1. - S wie Startaufstellung

Diese Startaufstellung hatte wohl kaum jemand für den vorletzten britischen Grand Prix in Silverstone erwartet. Mit Heikki Kovalainen steht, für die britischen Fans, der falsche McLaren auf der Pole. Doch ihr Held Lewis Hamilton leistete sich mal wieder einen Fehler und war danach nicht in der Lage, die Superzeit seines Teamkollegen zu schlagen. Es bleibt nur die Frage zu klären, wie viel oder wenig Sprit der Finne im Tank hat.

"Ich werde wieder wie immer ins Rennen gehen, egal von wo ich starte", sagt Kovalainen ganz cool. "Ich werde am Maximum fahren. Es ist jetzt nur eine bessere Startposition, wenn niemand vor mir ist." Auch der angekündigte Regen macht ihm keine Angst, ganz im Gegenteil: "Das lässt den Sieg dann nur besser schmecken", gibt er sich kämpferisch.

Das muss auch Ferrari, denn mit Kimi Räikkönen steht der beste Rote nur in Reihe 2; vor ihn drängte sich noch Überraschungsmann Mark Webber im Red Bull. "Das ist definitiv nicht das Ergebnis, das wir erwartet oder gewollt haben", gestand Stefano Domenicali. Doch die Performance der Scuderia war nicht so gut wie erwartet. Hinzu kam ein Problem beim Reifenwechsel an Massas Auto, der so den zweiten Schuss im Q3 verpasste. "Ich hätte eine gute Zeit fahren können, vielleicht nicht gut genug für die Pole, aber sicher gut genug für die ersten beiden Reihen", sagte der Brasilianer.

Umso besser lief es für die Deutschen. Nick Heidfeld fuhr auf Platz 5, Sebastian Vettel auf Platz 8. "Hoffentlich kommen wir nicht schlechter an, als wir starten. Wir orientieren uns nach vorne", kündigt Vettel an. Heidfeld ist hingegen froh, dass sich sein Aufwärtstrend von Magny Cours fortsetzt. "Platz 5 ist das beste Ergebnis seit einiger Zeit für mich und meine Strategie sollte auch nicht so schlecht sein, selbst wenn es regnen sollte", glaubt er. "Am Freitag lief es noch gar nicht, aber wir haben einige Änderungen gemacht und ich habe es heute das erste Mal geschafft, die Reifen von Anfang bis Ende halbwegs zum Arbeiten zu bekommen."

2. - S wie Start

Ein Problem beim Reifenwechsel kostete Massa einen Qualifyingversuch., Foto: Sutton
Ein Problem beim Reifenwechsel kostete Massa einen Qualifyingversuch., Foto: Sutton

Auch in Silverstone wird der Start entscheidend sein, denn Überholmöglichkeiten gibt es auf dem schnellen Kurs kaum. Als Neunter weiß Felipe Massa, was die Stunde geschlagen hat. "Jetzt erwartet mich ein harter Kampf, um im Rennen nach vorne zu kommen", sagt Massa voraus. Er werde alles dafür geben, "aber es wird nicht leicht". Dennoch hat sein Landsmann und Ferrari-Vorgänger Rubens Barrichello einst bewiesen, dass man auch in Silverstone überholen kann - es war jenes Rennen, in dem Toyota mit Cristiano da Matta die ersten Führungskilometer sammelte und ein durchgedrehter Priester auf die Strecke rannte.

Entsprechend rechnet Mark Webber mit viel Druck von hinten. "Wir haben erst fünf Prozent der Arbeit erledigt", so der Australier. "Es wartet ein langes Rennen. Wir erwarten, dass wir die McLaren und die Ferrari nur schwer hinter uns werden halten können."

3. - S wie Strecke

Durch die Umstellung auf V8-Motoren und den ständig steigenden aerodynamischen Grip der Boliden haben sich die technischen Anforderungen der britischen Grand Prix-Strecke in den vergangenen Jahren erheblich geändert. Kurven, vor denen die Piloten zuvor herunterschalten mussten, werden heute mit Vollgas oder leichtem Lupfen des Gaspedals gefahren. In der gesamten ersten Hälfte einer Runde - bis zur "Vale"-Kurve - bremsen die Fahrer so gut wie gar nicht. Die Motoren laufen im Gegenzug rund 66 Prozent einer Runde unter Volllast. Die Bandbreite verschiedener Kurventypen reicht von 290 km/h schnellen Mutkurven bis zu dem langsamen, gewundenen Streckenteil am Ende der Runde. Zudem müssen die Autos mit der unebenen Fahrbahn und dem wechselhaften, oft böigen Wind fertig werden.

"Die Strecke hat ihren Charakter bewahrt", sagt Nick Heidfeld. "Es gibt viele schnelle Kurven, sie ist einzigartig im Kalender." Nicht nur Heidfeld hält Becketts für eine der schönsten Passagen in der Formel 1. "Die erste Passage ist super schnell und echt interessant", sagt Nico Rosberg. "Das macht super Spaß." Auch einem Neuling wie Sebastian Vettel, der bei den dreitägigen Tests in der letzten Woche zum ersten Mal in Silverstone gefahren ist.

"Becketts ist eine unheimlich schwierige Kombination", sagt er. "Am Anfang wusste ich gar nicht, wo ich lange fahren musste." Bei seiner ersten Fahrt mit einem Mietwagen konnte er die richtige Linie noch nicht entdecken. "Die ist schwer zu finden, weil man viel Gefühl braucht, sein Herz in die Hand nehmen muss. Aber wenn man es heraus hat, macht es unheimlich viel Spaß." Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: "Der einzige Nachteil ist, dass du hier im F1-Auto so gut wie gar nicht überholen kannst", sagt Timo Glock. "Das macht es langweiliger für die Fans, aber als Fahrer ist es genial."

4. - S wie Setup

Die Teams müssen mit Trocken- und Regensetup spielen., Foto: Sutton
Die Teams müssen mit Trocken- und Regensetup spielen., Foto: Sutton

Mario Theissen sagte es schon am Donnerstag: "Bei den aktuellen Prognosen würden wir auf ein Regensetup setzen." Denn die Regenwahrscheinlichkeit für den Sonntag wurde seit jeher als sehr hoch eingestuft. Jarno Trulli reagierte darauf: "Es ist schwer, ein richtiges Setup zu finden, wenn sich der Wind ändert, aber ich bin auf ein Regensetup gegangen, sollten wir morgen ein Regenrennen haben", beugte der Italiener vor, denn zwischen Qualifying und Rennen dürfen die Teams nicht viel am Setup verändern.

Sebastian Vettel sieht das als nicht allzu entscheidend an. "In der Vergangenheit habe ich oft einfach Regenreifen drauf gesteckt und es hat funktioniert", erinnert sich der Deutsche. "Wenn man sich zu sehr verrückt machen lässt, ist das eher ein Schuss nach hinten. Wenn man komplett auf Regen setzt und es wird trocken, dann sieht man alt aus. Also ist man besser beraten, nur wenig zu ändern."

Aerodynamik In Silverstone arbeiten die Teams mit mittlerem bis hohem Abtrieb - ähnlich wie in Magny-Cours. Die recht hohe Downforce wird für die schnellen Kurven im ersten Streckenteil benötigt. Die damit verbundenen kleinen Nachteile in Sachen Höchstgeschwindigkeit werden in Kauf genommen - wegen der relativ kurzen Geraden und Bremszonen besteht kaum ein Risiko, von einem schnelleren Gegner überholt zu werden. Da die Autos an keinem Punkt der Strecke wirklich hart heruntergebremst werden, verwenden die Teams hier mit die kleinsten Lufteinlässe zur Bremskühlung. Dies kommt wiederum der aerodynamischen Performance zugute.

Fahrverhalten Ein ausgewogenes Fahrverhalten ist auf dem unebenen Kurs von entscheidender Bedeutung, da jede Unruhe im Auto die aerodynamische Effizienz in den schnellen Kurven verschlechtert. Besonders in der buckligen Bremszone vor Turn 8 neigen die Autos oft zur Instabilität. Zudem lassen die Piloten ihre Autos ausgangs der schnellen Kurven gerne bis auf die äußeren Kerbs driften, was die Strecke noch welliger erscheinen lässt, als sie in Wirklichkeit ist.

Aufhängung In Silverstone erhalten die Boliden eine sogenannte "nach vorn verlagerte" Fahrwerksabstimmung. Die steifere Vorderachse erlaubt schnelles Umsetzen des Autos und direkte Richtungswechsel sowohl in langsamen Ecken als auch in schnellen Kurven. Die weicher abgestimmte Hinterachse sorgt für guten Grip beim Beschleunigen - besonders ausgangs der Kurven 9, 11 und 16 ist optimale Traktion gefragt.

Reifen Auf einer Strecke mit so vielen schnellen Kurven werden die Reifen immer hart rangenommen. Silverstone ist in dieser Hinsicht neben Spa und Sepang der härteste Kurs der Saison. Bridgestone stellt den Teams aus der vierstufigen Reifenpalette daher die beiden härtesten Optionen des Jahres zur Verfügung: "medium" und "hart".

Sie müssen für Sonntag die Regenjäckchen einpacken., Foto: Sutton
Sie müssen für Sonntag die Regenjäckchen einpacken., Foto: Sutton

Motor Auf dem Silverstone Circuit arbeiten die V8-Motoren rund 66 Prozent einer Runde unter Volllast. Dies ist nicht mehr ganz so hoch, wie aus früheren Jahren bekannt, dennoch bleibt Silverstone einer der anspruchsvolleren Kurse für die Triebwerke, sowohl in puncto Spitzenleistung als auch Haltbarkeit. Damit die Piloten die schnellen Kurven gezielt mit Voll- oder Halbgas durchfahren können, müssen die Aggregate bei hohen Drehzahlen ein sensibles Ansprechverhalten zeigen und gut zu dosieren sein.

5. - S wie Strategie

Der Benzinverbrauch liegt in Silverstone recht hoch - genau wie der Zeitverlust für eine schwere Spritladung. Damit bleibt relativ wenig Spielraum für abweichende Strategien. Sprit für zwei Runden mehr beispielsweise würde fast zwei Zehntelsekunden pro Runde kosten. Somit werden die meisten Teams - unter normalen Trockenbedingungen - wohl die Standardlösung mit zwei Stopps wählen, von denen der erste noch vor Ablauf des ersten Renndrittels liegt. Der Grund für diese "nach vorn verlagerte" Strategie ist der Wunsch, die Piloten im Qualifying mit einem relativ leichten Auto in der Startaufstellung weiter nach vorn zu bringen. Da das Überholen auf dem Traditionskurs praktisch unmöglich ist, kommt dem Startplatz entscheidende Bedeutung zu.

Diese Pläne werden jedoch erschwert, da bereits seit einigen Tagen Regen für den Renntag vorhergesagt wird. "Dann ist es ein bisschen eine Glückssache", sagt Nick Heidfeld über die Strategie. "Tendenziell ist es besser, wenn man mehr Sprit an Bord hat." Dann könne man besser auf die Umstände reagieren. "Aber es kann auch sein, dass jemand früh stoppt und das Glück hat, dass sich die Konditionen genau dann ändern." Mit mehr Sprit decke man ein breiteres Spektrum ab.

6. - S wie Sonntagswetter

Zu 75% werden am Sonntagnachmittag Regenschauer erwartet. "Regen stellt andere Anforderungen ans Auto, ist aber auch eine Fahrersache", betont Mario Theissen. "Es gibt Fahrer, die auf nasser Strecke besser zurecht kommen als andere." Seine Fahrer zählt er zu den guten Regenpiloten, zudem könne ein bisschen kühles Nass Robert Kubica von Startplatz 10 beflügeln. "Regen kommt denen zugute, die weiter hinten stehen, insofern kann ich mir schon vorstellen, dass Robert über Regen ganz froh wäre."

Einfach wird Silverstone im Nassen nicht. "Hier kann es oft Flüsschen geben, die über die Strecke laufen", weiß Nico Rosberg, "aber ansonsten gibt es keine Probleme im Nassen." Das sieht Christian Klien etwas anders. "Im Regen ist die Strecke extrem schwierig, weil das Wasser sehr hoch steht und Aquaplaning ein Thema wird", verrät der Österreicher. "Es sollte also ein turbulentes Rennen werden, für die Zuschauer ist das toll."

Lewis Hamilton stand im Schatten seines Teamkollegen., Foto: Sutton
Lewis Hamilton stand im Schatten seines Teamkollegen., Foto: Sutton

Aber selbst wenn es trocken bleiben sollte, hat der Wettergott noch ein As im Ärmel: als ehemaliger Flugplatz ist das ebene Grand Prix-Gelände von Silverstone naturgemäß stark dem Wind ausgesetzt - und der hat eine Reihe von Auswirkungen auf die Autos. Plötzliche Böen verändern die aerodynamische Balance des Autos und verursachen ein unvorhersehbares Handling, vor allem in den Highspeed-Kurven. Die Fahrer müssen ständig Windrichtung und -stärke beurteilen und ihre Linienwahl und Bremspunkte daran anpassen. "Der Wind kann sich mitten in der Kurve ändern und das Heck bricht aus", erzählt Rosberg. "Die Situation kann von einem Tag auf den anderen völlig anders sein. Beim Test hat sich der Wind innerhalb eines Tages um 180 Grad gedreht, dann ist alles komplett anders."

7. - S wie Spannung

Mehr Spannung geht fast nicht: Regen droht, zwei Überraschungsfahrer in Reihe 1, die Favoriten dahinter und mittendrin Nick Heidfeld, der als einer der besten Regenfahrer gilt. "Bei Regen ist der Rennverlauf ohnehin nur schwer vorherzusagen", weiß Mario Theissen, "aber wenn die Autos nicht passend dazu abgestimmt sind, gibt das noch eine Komponente mehr." Denn die Parc Fermé Regeln verbieten Setupänderungen vor dem Rennen.

Die von vielen Experten und Fahrern vorhergesagte Ferrari-Dominanz blieb am Samstag aus. "Ja, darüber war ich sehr überrascht", bestätigt Theissen. "Das hat sich im Freien Training nicht angedeutet." Christian Klien vermutet, dass die Roten womöglich auf ein Regensetup gesetzt haben. "Platz 3 für Kimi ist aber auch so ganz gut, von dort kann er locker gewinnen. Auf Long Runs war der Ferrari sehr schnell", betont Klien. "Für Massa wird es trotzdem schwierig." Räikkönen bleibt optimistisch. "Wir haben im Training gesehen, dass wir auch im Nassen konkurrenzfähig sind", betonte der Finne. "Wir sind für alle Eventualitäten gerüstet."

Das Sorgenkind der britischen Fans bleibt Lewis Hamilton. "Für ihn ist die Luft auf der Strecke dünner geworden", sagt Kai Ebel. "Er sieht, dass andere wie Heikki Kovalainen auch Auto fahren können." Im Rennen sieht Ebel Ferrari auf dem Vormarsch. "Aber vielleicht bekommen wir auch einen Außenseitersieg, denn es soll ja regnen."