Der Skandal

Die News of the World-Ausgabe vom 30. März löste einen Sturm der Entrüstung in der F1-Welt aus: in einem Artikel berichtete das Blatt über eine "perverse Party mit 5 Prostituierten", an der auch FIA-Präsident Max Mosley teilgenommen haben soll. Als Beweis zeigt die Zeitung Bilder und ein Video auf ihrer Webseite. In dem vollständigen fünfstündigen Video soll laut Angaben der Zeitung zu sehen sein, wie Mosley in einer Londoner Wohnung, ausgestattet wie eine "Folterkammer", ausgepeitscht wird "bis das Blut spritzt".

Die Verteidigung

Zwei Tage danach meldet sich Mosley erstmals zu Wort und beteuert, dass es ihm leid tue - die Aufnahmen seien echt, aber das Nazi-Element sei frei erfunden. "Die Zeitung hat dieses Detail erfunden, um der Geschichte zusätzliche Würze zu verleihen und meinen familiären Hintergrund zu beleuchten". sagte Mosley und kündigte eine Klage an.

Die weiteren Enthüllungen über sein Privatleben gehören laut Mosley genau dorthin und stellen deshalb für ihn keinen Rücktrittsgrund dar. "Wäre ich beim Rasen auf einer öffentlichen Straße erwischt worden oder mit Alkohol im Blut beim Autofahren - lassen Sie uns sagen in Schweden, wo das Alkohollimit sehr niedrig ist -, hätte ich noch am selben Tag zurücktreten müssen", schrieb Max Mosley in einem Brief an die FIA-Mitglieder. "Doch geschehen ist etwas völlig anderes. Ein Skandalblatt hat illegal Bilder von meinem Privatleben veröffentlicht, auf denen ich etwas tue, dass, auch wenn es für manche Menschen inakzeptabel ist, völlig harmlos und absolut legal ist."

Laut Mosley wäre es "unverantwortlich", wenn er zurücktreten würde, da er noch wichtige Verhandlungen mit den Rechteinhabern und Automobilherstellern zu führen habe. Einmal gehe es um das neue Concorde Agreement, einmal um eine Neuverhandlung der kommerziellen Rechte. Sollte er nun zurücktreten oder abgewählt werden, würden beide Verhandlungen ins Stocken geraten beziehungsweise würde ein Nachfolger die Hintergründe nicht gut respektive nicht schnell genug kennen und durchschauen, argumentiert Mosley.

Deshalb müsse er in Amt und Würden bleiben - mindestens bis 2009 seine Präsidentschaft ausläuft. "Ein neuer Präsident könnte sogar von jenen Personen gewählt worden sein, mit denen wir gerade verhandeln", nennt Mosley noch einen weiteren Grund. Er stellt sogar die Vermutung auf, dass der Sexskandal um seine Person möglicherweise mit den Verhandlungen im Hintergrund zu tun haben könnte - die Gegenseite ihn auf diese Weise zum Rücktritt zwingen wollte. "Es sollte einen fliegenden Wechsel geben - den können wir nur 2009 haben", betont er. Also wenn er seine Amtszeit normal beendet. So lange nicht die Mehrheit der Mitglieder seinen Rücktritt fordert, werde er jedenfalls nicht freiwillig gehen. Bis zur außerordentlichen Generalversammlung war er sich des Rückhalts der Mehrzahl der Mitgliedsclubs sicher.

Die Reaktionen

Was wird aus Max Mosley?, Foto: Sutton
Was wird aus Max Mosley?, Foto: Sutton

Es dauerte eine Weile, bis sich die Großen meldeten. Aber Mosley-Gegenspieler Paul Stoddart sagte schon kurz nach dem Bekanntwerden des Skandals: "Mosley muss gehen - niemand, der in der Öffentlichkeit steht, kann so einen Skandal überstehen. Er zieht die FIA mit sich in den Abgrund. So jemanden kann man nicht als Chef der FIA in die Führer der Welt treffen lassen."

Aus der Formel 1 gab es nur wenige Stellungnahmen, dafür deutliche von BMW, Mercedes, Honda und Toyota, die in Presseschreiben ihre Meinung deutlich zum Ausdruck brachten: "Die Inhalte der Veröffentlichungen sind abstoßend. Wir distanzieren uns als Unternehmen ausdrücklich davon", hieß es in einem gemeinsamen Pressetext von BMW und Mercedes. "Der Vorgang betrifft Max Mosley in Person und als Präsident der FIA, der weltweiten Dachorganisation der Automobilclubs. Die Tragweite geht damit über den Motorsport hinaus. Wir erwarten eine Reaktion der relevanten FIA Gremien."

Auch diverse Automobilclubs distanzierten sich von Mosley und dessen Handlungen. So teilte der ADAC in einer Pressemitteilung mit, dass er sich "ausdrücklich von den Ereignissen um Max Mosley distanziert". Nach Ansicht des ADAC dürfe das Amt des FIA-Präsidenten, der weltweit über 100 Millionen Autofahrer repräsentiere, nicht durch eine derartige Affäre belastet werden. Aus diesem Grund wird dem FIA-Präsidenten in dem Brief nahe gelegt, "sorgfältig über seine Rolle in der Organisation nachzudenken."

Der Präsident des niederländischen Verbandes KNAF, Arie Ruitenbeek, machte seine Meinung noch deutlicher: "Wegen seiner wichtigen Position kann das nicht akzeptiert werden. Ich habe meine Einladung zur Versammlung noch nicht erhalten, aber wir werden dorthin gehen und dafür stimmen, dass er zurücktritt." Selbst Mosleys langjähriger Wegbegleiter Bernie Ecclestone wurde kritisch zitiert: "Jeder war bei der Orgie dabei nur er nicht. Er drischt auf alles ein, was er erwischen kann. Wenn er mich als Feind haben will, dann sollte er sehr vorsichtig sein, denn wenn er mich zum Feind macht, dann könnte ich sicherstellen, dass er nie wieder jemanden auspeitscht."

Das Angebot

Noch vor der Sitzung der FIA am 3. Juni machten 24 Automobilclubs, die insgesamt 22 Nationen vertreten, in einem gemeinsamen Brief an Mosley ein Angebot: sollte der Präsident im November von selbst zurücktreten, würden sie ihn in der Generalversammlung nicht abwählen. "Das Image, der Ruf und die Glaubhaftigkeit der FIA wurden ernsthaft angeschlagen", hieß es in dem Brief. "Jeder weitere Tag an dem diese Situation vorherrscht, verstärkt den Schaden." Es gebe keinen Weg zurück. "Stattdessen ist es Ihre Absicht bis an das Ende ihrer Amtszeit, im Jahr 2009, im Amt zu bleiben und Sie sehen damit darüber hinweg, dass die FIA weiter Schaden erleidet. Sie stellen damit persönliche Interessen über jene der FIA und deren Mitgliedern."

Selbst Bernie Ecclestone sagte dem Daily Telegraph: "Er sollte zurücktreten, aus Rücksicht auf die Institution, die er vertritt, aber auch aus Rücksicht auf die Formel 1." Mosley bezeichnete dieses Angebot als "wirren Kompromiss". Er antwortete: "Wäre ich zurückgetreten, würde ich noch immer den ganzen Sommer damit verbringen müssen, das Tagesgeschäft der FIA zu erledigen und das ohne die Zeit und Autorität dafür zu besitzen." Deshalb dreht er den Spieß um und verweist erneut auf die Vielzahl an überwältigenden Zuschriften, die fordern, dass er im Amt verweilen solle. "Ich hätte die Forderung der Clubs nicht einfach ignorieren und zurücktreten können."

Die Fragezeichen

Die große Frage wird in der Generalversammlung geklärt: wird Mosley abgewählt oder darf er weiter im Amt bleiben. Die zweite große Frage nach den Hintermännern hinter dem Video wird frühestens in Mosleys Prozess gegen die News of the World geklärt werden können. Aber was passiert, wenn Mosley nicht abgewählt werden sollte? Wie reagieren die Automobilhersteller und Automobilclubs? Einige Verbände, darunter auch der amerikanische Verband AAA, sollen für diesen Fall angeblich die Gründung eines eigenen Dachverbandes geplant haben.

Sollte Mosley zurücktreten oder abgewählt werden, stellt sich die Frage nach einem Nachfolger. Wer stünde parat? Ex-F1-Stars wie Alain Prost könnten sich nur eine Rolle als Sportpräsident vorstellen, mit der Politik wollen sie nichts zu tun haben. Jackie Stewart sieht sich trotz seiner Fehde mit Mosley nicht als Anwärter. Er plädiert für jemanden, der nicht aus dem Sport kommt. Die Liste weiterer Kandidaten umfasst den französischen Premierminister Francous Fillon, den italienischen FIA-Präsidenten Marco Piccinini, den FIA Vize-Präsidenten Hermann Tomczyk, der zuletzt von seiner Rolle als DMSB-Präsident zurückgetreten ist, sowie Jürgen Hubbert, der lange Zeit DaimlerChrysler führte.

Bernie Ecclestone warnte in der Times: "Das Problem ist, wenn Max bis 2009 bleibt, dann wird er auch weitermachen. Ich bin mir zu 100% sicher, nein, sogar 1.000.000% sicher."

Am 24. Juli 2008 gewann Max Mosley den Prozess gegen die Zeitung "News of the World". Die Richter hielten in ihrem Urteil fest, dass die Privatsphäre durch die Berichterstattung nachhaltig verletzt wurde. Insbesondere die Behauptungen der Zeitung über "Bezüge zum Nationalsozialismus" erwiesen sich als unwahr.