Exakt die Hälfte der Fahrer aus dem aktuellen Starterfeld kam schon einmal in den Genuss des Siegerchampagners. Zehn der zwanzig Piloten dürfen sich GP-Sieger nennen. Die meisten Siege vereint Fernando Alonso auf sich, er hat mit 19 GP-Erfolgen zwei Rennen mehr gewonnen als Kimi Räikkönen. Danach kommt schon David Coulthard mit 13 Erfolgen. Rubens Barrichello stand neun Mal ganz oben, Felipe Massa acht Mal und Lewis Hamilton sieben Mal. Immerhin drei Mal durfte Giancarlo Fisichella seine Nationalhymne hören. Robert Kubica, Jarno Trulli und Jenson Button hatten erst ein einziges Mal dieses Vergnügen.

Jenson Button weiß, wie süß ein GP-Sieg schmeckt., Foto: Sutton
Jenson Button weiß, wie süß ein GP-Sieg schmeckt., Foto: Sutton

Damit bleiben zehn Fahrer übrig, die alles dafür geben, zum ersten Mal als Sieger die Ziellinie zu überqueren. Derjenige, der es als nächster schafft, seinen Debütsieg einzufahren, wird für immer in die Geschichtsbücher eingehen: als 100. Grand Prix-Sieger der F1-Geschichte (die Indy-Rennen zwischen 1950 und 1960 mitgerechnet). Wer könnte schon am nächsten Wochenende in Hockenheim der Jubiläumssieger werden?

Der Favorit In den vergangenen Jahren gab es grundsätzlich vier Siegkandidaten: die vier Piloten der beiden Topteams Ferrari und McLaren. Selbst dem Rookie Lewis Hamilton wurden in seiner ersten GP-Saison von Anfang an Siegchancen eingeräumt - und das sollte sich mehr als bewahrheiten. Somit ist klar, dass der Favorit auf den Titel des 100. GP-Siegers auf den Namen Heikki Kovalainen hört. Der Finne ist der einzige Top-4-Pilot, der noch kein Rennen gewonnen hat. Mit dem MP4-23 hat er das Material und mit McLaren Mercedes das Team, um es zu schaffen. Als GP2-Vizemeister und Podestbesucher in einem schwer fahrbaren Renault hat er auch das Talent, um sich zum F1-Sieger zu krönen.

Robert Kubica ist Sieger Nummer 99., Foto: Sutton
Robert Kubica ist Sieger Nummer 99., Foto: Sutton

Bislang verhinderten Fehler, Defekte und ein bisschen Pech den ersten Triumph von Kovalainen. In Kanada erwischte Kovalainen das erste Mal in diesem Jahr ein schwaches Wochenende, ansonsten lagen die Umstände nicht in seiner Hand. Ausgerechnet in Silverstone, wo er Freitag und Samstag der Schnellste war und auf Pole stand, kam er im Rennen nicht mit den Bedingungen klar und nutzte die Reifen zu stark ab. Das hätte sein Tag werden können, im Team glaubt man jedoch schon lange daran, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis dieser Tag komme. Martin Whitmarsh betonte mehr als einmal, dass Kovalainen viele Rennen gewinnen werde. Den Knick, den einige Experten nach seinem Unfall in Barcelona bemerkt haben wollen, gibt es jedenfalls nicht - Kovalainen ist der heißeste Anwärter für den 100. Grand Prix-Gewinner, wenn alles passt: Fahrer, Auto und Wetter.

Der Mitfavorit Mit BMW Sauber gibt es in dieser Saison ein drittes Topteam, das vorne mitmischt. Kein Wunder, dass die Weiß-Blauen mit Robert Kubica schon den 99. Grand Prix-Sieger der F1-Geschichte stellen. Nun ist es an Nick Heidfeld, es seinem Teamkollegen gleichzutun und gleichzeitig mit seinem ersten Sieg auch die magische 100 zu holen. Auch bei ihm gilt: das Talent zum Siegen hat der Mönchengladbacher schon lange, seine Fähigkeiten beim Überholen sind im gesamten Paddock bekannt; die Duelle mit Fernando Alonsos schnellerem McLaren aus der Saison 2007 fast schon legendär, die doppelten Überholmanöver im Regen von Silverstone sind bei jedem Betrachter noch frisch im Gedächtnis. Überhaupt: Regen. Das ist Heidfelds Welt und im Nassen trennt sich ja bekanntlich die Spreu vom Weizen, die überdurchschnittlichen Fahrer von den durchschnittlichen. Trotzdem braucht Heidfeld etwas Glück, Zwischenfälle, Ausfälle, Wetterkapriolen oder ein schlechtes Wochenende von McLaren und Ferrari, denn noch ist BMW Sauber nicht auf jeder Strecke aus eigener Kraft siegfähig.

Bis zum Crash hatte sich Mark Webber Siegchancen ausgerchnet., Foto: Sutton
Bis zum Crash hatte sich Mark Webber Siegchancen ausgerchnet., Foto: Sutton

Die Außenseiter Wenn der Wettergott Roulette spielt, ist alles möglich. Das haben Jenson Buttons Sieg in Ungarn 2006, Jarno Trullis Monaco-Triumph 2004, Giancarlo Fisichellas Jordan-Erfolg in Interlagos 2003 und Olivier Panis' Überraschungscoup in Monaco 1996 bewiesen. Natürlich kann es unter solch chaotischen Umständen jeden erwischen - und das in doppelter Hinsicht als strahlender Sieger oder Depp der F1-Welt. Doch einige Fahrer stehen auch hier auf der Pole Position. So wird Mark Webber weitläufig zugetraut, in den Kreis der GP-Sieger vorzustoßen, wenn er das nötige Material dazu erhält. Red Bull ist auf dem Vormarsch, mit dem richtigen Rennverlauf könnte es für Webber klappen.

Das gilt mit Abstrichen auch für Toro Rosso-Pilot Sebastian Vettel, dem einige Experten schon im regnerischen Silverstone einen Podestplatz zugetraut hätten - wenn er nicht von David Coulthard abgeschossen worden wäre. Allerdings wissen Vettel und Webber beide ganz genau, wie schnell der Traum vom Überraschungserfolg ausgeträumt sein kann - spätestens seit Fuji 2007, wo Webber reelle Siegchancen und Vettel die Möglichkeit auf ein Podium hatte, bis der Toro Rosso dem Red Bull in einer Safety Car-Phase ins Heck rauschte und bittere Tränen flossen.

Überraschung im Fürstentum: Olivier Panis gewann 1996., Foto: Sutton
Überraschung im Fürstentum: Olivier Panis gewann 1996., Foto: Sutton

Vom Talent her sind auch Nico Rosberg und Timo Glock Anwärter für einen GP-Sieg, auch wenn beide in diesem Jahr schon unnötige Fehler machten. Trotzdem: sie kämpfen mit unterlegenem Material und müssen Risiken eingehen, um gute Ergebnisse zu erzwingen. Momentan ist Toyota aber eher eine Überraschung zuzutrauen als Williams. Nelsinho Piquet, Kazuki Nakajima und Sebastien Bourdais werden wohl höchstens durch die außergewöhnlichsten Umstände der letzten 20 Jahre in nächster Zeit zum 100. GP-Sieger - und unter solchen Bedingungen landen Piquet und Nakajima bevorzugt im Aus. Bourdais wüsste als vierfacher ChampCar-Meister genau, wie man Rennen gewinnt, doch er fühlt sich in der F1 und im neuen Toro Rosso noch nicht zuhause.

Bleibt nur noch Adrian Sutil. Ein Force India-Fahrer als 100. Grand Prix-Sieger? Die Siegesrede von Vijay Mallya würde sicherlich imposant (und lang) ausfallen, wirklich realistisch erscheint das angesichts des aktuellen Kräfteverhältnisses aber selbst unter schwierigsten Bedingungen nicht. Andererseits wäre Regentalent Sutil in Monaco beinahe auf Platz 4 gefahren, wenn ihm nicht ein mehrmaliger GP-Sieger und amtierender Weltmeister ins Heck gekracht wäre. In der Formel 1 ist bekanntlich alles möglich. Die höchste Quote im Wettbüro wäre dem Tipper jedenfalls sicher bei einem 100. GP-Sieger namens Adrian Sutil.