Er ist der Traum aller PR-Leute. Während des gesamten Interviews hält er das Produkt gut sichtbar in der Hand und natürlich in die Kamera, in seinem Fall ist das ein Getränk, genauer gesagt eine Getränkedose (na, welche wird das im Motorsport wohl sein?). Er lächelt freundlich, spricht klar und deutlich, man könnte fast schon meinen zu laut, da man ihn selbst aus einigen Metern Entfernung, trotz der Hintergrund-Unterhaltungen, noch problemfrei verstehen kann. Er reißt Witze, erklärt technische Details ohne zu überlegen und für jedermann verständlich, weiß sofort, womit es weitergeht, ist sympathisch, unterhaltsam und bindet den weniger extrovertierten und nicht auf seinem Fachgebiet befindlichen Co-Star der Interviewsequenz immer wieder geschickt ins Gespräch ein. Es ist, als ob er das Drehbuch selbst geschrieben hätte - oder in der PR-Schule des Hauptsponsors wenigstens extrem gut darin gebrieft wurde.

Man merkt: er hat das schon öfter gemacht, aber vor allem scheint er es im Blut zu haben, dieses gewisse Etwas, diese Begabung, die einen Sportler zum Entertainer, zum Showman, zum Star macht. Jeder Formel 1-PR-Mann wäre begeistert, so einen Piloten in seinen Reihen zu haben, erst recht, wenn er bei Sauber, McLaren oder jetzt Ferrari mit Kimi Räikkönen zusammen gearbeitet hat oder noch zusammen arbeitet. Der Finne ist der Anti-PR-Star - und er liebt es, so zu sein. Er möchte nur schnell Rennauto fahren, auf den ganzen Kram drum herum kann er verzichten.

Mark, Seb und X-Seb, Foto: GEPA
Mark, Seb und X-Seb, Foto: GEPA

Für Sebastian gehört es zum Spiel, schließlich arbeitet er für ein PR-orientiertes Unternehmen, für Red Bull. Sebastian ist jedoch nicht Sebastian Vettel, dieser mimt im Interview an diesem Mittwochabend auf der Start- und Zielgeraden des Hockenheimrings nur den Co-Star, zwischenzeitlich sogar den Statisten ohne Stuntdouble. Der redegewandte Star heißt auch Sebastian, allerdings Sebastian Wolter. Im Gegensatz zu Seb V. setzt Seb W. nur auf zwei statt vier Räder. Er ist Motocross-Fahrer, einer der Red Bull X-Fighter, die wilde Stunts in aller Welt vollführen, auf ihren Motorrädern durch die Luft fliegen, dabei Handstände machen und bei denen doppelte Saltos noch zu den einfachsten Kunststücken in luftiger Höhe gehören.

Wie es sich für einen Motocross-Fahrer, noch dazu einen X-Fighter, gehört, nennt sich Sebastian nicht einfach Sebastian, er ist Busty Wolter (ohne "u" und "y" geht in dieser Branche nun wirklich gar nichts). Seine Aufgabe ist jedoch nicht, den seinerseits durchaus schlagfertigen und witzigen German Seb zu interviewen, das ist nur ein Teil der Show, die Red Bull für die Medien, ein paar wenige auf der Haupttribüne verbliebene Fans sowie die Mechaniker von Toro Rosso, Red Bull, Williams, Toyota, Ferrari, Renault sowie einiger anderer Teams veranstaltet - bei den Testfahrten wohl gemerkt, noch nicht am Grand Prix-Wochenende. Nachdem sich Busty (genau mit "u" und "y") mit einigen Salti über einen ca. 20 Meter langen Toro Rosso-Team-Truck warm gesprungen hat, geht es in die heiße Phase - er springt nicht nur über den Truck, sondern auch über Sebastian Vettel, der in voller Lebensgröße Position auf dem Dach des Trucks eingenommen hat. Im zweiten Versuch nimmt Vettel sogar auf den Schultern von Red Bull-Kollege Mark Webber Platz. Das nennt sich dann wohl Level 2.

"Von dem Sprung habe ich erfahren, bevor ich hier angekommen bin", verrät Vettel hinterher, "aber, dass ich mich zum Abschuss freigeben soll, habe ich erst heute Abend erfahren." Daran erkennt man, welche Ausnahmeposition der kolportierte Coulthard-Nachfolger bei RBR im Red Bull-Juniorprogramm bislang eingenommen hat: fast alle seine Nachwuchskollegen aus den vergangenen Jahren waren vom ersten Tag an zum Abschuss freigegeben...