Kaum fand sich Felipe Massa in der Formel 1 ganz oben, wuchsen auch schon die Ansprüche. Nicht die eigenen, aber die von außen. Vor allem die seiner brasilianischen Landsleute - die das ganze gleich historisch einzuordnen versuchten - angesichts des ersten brasilianischen WM-Führenden seit 15 Jahren, seit Ayrton Senna 1993. Ob er sich denn nun in der Reihe seiner großen Vorgänger von Emerson Fittipaldi über Nelson Piquet bis eben Senna sehe? "Bis ich die erreiche, da fehlt mir noch unglaublich viel, im Vergleich zu ihnen bin ich noch so klein", meinte er bescheiden - und deutete mit den Fingern eine Größe von etwa zwei Zentimetern an.

Felipe und Raffaela haben immer öfter Grund zur Freude., Foto: Sutton
Felipe und Raffaela haben immer öfter Grund zur Freude., Foto: Sutton

Ein bisschen größer ist er mit seinen wohlwollend gemessenen 1,65 Metern doch. "Auch wenn ich sehr hart an mir arbeite und schon glaube, dass ich inzwischen wirklich so weit bin, dass ich in der heutigen Formel 1 eine führende Rolle spielen und auch einen WM-Titel gewinnen kann." Den Augenblick zu genießen, das wollte er sich nicht nehmen lassen - aber ohne dabei in Euphorie zu verfallen: "Die WM-Führung, das ist schon ein ganz besonderes Gefühl, aber ich bin mir durchaus dessen bewusst, das das nur eine Momentaufnahme ist und überhaupt noch nicht viel bedeutet."

Bis jetzt hatte Massa immer mit dem Phänomen zu kämpfen, nirgendwo wirklich ernst genommen zu werden - zumindest nicht als WM-Kandidat. Als ausgesprochen schnell galt er schon immer, seit seinem Formel-1-Einstieg als Zwanzigjähriger bei Sauber 2002. Aber eben auch als zu unkonstant, als unter Druck zu fehleranfällig, vielleicht auch zu "verspielt" und nicht hart genug, um es in der Formel 1 bei allem Talent wirklich bis ganz an die Spitze zu schaffen.

Als Ferrari ihn zum Teamkollegen von Michael Schumacher machte - als Nachfolger seines Landsmannes Rubens Barrichello, schien auch er nicht mehr als ein besserer Wasserträger, hieß es, er sei nur durch "Familienbeziehungen" zu dem Job gekommen, schließlich ist Nicolas Todt, der Sohn des damaligen Ferrari-Sportdirektors Jean Todt, sein Manager... Nach Schumachers Rücktritt holte Ferrari Kimi Räikkönen, "um ihn Massa vor die Nase zu setzen", so die allgemeine Interpretation. Als dann Räikkönen prompt - nach Anfangsschwierigkeiten - den WM-Titel für Ferrari gewann, Massa durch den Abgang von Todt gleichzeitig an politischem Rückhalt im Team zu verlieren schien und sich Anfang 2008 selbst dicke Fehler in Australien und Malaysia leistete, setzten viele ihn schon auf die Abschussliste - trotz bis Ende 2010 laufendem Vertrag.

Felipe Massa will ganz oben bleiben., Foto: Sutton
Felipe Massa will ganz oben bleiben., Foto: Sutton

Doch Massa bewies, dass man ihn damit unterschätzte: Er schlug zurück, schon mit den Siegen in Bahrain und der Türkei, überraschte unter anderem dadurch, auf der von ihm nun wirklich nicht geliebten Strecke von Monaco das ganze Wochenende über schneller zu sein als sein favorisierter Teamkollege Räikkönen, leistete sich keine Fehler mehr, ist da, wenn sich die Chance bietet - wie jetzt in Frankreich durch die technischen Problem des Finnen. Dass er dafür etwas an seiner Arbeit, an seiner Einstellung und Herangehensweise an die Formel 1 geändert habe, streitet er ab: "Es gibt da keine grundsätzlichen Veränderungen - aber natürlich versuche ich, mich immer weiter zu verbessern, überall noch dazu zu lernen."

Dass er sich in Sachen Arbeitsweise und vor allem Einsatz und Arbeitseifer sehr viel von Michael Schumacher abgeschaut hat, betont er immer wieder - umgekehrt ist bekannt, dass auch der siebenmalige Weltmeister stets große Stücke auf ihn hielt, ihn höher einschätzte als viele seiner anderen Teamkollegen, denen er im Laufe seiner Karriere begegnete.

Privat hat ihn die Hochzeit mit seiner vier Jahre älteren Dauerfreundin Raffaela Bassi im letzten November sicher noch stabiler gemacht: "Sie ist sehr wichtig für mich, sie gibt mir genauso Rückhalt wie meine Familie, rückt mir auch manchmal den Kopf ein bisschen gerade - und das ist auch gut so." Von der reinen Optik sollte sich jedenfalls niemand mehr täuschen lassen: Auch wenn Massa mit inzwischen 27 Jahren immer noch etwas kindlich-knuddellig daherkommt, ein bisschen wie ein Teddybär, den jeder mal gern in den Arm nehmen möchte: die Räikkönens und Hamiltons dieser Welt müssen mit ihm rechnen!