuen Strecke erst im letzten Moment entdeckt. So gab es bis zum 1. September, also rund drei Wochen vor dem GP-Wochenende, noch gar keine Kommentatorenkabinen für die Fernsehsender. Manchem Fernsehzuschauer wäre es vielleicht gar nicht aufgefallen...

Die unterschiedlichen Asphaltbeläge und extremen Bodenwellen auf der Strecke hatten die Fahrer nicht auf einer neuen Strecke erwartet, dafür stieg der Umsatz an Kopfschmerztabletten im Gegenzug wohl erheblich an. Noch mehr Kopfzerbrechen bescherten die überhöhten Kerbs in Kurve 10. Einmal bei Giancarlo Fisichella, der sie als Sprungschanze nutzte und in die Wand flog. Und natürlich auch bei all jenen, die versuchten Schildkrötenpanzerkerbs korrekt zu buchstabieren...

Die Lehre von der Länge

Schon vor dem Wochenende bangten die Fahrer um Überholmöglichkeiten. "Beim Ablaufen der Strecke sahen die Geraden noch lang aus", verriet Nick Heidfeld. "Aber beim Fahren sind sie wohl nur noch halb so lang." Die Strecke an sich entpuppte sich für Timo Glock jedoch als länger als erwartet. "Die Strecke ist verdammt lang", sagte der Toyota-Pilot. "Irgendwann hat mich mein Ingenieur gefragt, in welcher Kurve ich mich befinde, da hatte ich keine Ahnung."

Die Lehre vom Vettel

Endlich wieder ein Riesenrad in der Formel 1. Oder doch ein Stargate in Singapur?, Foto: Sutton
Endlich wieder ein Riesenrad in der Formel 1. Oder doch ein Stargate in Singapur?, Foto: Sutton

Natürlich war auch Sebastian Vettels Sensationssieg von Monza in aller Munde. Sein Ex-Chef Mario Theissen wusste jedoch Erstaunliches zu berichten: "Ich wurde nur selten im Konzern danach befragt, warum er nicht mehr für uns fährt. Anscheinend hatte ich in den vielen Interviews genügend Auskunft darüber gegeben. Sie haben mir da alle sehr geholfen..."

Vettel selbst betonte derweil, dass sich seine Rolle im Team durch den ersten Sieg nicht verändert habe. "Sie ist unverändert, ich bin immer noch der Fahrer, einer von zweien", sagte er, typisch Vettel eben. Noch deutlicher machte sein aktueller Noch-Chef Gerhard Berger die Auswirkungen des Monza-Sieges: "Es sind noch alle betrunken."

Die Lehre vom Regen

Vor dem Rennwochenende hatten alle Angst vor einem Regenrennen unter Flutlicht. Bernie Ecclestone juckte die Regenwahrscheinlichkeit nicht: "Nein, ich habe einen Regenschirm dabei, also sollte das kein Problem sein", sagte er uns. Dabei hatte die F1 Glück: es regnete von Donnerstag auf Freitag vor dem 1. Training und am Montag nach dem Rennen. Sebastian Vettel sagte in dieser Saison einmal: "Gut, dass wir das Wetter nicht beeinflussen können, sonst könnte man das auch noch kaufen." Wenn da Bernie nicht den Geldbeutel aufgemacht hat...

Die Lehre vom Finnen

Sebastian Vettel ist immer ein Garant für einen lustigen Spruch. Kimi Räikkönen ist immer ein Garant für - nun ja, eine absolut präzise Aussage. "Kimi, was meinst du dazu, dass einige sagen, es ist zu eng?" - "Es ist an manchen Stellen eng, an anderen breit, das hängt davon ab, wo man ist." Danke, Kimi. Ein echter Klassiker.

Die Lehre vom Sekundenschlaf

Timo Glock probierte im Flutlicht von Singapur verschiedene Visiertypen aus, eines davon war ein komplett verspiegeltes. "Das war mir zu dunkel", erklärte er. "Da bin ich ein bisschen müde geworden, also habe ich ein helleres genommen. Nachdem ich über die ganzen Bodenwellen gefahren bin, war ich aber wieder wach."

Bei Nico Rosberg nützten noch nicht einmal die etwas: "Im Auto bin ich kurz eingenickt. Das Team hat da was repariert, da war ich kurz weg und danach war ich wieder in Topform", scherzte der Williams-Pilot Freitagnacht. Einige Schreiberlinge nahmen die Scherze der Piloten übrigens für bare Münze und berichteten über die Gefahren des Sekundenschlafs in den nächtlichen Straßen von Singapur. Manchmal hilft es eben, auch beim Schreiben voll ausgeschlafen zu sein...

Die Lehre von den Partys

Nicht nur die Fahrer mussten eine Nachtschicht einlegen., Foto: Sutton
Nicht nur die Fahrer mussten eine Nachtschicht einlegen., Foto: Sutton

Normalerweise geht es an Rennwochenenden höchstens am Sonntagabend nach einem erfolgreichen Rennen ab zur Siegesfeier. Diesmal war Nick Heidfeld schon kurz nach seiner Ankunft feiern. "Es fühlt sich schon komisch an, am Rennwochenende um 3:00 Uhr bei einem BMW-Event mit deinen Mechanikern zu sprechen." Nicht ganz so nett endete eine Red Bull Party für den Chefmechaniker von Sebastian Vettel: er trat am Pool der Energy Station barfüßig in eine Glasscherbe und musste mit sieben Stichen genäht werden.

Die Lehre vom Wurfarm

Rubens Barrichellos F1-Zukunft ist ungewiss. Einen Wechsel in die Leichtathletik oder Ballsportarten wie Baseball (sollte er denn außerhalb Nordamerikas jemanden finden, der ihm die Regeln dazu erklären könnte) sollte er aber nicht in Erwägung ziehen. Kurz nach seinem technisch bedingten Ausfall versuchte sich Rubinho als Fanwohltäter und wollte seine Rennhandschuhe als Souvenir in die Menschenmassen auf der Tribüne werfen. Leider verunglückte der Wurf vollkommen und die Handschuhe landete genau gegenüber der Tribüne - in einem Fluss.

Die Lehre vom Ende

'It's the end of the world as we know it (and I feel fine)' sang R.E.M. bereits 1987. Nach nur wenigen Rennminuten funkte Nico Rosbergs Renningenieur dem Deutschen ins Auto: "Du musst an Trulli vorbei, sonst ist der Tag gelaufen ('it's the end of the day')." Wenn der Funk genauso gestört gewesen wäre wie das GPS-Signal in Singapur, hätte Tony Ross alternativ auch besagten Song abspielen können.

Allerdings wäre Rosberg wohl auch selbst darauf gekommen, dass er das viel langsamere Auto vor sich überholen muss. Kaum war das geschafft, kam das nächste dreifältige Ende auf ihn zu: Safety Car, Tankstopp und Stop-and-Go-Strafe. "Das ist mein Ende", dachte Rosberg im Cockpit. Auch damit lag er falsch. Der Vorhang fiel erst auf dem Podium - als Zweiter. Es ist das Ende der Welt, wie wir sie kennen (und er fühlt sich gut).