Der Montag Morgen nach dem "schönsten Tag in meinem Leben" war für Sebastian Vettel eigentlich völlig normal: Frühstück mit der Familie, den Eltern Norbert und Heike und Schwester Melanie im Traditionshotel Fossati ganz in der Nähe von Monza, dort, wo schon seit Jahrzehnten die ganz Großen der Formel 1, von Jackie Stewart über Ayrton Senna bis zu Michael Schumacher logierten.

Vettel bestellt - in gutem Italienisch - seine gewohnte heiße Schokolade, wirft einen Blick auf die italienische Sportzeitung "Gazzetta dello Sport", in der er es natürlich auf die Titelseite geschafft hat. Die Hotelbesitzer, Antonio und Vittorio Fossati, unterbrechen ihre Billard-Partie mit Robert Kubica, bitten um ein Erinnerungsfoto, das an den mit unzähligen Rennfahrerbildern übersäten Wänden in Zukunft sicher einen Ehrenplatz einnehmen wird - kein Problem für Sebastian.

Bereit für weitere Taten

Übermüdet ist er nicht, es hat keine große Party gegeben nach dem sensationellen ersten Grand-Prix-Sieg seiner Karriere, "wir waren nur im kleinen Kreis essen, der größte Teil des Teams musste ja gleich weiter, weil wir ja noch diese Woche wieder in Jerez testen - und im Gegensatz zu den Großen haben wir ja kein extra Testteam, machen alles mit den gleichen Leuten."

Besonders aufgeregt oder noch aufgewühlt vom Vortag scheint er auch nicht mehr. Der Junge aus der bodenständigen Familie im hessischen Heppenheim, der schon in seiner Kart-Zeit Michael Schumacher und dessen frühen Förderern auffiel, ist zwar auf dem Weg zum Weltstar der Formel 1, aber entschlossen, dadurch weder sich selbst noch sein Leben verändern zu lassen. "Ich bleibe der, der ich bin, ich denke nicht, dass sich wirklich etwas verändert. Ich bin ja dann auch jetzt gleich wieder weg, beim Testen in Jerez, dann die Überseerennen - ich mache weiter ganz normal meine Arbeit, so gut ich kann."

Zweifler besiegt

Sebastian Vettel am Morgen danach: als ob nichts gewesen wäre., Foto: adrivo Sportpresse
Sebastian Vettel am Morgen danach: als ob nichts gewesen wäre., Foto: adrivo Sportpresse

Das tut Vettel, seitdem er mit dem Rennsport begann, im Kart, in der Formel BMW, in der Formel 3, dann als Testfahrer bei BMW, mit dem ersten Renneinsatz als Kubica-Ersatzmann in Indianapolis 2007. Interessant ist trotzdem, wie stark er sich offensichtlich noch weiter verbessert hat, seit er bei Toro Rosso im letzten August das Stammcockpit bekam und auch alle Formel-1-Rennen bestritt.

Zu BMW-Zeiten gab es nämlich intern durchaus einige, die ein bisschen an Vettels Potenzial zum absoluten Weltklasse-Fahrer zweifelten, im Vergleich wurde Timo Glock damals ebenfalls Testpilot, gerade von den Technikern vielleicht sogar ein bisschen höher eingeschätzt. Selbst Peter Sauber gab kürzlich zu, von der so extremen Entwicklung bei Vettel in so kurzer Zeit ein bisschen überrascht zu sein, ihm das vorher nicht unbedingt zugetraut zu haben.

Die nächste Station wartet schon

Aber mit seiner Intelligenz und Cleverness, seiner positiven Einstellung und seinem Arbeitswillen schafft es der 21-Jährige offensichtlich, alle ihm gebotenen Informationen und Chancen aufzusaugen und entsprechend umzusetzen. Die Zusammenarbeit mit dem sehr erfahrenen Toro-Rosso-Chefingenieur Giorgio Ascanelli zum Beispiel, der ja schon mit Ayrton Senna bei McLaren und mit Vettels heutigem Teamchef Gerhard Berger bei Ferrari arbeitete. Berger sieht für das Potenzial seines Stars kaum Grenzen. "Sebastian ist ein ganz spezieller Fahrer. Er hat gezeigt, dass er Rennen gewinnen kann. Und so wie er die Sache angeht, wird er auch Weltmeisterschaften gewinnen."

Das einzige Problem: Nächstes Jahr muss er Vettel an Red Bull, das eigentliche Nummer-1-Team im Imperium des Dosenkönigs Didi Mateschitz, abgeben. Und zumindest derzeit fährt Red Bull Toro Rosso hinterher. Sebastian selbst sieht das nicht so dramatisch: "Ich werde ja jetzt bei dem Test mal einen ersten Eindruck bekommen. Sicher liegt auch dort viel Arbeit vor uns, aber ich bin überzeugt, dass auch bei Red Bull auf jeden Fall das Potenzial vorhanden ist, noch weiter nach vorn zu kommen." Dass dabei natürlich auch das Potenzial des Sebastian Vettel, auf und neben der Strecke, eine Rolle spielen könnte, diese an sich logische Schlussfolgerung überlässt er aber lieber anderen.