Preisfrage: Wie bringt man ein komplettes Formel 1-Teilnehmerfeld dazu, aus Protest nicht zu fahren? Die Antwort: Man sperrt sie alle ein! Das ist kein dummer Scherz, das ist lediglich die Lehre aus der Historie. Ein einziges Mal in der Geschichte haben die Fahrer eine Streikandrohung wahr gemacht. Das war 1982 in Kyalami. Niki Lauda hat den Streik angezettelt. Und er hatte den Schlüssel zu der Baracke, in der über 20 Piloten die Nacht auf einem Matratzenlager verbrachten.

Und süffisant erzählt Niki immer noch gerne, dass er die ganze Nacht kaum ein Auge zutat. Speziell den jungen Kollegen hätte er ohne weiteres zugetraut, sich nachts raus zu schleichen, um am Sonntag als Grand Prix-Sieger unsterblich zu werden. Andrea de Cesaris musste er angeblich sogar persönlich die Hand halten.

Sie trafen sich und sie diskutierten, aber sie streiken nicht., Foto: Sutton
Sie trafen sich und sie diskutierten, aber sie streiken nicht., Foto: Sutton

Der angesagte Fahrerstreik von 2008 wirkt gegen die Aktion von Kyalami wie eine billige Kopie. Ein B-Movie als Remake eines Hollywood-Klassikers quasi. Bevor wir jedoch die aktuelle GPDA zu einem zahnlosen Gremium heruntermachen, möchte ich ihre Verdienste in den Vordergrund stellen. Die Leithammel im Fahrerfeld wie David Coulthard investierten in der Vergangenheit sehr viel Zeit und Energie. Der Schotte legte sich vor ein paar Jahren sogar mit Max Mosley persönlich an, der als FIA-Präsident eigentlich Verbündeter in Sachen Sicherheit sein sollte. Aber Max unterließ keine Gelegenheit um den Jungs klar zu machen: Ich stehe an der Tafel vorne, ihr sitzt in der Schulbank.

Aktuell leiten McLaren-Tester Pedro de la Rosa, Fernando Alonso und Mark Webber als Dreiergremium die Fahrergewerkschaft. Die Jahresgebühr für den Club sind 2.000 britische Pfund (also etwa so viel, wie wenn man statt 60 km/h in der Boxengasse mit 65 km/h erwischt wird).

Üblicherweise holt FIA-Direktor Charlie Whiting am Freitag um 17:00 das gesamte Fahrerfeld zum Drivers' Briefing. Dann sitzen die 20 Piloten plus die anwesenden Testfahrer brav aufgefädelt auf Plastikstühlen und hört sich an, was der Sicherheitsbeauftragte so zu vermelden hat. Wie in einer Schulklasse wird dann schon mal dumm herum gealbert oder gestritten (es sind ja keine Mädchen dabei, das macht es noch einfacher). Im Anschluss um 17:30 halten die Fahrer dann ihr GPDA-Meeting ab. Und genau da beginnt das Problem: Eine Handvoll Piloten nimmt die Kappe und geht stattdessen ins Motorhome, um ganz wichtige Dinge zu tun.

Die FIA braucht viel Geld..., Foto: Sutton
Die FIA braucht viel Geld..., Foto: Sutton

Ohne Hamilton, Massa, Räikkönen und Kovalainen sitzen die verbleibenden 16 Einsatzfahrer dann nochmals etwa 20 Minuten und diskutieren aktuelle Themen, zumeist zum Thema Sicherheit. Manchmal aber eben auch über Finanzielles. So wie zuletzt, als die FIA die Eintrittskarte in den Zirkus ohne Vorankündigung um bis zu 800% verteuert hat. Und zwar unter Angabe nebulöser Gründe. Da wurde erstmals von Streik gesprochen. Aber wer in seinem Leben auch nur je einen Fuß ins Fahrerlager gesetzt hat, dem war von Beginn an klar, dass das so nicht funktionieren kann.

Die GPDA hat also ein Problem. Ihr fehlen die wichtigsten Mitglieder. Wie eine Champions League ohne Arsenal, Milan, Chelsea oder Bayern (ich weiß schon, das kommt gelegentlich wirklich vor...). Solange die Fahrer von Ferrari und McLaren nicht in der Gewerkschaft vertreten sind, tun sich die Direktoren schwer, ihr Mandat kraftvoll einzusetzen. Hamilton und Kovalainen stehen schwer unter Druck der Teamleitung. Fahrer, die öffentlich aufbegehren mag Ron Dennis ungefähr so wie Juckreiz am Hintern. Und bei Ferrari ist man ohnedies der Ansicht: Wir sind die Formel 1, wozu brauchen wir diesen Kasperlverein? Kimi Räikkönen ist der einzige der Abtrünnigen, dem ich sogar glaube, dass er echt keinen Bock hat, sich gemeinsam mit den anderen Fahrern zu organisieren. Was nicht bedeutet, dass er deswegen asozial ist oder nichts in der Birne hat. Der ist einfach so.

Bernie hätte alles besser gemacht..., Foto: Sutton
Bernie hätte alles besser gemacht..., Foto: Sutton

Fahrerstreiks sind daher unter diesen Umständen so gut wie ausgeschlossen. Zumal sie auch die Imagewerte der Fahrer nicht gerade heben würden. Dem kleinen Formel 1-Fan auf der Stehplatztribüne kann man schwer erklären, dass sich der Herr Formel 1-Star nicht ins Auto setzen will, weil man ihm eine Summe abzieht, die ihm ungefähr so weh tut wie wenn die Milch um 20 Cent teurer wird. Klar geht es hier um Gerechtigkeit. Und klar wird ein Robert Kubica, dem man über 200.000 Dollar abzieht wohl wissen dürfen, was Max Mosley und seine Kameraden mit der Kohle eigentlich so machen. Und gerade darin unterscheidet sich der Sportler - wie übrigens in allen ähnlichen Fällen anderer Sportarten - vom Funktionär. Der Sportler hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Leistung soll belohnt werden. Der Funktionär ist über dieses Stadium längst hinaus und denkt viel strategischer.

Die Fahrer dachten: Mosley ist angezählt, jetzt ist der Moment. Uns reicht's. Jetzt beschweren wir uns. Und alle sollen es wissen. Aber der Schuss ging nach hinten los. Wie leicht wäre es doch gewesen, den Spieß einfach umzudrehen und zu sagen: "Wir zahlen gerne jede Summe der Welt, damit unsere Rennstrecken noch sicherer werden. Wir haben übrigens sogar stillschweigend akzeptiert, dass die FIA heuer achtmal so viel von uns kassiert. Dürfen wir bitte unsere Freunde von der FIA bitten, uns einen Erfolgsbericht über diesen beispiellosen Einsatz zum Wohle der Formel 1 zu präsentieren. Herr Mosley, bitte vor den Vorhang."

Vielleicht wäre dann rausgekommen, dass so mancher FIA-Vertreter auf seinen Inspektionsreisen mehr Geld in der First Class verfliegt als man einem Kubica überhaupt wegnehmen kann. Ich denke, Bernie Ecclestone hätte den Fahrern schon gesagt, wie man so etwas macht. Aber offensichtlich haben sie ihn nicht gefragt...