Statt sich auf das erste Nachtrennen in der Formel-1-Geschichte vorzubereiten, verbrachte Lewis Hamilton den Montag in einem Gerichtssaal in Paris. Der WM-Führende trat als Zeuge in seiner eigenen Berufungsverhandlung auf, die ihm den verlorenen Sieg von Belgien zurückbringen soll, jedenfalls wenn es nach der Ansicht seines McLaren-Teams geht.

"Egal was passiert, ich bin nicht besorgt", sagte Hamilton nach der Anhörung. "Ich hoffe nur, dass die Richter die Wahrheit erkennen. Ich bin ein Rennfahrer, das ist mein Job und das genieße ich." Entsprechend werde er sich jetzt auf das nächste Rennen konzentrieren "und hoffentlich dort gewinnen". Ähnlich wichtig im Titelkampf wäre ein Sieg am Dienstag, denn dann verkündet der International Court of Appeal der FIA in Paris das Urteil. Bekommt Hamilton seinen Sieg von Spa-Francorchamps zurück oder muss er mit Platz 3 Vorlieb nehmen? "Momentan bin ich einen Punkt vorne und so werde ich das Wochenende angehen", ließ Hamilton gegenüber Autosport das Urteil außen vor.

Lebhafte Schilderung

Im Laufe des Tages studierten die Richter Videoaufnahmen des Überholmanövers von Hamilton gegen Kimi Räikkönen in der Bus-Stop-Schikane. Hamilton schilderte die Situation lebhaft: "Wenn man Rennen fährt, schlägt dein Herz wie verrückt. Das letzte, was ich machen wollte, war in ihn rein zu fahren. Wenn man so weit gekommen ist, möchte man das Rennen beenden. Wir hatten einen tollen Zweikampf und es gab keinen Grund, ein unnötiges Risiko einzugehen - also schnitt ich die Schikane."

Hamilton schwört: er habe den Vorteil zurückgegeben., Foto: Sutton
Hamilton schwört: er habe den Vorteil zurückgegeben., Foto: Sutton

Seit jenem Wochenende habe er die Szene rund zehn Mal am Fernseher studiert. "Ich kann mich lebhaft daran erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Ich glaube, ich habe den Vorteil zurückgegeben. Ehrlich, ich schwöre, dass ich das getan habe."

Nur ich bin Rennfahrer

Was sich wie ein Hollywood-reifes Drehbuch anhört, führte bei einer Nachfrage des Ferrari-Anwalts sogar zu einer emotionalen Antwort des Briten: "Sind Sie ein Rennfahrer? Nein!", sagte Hamilton in Richtung Nigel Tozzi. "Ich fahre seit meinem achten Lebensjahr Rennen und ich kenne ziemlich genau jedes Manöver - deswegen bin ich der Beste in meinem Job. Wir sprechen von einem talentierten Fahrer unter immensem Druck, der Entscheidungen binnen Sekundenbruchteilen fällen muss. Das kann niemand nachvollziehen, außer er fährt selbst in der Formel 1."

Damit schnitt Hamilton eines der heiß diskutierten Themen der letzten Wochen direkt in der Berufungsverhandlung an: gehören statt immer wechselnder Rennkommissare ohne Rennsporthintergrund nicht permanente Vertreter aus dem Motorsport in die Riege der Schiedsrichter? Darüber fällt am Dienstag keine Entscheidung. Aber Xavier Conesa aus Spanien, Philippe Narmino aus Monaco, Erich Sedelmayer aus Österreich, Harry Duijm aus den Niederlanden und Thierry Julliard aus der Schweiz werden sehr wohl darüber entscheiden, ob Hamiltons Strafe korrekt war.

Dazu müssen sie zunächst festlegen, ob die Berufung von McLaren überhaupt rechtens ist. Denn laut FIA-Reglement dürfe man Drive-Through-Strafen nicht anfechten. McLaren-Anwalt Mark Phillips argumentierte am Montag jedoch so, dass es sich um eine Zeitstrafe handele, da keine Zeit mehr für eine Drive-Through-Strafe gewesen wäre.