Für das Happy-Ende musste Sebastian Vettel bis zur letzten Sekunde zittern. Erst am Mittwochnachmittag fiel die Entscheidung, dass er fahren würde. Damals, vor dem Großen Preis der Türkei in Istanbul 2006. "Zu diesem Zeitpunkt saß ich gerade im Flieger nach Istanbul. Als ich ausgestiegen bin, hatte ich fünf oder sechs Glückwunsch-SMS auf dem Handy", schrieb Vettel seinerzeit in seiner Kolumne beim adrivo Motorsport-Magazin. "Da wurde mir klar: Ich hatte es geschafft!"

Er durfte als Freitagstestfahrer in den Freien Trainings im Istanbul Park sein Debüt geben und begann damit einen steilen Aufstieg zum regulären Testfahrer, Ersatzfahrer und schließlich Einsatzfahrer. Jetzt ist er sogar der jüngste GP-Sieger der F1-Geschichte. Begonnen hat alles mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung im 1. Freien Training und einer Trainingsbestzeit im 2. Freien Training von Istanbul. "Als ich meinen Namen als Vergleichszeit auf der Boxentafel und der Zeitnahme auf den Videoleinwänden sah, konnte ich es gar nicht glauben", schrieb er damals.

Vom Jäger zum Gejagten

Zwei Jahr später hatte er ein ähnliches Erlebnis, nur in einem Formel-1-Rennen: "Ich konnte es nicht glauben, dass die Boxentafel jede Runde immer noch P1 anzeigte." Dabei rechnete er vor dem Rennen mit einem schwierigen Grand Prix. "Wir wussten, dass ich ein klein bisschen leichter war als die anderen", verriet Vettel im Nachhinein. "Also musste ich schauen, dass ich im ersten Abschnitt richtig Gas gebe." Er wollte unbedingt vor dem bestplatzierten Einstopper Nico Rosberg aus der Box kommen, was ihm gelang.

Vettel schaffte es früher als alle anderen vor ihm., Foto: GEPA
Vettel schaffte es früher als alle anderen vor ihm., Foto: GEPA

Im Gegensatz zu vielen anderen F1-Piloten lag der letzte Sieg von Vettel in einer anderen Rennserie noch nicht lange zurück. Er gewann ein gutes Jahr vor Monza in der Renault World Series. Trotzdem war der F1-Triumph etwas ganz Besonderes für ihn, gab er ihm noch mehr Befriedigung. "Ich hatte noch nie so wenig Verkehr. An der Spitze fährt man gegen sich selbst. Es ist anders, der Gejagte zu sein, als die anderen zu hetzen." Sein Rennen verlief jedoch problemlos. "Die Boxenstopps, das Auto, das Team, alles war perfekt. Es war eine Teamleistung."

Vettel bleibt Vettel

Trotz der großen Euphorie und der anstehenden Jubelarien in ganz Deutschland und auf aller Welt bleibt Vettel auf dem Boden, so wie nach seinem sensationellen Debüt als Testfahrer für BMW Sauber. "Die Bedingungen haben uns geholfen, trotzdem waren wir unter dem Strich heute die Besten", sagte er. "Aber wir können nicht erwarten, dass wir jetzt in Singapur um den Sieg kämpfen werden. Dafür stehen wir zu sehr mit beiden Beinen auf dem Boden." Realistisch könnte es in ganz andere Regionen gehen: "Wir waren dieses Jahr auch schon mit einem 12. Platz zufrieden, wenn wir alles herausgeholt haben. Heute war auch so ein Tag, nur war das Ergebnis schöner."

Für ihn ändert sich durch den Sieg nichts. "Ich werde das nächste Rennen genauso angehen wie hier." Nach der Siegesfeier geht es direkt zum nächsten Test in Jerez, wo er für Red Bull und Toro Rosso im Auto sitzen wird. Dann geht es zum Kofferpacken nach Hause und weiter nach Singapur. "Ich bin der gleiche Mensch wie heute Morgen, gestern oder vor einer Woche. Ich sehe keinen Grund, mich zu ändern." Aber er lerne immer viel dazu, auch in Monza. "Wir haben ein starkes Paket und es liegt an uns, das in den nächsten Rennen auszunutzen."

Denn sein Ziel ist es, eines Tages konstant nach oben zu kommen. "Für mich ist ein Traum wahr geworden." Aber Vettel möchte bei jedem Rennen gewinnen. "Und wenn sich eine Chance ergibt, muss man sie ergreifen, darf nicht schlafen und den anderen vorbeiwinken." Aber im Vergleich zu den großen Teams kämpfe Toro Rosso noch mit stumpfen Waffen. "Wir wollen beim nächsten Rennen erneut das Beste herausholen. Wohin uns das bringt? Vielleicht in die Punkte, vielleicht 'nur' auf Platz 10 oder 12. Wenn wir keinen Fehler machen, können wir damit zufrieden sein."