Am Sonntag werden die Fans zum ersten Mal die neue Strecke in Valencia stürmen. Bereits am Mittwoch und Donnerstag wird der neue Asphalt inmitten der spanischen Hafenstadt von Rollern, Fahrrädern und Fußgängern bevölkert. Der Formel 1-Zirkus hat Einzug gehalten und Fahrer sowie Ingenieure möchten mit jedem Quadratmillimeter des Kurses auf Tuchfühlung gehen.

"Normalerweise gehe ich nicht mehr jede Strecke vor dem Wochenende ab", verriet Nick Heidfeld. Aber auf dem neuen Kurs in Valencia gehört auch er zu den aufmerksamen Fußgängern. "Es ist sehr wichtig, die Strecke abzugehen, ehe man das erste Mal fährt, um ein Gefühl für die Oberfläche und den Verlauf zu bekommen", stimmt Robert Kubica zu. Vor dem Rennwochenende bereitete sich Heidfeld mit Onboard-Aufnahmen und Videos im Internet auf seine erste Ausfahrt auf dem Straßenkurs vor. Aber auch Streckenpläne, Computersimulationen, Datenausdrucke und virtuelle Fahrten im Simulator halfen den Piloten bei ihrer Vorbereitung.

Timo Glock sammelte die ersten Erfahrungen auf einem Roller., Foto: Sutton
Timo Glock sammelte die ersten Erfahrungen auf einem Roller., Foto: Sutton

"Wie fast jedes Team haben auch wir einen Simulator", sagt Jenson Button. "Es war wichtig, viel Zeit darin zu verbringen und die Strecke zu lernen." Natürlich bekomme man im Simulator nicht alles mit, aber um die ersten Informationen über die Bremspunkte und den Kurvenverlauf zu erhalten, sei er sehr nützlich. Die meisten Daten bekamen die Teams entweder zugespielt oder sammelten sie beim Premierenwochenende Ende Juli vor Ort selbst. Bei einem Sportwagen- und F3-Rennen standen sogar einige GP2- und F1-Testfahrer am Start.

Die Stammpiloten können nicht auf solche Informationen zurückgreifen. "Da wir auf der Strecke keine Erfahrungswerte haben, sind die freien Trainings am Freitag und am Samstagmorgen noch wichtiger als sonst", sagt Lewis Hamilton. "Am wichtigsten ist, dass wir gründlich und methodisch arbeiten", meint Martin Whitmarsh. "Natürlich haben wir bereits jede Menge Daten, doch mit Beginn des Freien Trainings am Freitag kommen dazu die Erfahrungen der Fahrer und die Daten, die wir mit den Autos sammeln. Dabei darf man nicht zu hastig vorgehen, sonst arbeitet man in die falsche Richtung."

Video: Virtuelle Runde in Valencia

So fährt es sich in Valencia

Das GP2-Gespann Bruno Senna und Andi Zuber gehört zu den wenigen Piloten, die schon in Valencia mit einem Formel-Wagen gefahren sind. "Der Kurs gefällt mir sehr gut", sagt Senna. "Es ist ein geiler Kurs", stimmt Zuber zu. Ein paar Bedenken haben beide wegen der Kerbs: "Sie sind an manchen Stellen etwas zu hoch", sagte uns Senna. Allerdings wurden diese bis zum F1-Rennen noch einmal verändert.

Beim F3-Rennen musste man sich das so vorstellen: "Rechts ist die normale Rennstrecke, links daneben kommen die Kerbs, die aber viel zu hoch sind, wiederum links daneben ist wieder ein Stück Asphalt und ganz links kommt eine Mauer", erläuterte uns Zuber. "Wenn man jetzt mittig auf dem Kerb fährt, sitzt das Auto auf und du fährst geradeaus in die Mauer."

Davon abgesehen sah Zuber keine Sicherheitsmängel. "Perfekt ist keine Rennstrecke", betonte er. "Auch in Valencia gibt es ein paar kritische Stellen, aber das gehört zum Motorsport dazu. Gerade bei Straßenkursen kann man keine Häuser oder Brücken abreißen." Für Senna ist Valencia allerdings gar kein richtiger Stadtkurs. "Die Strecke ist insgesamt viel schneller, auch wesentlich breiter als zum Beispiel Monaco - nicht so schnell wie Macau allerdings", erklärte er. "Aber ich denke, dass es dort durchaus möglich sein wird, zu überholen und dass es ein interessantes Rennen geben wird, weil es auch nicht nur ein Wechsel aus ganz langsamen Kurven und Geraden ist. Nebenbei sind die Geraden auch oft keine echten Geraden, sie haben noch einen leichten Knick."

Die einzige Gefahr sieht Senna in der optischen Weite der Strecke. "Die könnte einige Leute dazu verleiten, recht große Risiken einzugehen - und dann hängt man natürlich trotzdem schnell in der Mauer", weiß er. Das gilt besonders für die Brücke, welche die Fahrer auf jeder Runde überqueren müssen. "Wenn man dort einen Fehler macht, liegt man sofort in der Mauer oder gleich im Wasser."

Das erwartet die F1-Stars

Valencia wartet auf die Formel 1-Premiere., Foto: Valencia GP
Valencia wartet auf die Formel 1-Premiere., Foto: Valencia GP

Yachten im Hafen, Häuser an der Strecke, der Vergleich mit Monaco drängt sich auf, ist aber nur die halbe Wahrheit. "Beim Stichwort Stadtrennen denkt man in der Formel 1 zunächst an Monaco", sagt Norbert Haug. "Doch mit diesem Klassiker hat Valencia nicht viel gemein, außer dass beide Städte am Mittelmeer liegen und der Kurs am Hafen vorbei führt." Heikki Kovalainen bringt es auf einen Punkt: "Wir werden hier sehr schnell sein. Damit ist Valencia ganz anders als die bisherigen Straßenkurse."

"Während das Rennen in Monte Carlo mit rund 156 km/h für die schnellste Runde das langsamste und mit knapp 254 Kilometern das kürzeste der Saison ist, erwarten uns in Valencia 310 Kilometer Renndistanz und eine Strecke auf der fünfmal pro Runde 300 km/h oder mehr erreicht werden", rechnet Haug vor. Dabei muss dreimal pro Runde auf Geschwindigkeiten von rund 80 km/h abgebremst werden, was die Bremsen ähnlich wie in Montreal extrem fordert. Das längste Volllaststück entlang des Hafenbeckens, wo etwa 13 Sekunden Vollgas gefahren wird, ist 950 Meter lang.

Die Start- und Zielgerade ist mit 185 Metern die kürzeste aller in diesem Jahr gefahrenen Formel-1-Kurse. "Die von uns errechnete Durchschnittsgeschwindigkeit pro Runde von 225 km/h ist immerhin die achtschnellste aller Grand-Prix-Strecken", betont Haug weiter. "Das ist nicht gerade typisch für einen Stadtkurs also, sondern eher so etwas wie Silverstone oder Monza in der Stadt."

Nicht normal

Valencia ist eben kein normaler Stadtkurs. Das weiß auch Ross Brawn. "Die Strecke wird oft als temporär angesehen, aber das ist sie nicht - sie ist ein permanenter Straßenkurs, der sehr schnell und flüssig ist", verrät der Honda-Teamchef. "Auf einem Straßenkurs ist es von großer Wichtigkeit, eine gute Basisabstimmung zu haben, mit der das Auto leicht fahrbar ist", erklärt Robert Kubica. "Die Verbesserung der Rundenzeiten muss Schritt für Schritt erarbeitet werden, man kann da nicht zu wild herangehen. Auch der Ideallinie muss man sich schrittweise annähern."

Diesen Punkt betont auch Martin Whitmarsh: "Die Strecke wird anfangs noch staubig sein und grün", beginnt er. "Wir dürfen uns nicht dazu verleiten lassen, mit der Abstimmung zu viel zu probieren, wir müssen vielmehr abwarten, bis sich der Streckenzustand bessert." Die Simulationen von McLaren ergaben ein Abtriebsniveau ähnlich dem von Hockenheim. "Doch in der Realität kann das anders aussehen", meint Whitmarsh. BMW Sauber-Technikchef Willy Rampf schätzt die Abtriebslage so ein: "In Valencia werden wir mit hohem Abtrieb antreten, aber nicht mit maximalem Downforce wie in Monaco."

Geringe Motorbelastung

Die Motoren werden nicht übermäßig gefordert., Foto: Sutton
Die Motoren werden nicht übermäßig gefordert., Foto: Sutton

Schon vor einigen Wochen begannen die Motorentechniker damit, die Streckenpläne und Daten in ihre Computer einzugeben. "Auf dieser Basis haben wir unsere Simulationsprogramme gestartet", verrät Renault-Motorenmann Fabrice Lom. Mit deren Hilfe bestimmten die Teams die theoretischen Anforderungen an den Motor, sodass sie im Voraus das geeignete Mapping und die ideale Getriebeabstufung festlegen konnten.

Norbert Haug erklärt: "Wir legen unserer Prüfstandsarbeit die berechneten Getriebeabstufungen, Drehzahlen und Gangwechsel zugrunde, finden dazu das optimale Ansprechverhalten des Motors und optimieren entsprechend die Kalibrierung, um so den Anforderungen des Kurses in Valencia wie auch den Bedürfnissen der Fahrer zu entsprechen."

Weil die Strecke durch das neubebaute Hafengebiet einige langsame Kurven aufweist, wird es in Valencia sehr stark auf die Kraft im unteren Drehzahlbereich ankommen. "Es sieht so aus, als würde der Kurs die Motoren nicht ungewöhnlich stark fordern", glaubt Lom. "Das ist für uns (Red Bull) eine gute Nachricht, denn wir treten in Spanien mit denselben Triebwerken an, die wir schon in Ungarn benutzt haben."