Die Ingenieure freuen sich schon auf 2009. Dann werden sie erstmals die Früchte ihrer Arbeit auf der Rennstrecke erleben: das neue Energierückgewinnungssystem, kurz KERS genannt. "Wir entwickeln KERS mit Hochdruck, weil wir darin eine große Zukunft sehen, vor allen Dingen für Straßenautos", sagt Mario Theissen. Die Serienproduktion sei schon ganz heiß auf die neuen Entwicklungen der Formel 1-Abteilung, weil sie sich durch den F1-Wettbewerb viel größere Fortschritte erwarte.

"Wir werden Hybridelemente entwickeln, die weit jenseits der heutigen Hybridtechnik liegen", begründet Theissen die Vorfreude seiner Serienkollegen. "Wir werden, wenn es klappt, Komponenten im Auto haben, die es heute noch gar nicht gibt." Dadurch werde die Hybridtechnik einen faszinierenden Entwicklungssprung machen.

Eine Frage des Radstands

Die ersten Tests des neuen BMW Sauber mit KERS sollen im Frühjahr 2009 stattfinden, einzelne Komponenten werden wie üblich schon vorher getestet. "Die Herausforderung für die Ingenieure ist es, ein KERS-System zu entwickeln, dass auf jeder Strecke eingesetzt werden kann und dort auch einen Rundenzeitvorteil bringt - das ist nicht einfach", betonte McLaren-CEO Martin Whitmarsh gegenüber GPWeek. Grundsätzlich sei es von Vorteil, an strategischen Punkten für Überholmanöver mehr PS zur Verfügung zu haben, doch es gebe auch Nachteile.

Das KERS verbraucht viel Platz im eng gepackten Heck des Autos, gleichzeitig verlangt es nach Kühlung und ist im aktuellen Entwicklungsstadium - für Formel 1-Verhältnisse - noch extrem schwer. "Es wird das Packaging des Autos beeinflussen", sagte Whitmarsh. Auch der Schwerpunkt könnte sich verändern. Der notwendige längere Radstand des Autos könnte auf einigen Strecken zu Problemen führen. Aus diesem Grund verkürzten einige Teams schon vor dieser Saison den Radstand des Autos, um auf die gestiegene Anzahl an Stadtkursen zu reagieren.

Zwei Autos oder Baukastenprinzip

BMW Sauber setzt auf KERS., Foto: Sutton
BMW Sauber setzt auf KERS., Foto: Sutton

"Eine mögliche Reaktion für 2009 könnte sein, dass finanziell gut betuchte Teams zwei Autos bauen - eines mit einem längeren Radstand mit KERS und eines mit einem kürzeren Radstand ohne KERS. "Wir denken über viele Dinge nach", sagte Whitmarsh, ohne auf das Thema genauer eingehen zu wollen. Man wolle die beste Lösung für jede Strecke finden. "McLaren wird, wie jedes andere F1-Team, seine Karten nicht auf den Tisch legen, aber es ist unvermeidlich, alle Varianten abzudecken."

Mario Theissen schloss ein komplett anderes Zweitauto aus Sicht von BMW Sauber kategorisch aus. "Dafür haben wir keine Kapazitäten. Wir wollen mit KERS fahren, aber das Auto wird so konstruiert, dass es auch ohne geht", sagte er. Das bedeute jedoch nicht, dass der F1.08 ein Kompromissauto werde. Stattdessen könne man die KERS-Komponenten jederzeit aus- und wieder einbauen.

Gewichtsprobleme

Theissen wollte nicht ausschließen, dass einige Teams KERS nicht auf allen Strecken beziehungsweise erst nach einigen Rennen einsetzen und voll ausnutzen können. "Ich will nicht ausschließen, dass die Zusatzleistung am Anfang noch nicht zu einem Zeitenvorteil führt", spielte er auf das Gewichtshandicap an. Sein Fahrer Robert Kubica bezifferte das Gewicht des Systems auf rund 35 Kilo, welche das Team nicht mehr in gezielt platzierten Ballast stecken könne, da man vielleicht auch so schon das Mindestgewicht erreiche.

"Es ist klar, dass wir einen Großteil, wenn nicht sogar den ganzen Ballast, wegen KERS verlieren werden", verrät Theissen. "Dadurch können wir das Auto nicht mehr so ausbalancieren wie wir es gerne hätten", sagt Theissen. Denn je mehr Ballast im Auto verteilt werden kann, desto besser kann die Balance beeinflusst werden. "Somit kann es durchaus sein, dass KERS das Auto am Anfang nicht schneller macht." Das solle sich spätestens im Laufe der Saison ändern.

Mike Gascoyne sieht das ähnlich: da KERS als unbeweglicher Ballast agiere, könne es sein, dass der KERS-Vorteil gerade den Nachteil des höheren Gewichts ausgleiche. "Wenn man nur 12 Kilo Übergewicht dadurch hat, wird KERS irrelevant und man nimmt es heraus", sagte Gascoyne gegenüber GPWeek. "Wenn man mit KERS im Gewichtslimit bleibt, dann kann es ein Vorteil sein." Ein Vorteil, der den Nachteil mit sich bringt, dass man kaum noch oder gar keinen Ballast mehr platzieren kann.