Fünf Fahrer hat Deutschland im aktuellen Teilnehmerfeld. Das sind 25% aller aktiven Formel 1-Piloten der Welt. So gesehen ist Deutschland die Weltmacht schlechthin. Dazu kommen zwei der drei Siegerteams, die made in Germany sind. Wir brauchen uns trotzdem nichts vormachen: Der ganz große Hype ist vorbei. Nirgends wurde das deutlicher als in Hockenheim an diesem Wochenende. Teilweise gähnende Leere auf den Rängen. Die üblichen TV-Bilder von einem voll bepackten Motodrom und den bengalischen Feuern in der Auslaufrunde mussten diesmal ausbleiben. Denn der Fan hatte seine Antwort schon vor dem Wochenende gegeben.

Hockenheim am Sonntag: der Eindruck täuscht, es waren schon mal mehr Fans da., Foto: Sutton
Hockenheim am Sonntag: der Eindruck täuscht, es waren schon mal mehr Fans da., Foto: Sutton

Trotz massiver Aufrufe von höchster Stelle (Norbert Haug ließ keine TV-Sekunde ungenützt, um den Kartenverkauf anzukurbeln) blieb der deutsche Formel 1-Fan zuhause. Das ist zum einen schade, denn Hockenheim bietet dem Besucher wirklich viel an Drumherum. Zum anderen darf man sich auch nicht wundern, wenn der Familienvater mit seinem Jungen lieber ein Jahr lang ins Stadion zum Lieblingsklub geht, als einmal im Jahr das gleiche Geld für die Formel 1 zu investieren.

Folgen der Schumi-Mania

Wenn ich an Hockenheim denke, dann fällt mir immer das Jahr 1999 ein. Michael Schumacher lag mit eingegipstem Bein daheim und sprach über Satellit eine Grußbotschaft an seine Fans, die auf den Videowalls kurz vor dem Start eingespielt wurde. Es war mucksmäuschenstill. Als der große Schumi (damals zweifacher Weltmeister, nur zur Erinnerung) fertig war, brauste ein Applaus auf, als hätte der Bundeskanzler soeben bekanntgegeben, dass ab heute keiner mehr Steuern zahlen muss. Und ein Jahr Freibier noch dazu.

Diese Stimmung fehlte heuer komplett. Deutschland bekommt nun die Spätfolgen der Schumacher-Dampfwalze zu spüren. Ich behaupte: Auch bei einem Sieg von Nick Heidfeld - der im Übrigen längst hochverdient wäre - hätte es keine übertriebenen Samba-Vorführungen im Motodrom gegeben.

Hockenheim am Samstag: ein, zwei Fans mehr kamen dann doch noch..., Foto: Sutton
Hockenheim am Samstag: ein, zwei Fans mehr kamen dann doch noch..., Foto: Sutton

Nun kann man Nick Heidfeld, Nico Rosberg, Timo Glock, Sebastian Vettel oder Adrian Sutil keinen Vorwurf machen. Weder, dass sie einen deutschen Pass haben, noch, dass sie an die Erfolge von Schumacher noch nicht herankommen. Alle fünf haben ihren Platz in der Formel 1 völlig zu Recht. Aber der Deutsche orientiert sich immer am erfolgreichen Athleten. Und als Weltnation müssen schon Siege her, um jemandem die Zuneigung zu schenken. In anderen Ländern läuft das durchaus anders. So haben die Holländer ihren Jos Verstappen sogar in seinen dunklen Minardi-Tagen bedingungslos unterstützt. Und Takuma Sato kann wahrscheinlich sogar Rasenmäher-Rennen fahren und wird in Japan weiter wie ein Held verehrt.

Österreich ist nicht anders

Das gleiche Phänomen wie mit Schumacher gab es allerdings in Österreich auch schon: Niki Lauda machte sich mit seinem dritten WM-Titel unsterblich. Dann kam Gerhard Berger. Und die Leute rissen bald Witze über ihn, weil er zwar Rennen gewann, aber Lauda war er halt in den Augen seiner Landsleute keiner. Obwohl er jahrelang bei Ferrari und McLaren unter Vertrag war, bekam er nie die letzte Anerkennung als Rennfahrer. Zu groß war der Übervater Lauda. Dann kam Alex Wurz. Und musste sich ordentlich strecken, um auch nur in die Nähe von Bergers Erfolgen zu gelangen. Die Witze gingen wieder los. Und nach Wurz kam lange nix...

Hockenheim 1999: eine rote Wand., Foto: Sutton
Hockenheim 1999: eine rote Wand., Foto: Sutton

Vielleicht droht den Deutschen auch ein ähnliches Szenario. Ich habe übrigens am eigenen Leib miterlebt, wie die TV-Quote direkt proportional zum Erfolg des heimischen Fahrers rauf- oder runtergeht. Die Schwankungsbreite ist bis zu 50 Prozent. Und die Formel 1 hat ein verdammt treues Fernsehpublikum. Denn wer an einem herrlichen Sonntag Nachmittag auf Familie, Badesee oder Ausflug verzichtet, dem liegt echt was an der Formel 1. 2008 sahen gute 20% weniger auf RTL zu als noch im Jahr davor beim Nürburgring-Rennen. Einen besseren Gradmesser gibt es nicht.

Chance für die Zukunft

Es beweist darüber hinaus, dass Norbert Haug und Co. manchmal falsch liegen. So sehr man versucht, das Markenbewusstsein zu heben. Wegen eines Mercedes oder eines BMW kommt nur ein Bruchteil der Leute zum Rennen. Wegen eines Siegertypen aber sehr wohl. Das war immer so und überrascht auch nicht besonders. Denn jedem Fan ist klar, dass das heutige Formel 1-Auto mit seinem Straßenwagen genau 2% zu tun. Dafür sind die Boliden im Vergleich dank des Reglements zu 98% ohnehin alle gleich.

Da sehe ich auch eine Riesenchance ab 2009. So etwas wie die unterschiedlichen KERS-Technologien hat die Formel 1 seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Und wenn Herr Vettel im kommenden Jahr in einem Red Bull groß aufzeigen sollte, dann wird der deutsche Fan trotzdem seinen Opel weiter lieb haben und auch gerne zum Rennen sein Lieblings-Dosenbier trinken.