Es hat einen amerikanisierten Schwaben gebraucht, um die Sportpsychologie im deutschen Profisport in die Schlagzeilen zu bringen. Plötzlich wird über Buddha-Figuren, Mittagspausenyoga und Psychologen diskutiert, sogar ein Aggressiv-Leader lässt sich plötzlich vom Teampsychologen ein besseres Image verpassen. Aber warum gibt es das nicht in der Formel 1?

"Das fehlende Training ist eine der Schwächen in der Formel 1", sagt Jackie Stewart, als dreifacher Weltmeister durchaus jemand, dessen Meinung angesehen ist - jedenfalls abseits des Büros von Max Mosley. Hat da jemand "beglaubigter Volltrottel" gesagt? Im Fall der Fahrertrainer erhält Stewart Rückendeckung von anderen F1-Größen. "Obwohl die F1 auf so vielen Gebieten am weitesten entwickelt ist, ist sie ganz schlecht, wenn es um Psychologie geht", sagte Pat Symonds schon im letzten August gegenüber F1Racing. Die F1 ist laut Stewart die einzige Sportart, die keine Trainer einsetzt. Tennis, Fußball, Rugby, selbst im Crickett gibt es Trainer. "Tiger Woods würde keine 10 Meter ohne seinen Trainer laufen", so Stewart. War der Schlag zu schnell, zu langsam, machte er die falsche Bewegung? Der Trainer kann es ihm verraten. "Aber Rennfahrer sagen, sie brauchen das alles nicht", sagt Stewart verständnislos.

Die Fahrer sind schuld

Der Papa ist nicht genug..., Foto: Sutton
Der Papa ist nicht genug..., Foto: Sutton

"Kein Tennisspieler würde anfangen zu spielen, wenn er nicht jemanden an seiner Seite hätte, der ihm hilft, sich zu verbessern", bemüht Patrick Head ein weiteres Beispiel. Die F1-Piloten seien in den Nachwuchsserien alle die herausragenden Piloten gewesen. "Ihre Familien dachten, dass sie alles gewinnen könnten", so Head. In der F1 treffen sie auf andere außergewöhnliche Fahrer, die zuvor alles gewonnen haben. "Ich hatte in jedem Rennen, das ich gefahren bin, die Chance zu gewinnen", bestätigt Nico Rosberg die Worte seines Chefs. Dann kam der Wechsel in die Königsklasse. "Und plötzlich ist das nicht mehr so. Das ist seltsam." Nun wacht Rosberg jeden Sonntag auf und denkt: "Heute kannst du so gut fahren wie du willst, du wirst nicht gewinnen."

Laut Head kommt an diesem Punkt die mentale Komponente ins Spiel, wie gut kann der Fahrer damit umgehen? Wie gut kann er Schwierigkeiten meistern und sich anpassen? Viel davon können ein Trainer und die richtige psychologische Betreuung erleichtern. "Wir machen nichts dafür und ich laste das den Fahrern an", kritisiert Symonds. "Sie sind zu sehr Machos. Sie glauben, es ist ein Fehlereingeständnis, Psychologie zu nutzen, andere Sportler sehen es jedoch als essentiell an." Die gleiche Erfahrung hat Stewart gemacht. "Wenn man sagt, dass sie davon profitieren könnten, gibt es Widerstand." Stewart versteht das nicht. "Sie glauben, dass sie über allem stehen und es nicht brauchen."

"Ich bin der Größte"-Gefühl

Pat Symonds hat schon mit einigen der besten Rennfahrer der letzten Jahrzehnte zusammengearbeitet, Senna, Schumacher, Alonso. Alle hatten sie dieses "Ich bin der Größte"-Gefühl verinnerlicht. Michael Schumacher noch mehr als jeder andere Fahrer. Er habe die Wichtigkeit jedes noch so kleinen Details erkannt. "Er wollte den unfairen Vorteil", so Symonds, auch jenen auf psychologischer Basis. "Er war der einzige Fahrer mit dem ich gearbeitet habe, der das nötige Selbstbewusstsein hatte und zugab, dass er dazu Hilfe benötigte." So sei der Trainer von Tiger Woods in keiner Hinsicht ein so guter Golfer wie Woods, aber der respektiere dennoch die Worte seines Trainiers.

"Ich bin absolut davon überzeugt, dass dieses Selbstbewusstsein erlernt werden kann, vom richtigen Trainer", meint Symonds. Ein guter F1-Fahrertrainer müsste genug über den Motorsport wissen, idealer Weise selbst in irgendeiner Kategorie gefahren sein, aber noch wichtiger sei, dass er viel über Sportpsychologie wissen sollte. "Deren Wichtigkeit wurde in so vielen anderen Profisportarten bewiesen, dass es einfach nur idiotisch ist, zu glauben, dass sie in der F1 nicht gilt."

Fluglotsen am Funk

Wo sind die Buddhas?, Foto: Sutton
Wo sind die Buddhas?, Foto: Sutton

Symonds schickt die Renault-Renningenieure schon 2006 zur Fortbildung in Sachen Managementtechniken, denn sie müssen nicht nur ihre Mechaniker leiten, sondern können dieses Wissen auch auf ihre Fahrer anwenden. Dem stimmt Stewart zu und führt als Beispiel den Boxengassenunfall von Lewis Hamilton in Kanada an. Hamilton führte mit neun Sekunden Vorsprung das Rennen an, Rosberg lag auf Kurs für ein gutes Ergebnis, plötzlich kam das Safety Car auf die Strecke. "Egal wer man ist, danach ist man verärgert. Beeinträchtigt das dein Denken? Ja."

Auf dem Weg an die Box hätte nun der Sportpsychologe (mangels Personal auch im Renningenieur) eingreifen müssen. Man hätte den Fahrer beruhigen, seine Gedanken befreien, ihn mit wenigen, betonten Wörtern führen müssen, "wie ein Fluglotse", vergleicht Stewart. Dafür hätte beinahe eine ganze Runde zur Verfügung gestanden. Am Ende hätte es dann heißen müssen: "Nebenbei: die Ampel ist rot. Die Ampel ist rot. Verstanden?" Warten wir also ab, wann auf den Motorhome-Tempeln im Fahrerlager oder in den Fabriken in Maranello, Woking und Grove die ersten Buddhas auf dem Dach erscheinen...