Wie lange noch, Nelsinho?

von Stephan Heublein

Das war ja klar, dachten sich viele Beobachter, als Nelsinho Piquet in Monaco einen der ersten Leitplankenküsse des Wochenendes verteilte. Im Rennen startete er als einziger Fahrer auf full wets, also den richtigen Regenreifen, alle anderen setzten auf Intermediates. Hatte das Team etwa kein Vertrauen in die Regenfähigkeiten des Weltmeistersohnes im Leitplankendschungel? Ein Funkspruch an Alonso ließ diese Möglichkeit offen: "Nur Nelson ist auf Regenreifen, wir können es nicht beurteilen." Weil ein Vergleich fehlte oder weil Nelsinhos Rückmeldungen ohne Aussagekraft waren?

Piquets Kritiker werden sagen: die Antwort lieferte er selbst. Als beide Renault unter noch feuchten Bedingungen auf Trockenreifen wechselten, sagten viele: das kann ja nicht gut gehen... ging es auch nicht. Alonso fuhr unbeeindruckt weiter (seine beiden Fehler machte er schon vorher), Piquet landete mal wieder in der Sainte Devote.

Quo-vadis Nelsinho?, Foto: Sutton
Quo-vadis Nelsinho?, Foto: Sutton

Klar, in Monaco können jedem Fehler unterlaufen - tatsächlich blieb nur Robert Kubica von den Top-Fahrern im Rennen fehlerfrei. Dennoch gewann der ehemalige GP2-Titelrivale von Piquet, Lewis Hamilton, trotz eines Fehlers das Rennen. Piquet wäre nicht mal ohne eigene Fehler in Alonsos Nähe gekommen. Und so geht es schon seit einiger Zeit: drei Mal scheiterte Nelsinho im ersten Qualifyingabschnitt, zuletzt in Monaco. Mehrmals war er in Abflüge, Ausritte und Kollisionen verwickelt. In Melbourne bezeichnete ihn Giancarlo Fisichella nach dem Startunfall als "Kamikaze". Timo Glock glaubte, dass Piquet wohl zu warm im Cockpit geworden sei...

Hin und wieder gab es auch einen klitzekleinen Lichtblick wie Startplatz 10 in Barcelona, aber den machte er durch einen unnötigen Abflug und eine Kollision im Rennen wieder wett. Überhaupt Melbourne. Piquets Debüt verlief wie ein dreitägiger Albtraum, sogar noch schlimmer als der vielkritisierte F1-Einstand seines Vorgängers Heikki Kovalainen. Viele ziehen den Finnen als Beispiel heran, um Piquet zu schützen. Auch er könne sich in der zweiten Saisonhälfte so steigern wie Kovalainen. Doch hat Piquet in dieser Saison ein ungleich besseres Auto zur Verfügung als Kovalainen anno 2007, der schaffte in den ersten sechs Saisonrennen 2007 ganze acht WM-Punkte, Piquet hat zum gleichen Zeitpunkt in dieser Saison noch null. Auch steht er als Teamkollege eines Doppelweltmeisters nicht so sehr unter Druck, er müsste frei auffahren und lernen können. Derzeit lehrt er aber zu oft die Botanik das Fürchten.

Chaos auf der Strecke und Piquet mittendrin., Foto: Sutton
Chaos auf der Strecke und Piquet mittendrin., Foto: Sutton

Selbst im eigenen Team wird Piquet hart und vor allem öffentlich kritisiert. In Blogs und Podcasts auf der offiziellen Renault-Teamwebseite äußerten sich Teammitglieder wie Steve Nielsen mehrfach negativ über den Brasilianer. Er müsse sich stark steigern, bislang habe man von ihm noch kein fehlerfreies, wirklich gutes Rennen gesehen. Vertrauen in die Leistung des eigenen Piloten klingt anders. Kein Wunder also, dass derzeit Ultimaten die Runde in der Gerüchteküche machen.

Piquet Junior hatte sich die Königsklasse sicher anders vorgestellt. Vor zwei Jahren sagte er uns, dass sein Spezialfreund Nico Rosberg vor der GP2 ja nie wirklich etwas gewonnen hätte und er mit der Unterstützung, die Sebastian Vettel genossen hat, schon längst in der Formel 1 wäre. Die Unterstützung und das Geld, die sein Vater in den eigenen Rennstall Piquet Sports steckte, um Nelsinho in die F3 und GP2 zu schicken, ließ er geschickt unerwähnt. Jetzt ist Nelsinho in der Formel 1, fährt aber Vettel und Rosberg in einem eigentlich stärker eingestuften Auto teilweise gnadenlos hinterher. Das Schwierige ist bekanntlich drin zu bleiben. Mal sehen, wie lange Nelsinho das noch schafft.

Eigentlich kann er's

von Falko Schoklitsch

Dass an Piquet in dieser Saison bislang Kritik angebracht ist, steht außer Zweifel. Immerhin zeigt ihm gerade sein Teamkollege, was in dem nicht unbedingt perfekten Renault doch so drinnen steckt. Aber der Teamkollege ist eben ein zweifacher Weltmeister und nicht irgendein Rotzbub, der gerade einmal aus dem Go-Kart gestiegen ist. Zwar ist klar, dass man sich in der Formel 1 eben an den Besten messen lassen muss, doch eine Erfahrung von sechs Grands Prix gegen zwei WM-Titel zu setzen, ist nicht besonders fair.

Nelsinho hat sein Können schon in der GP2 unter Beweis gestellt - gegen einen gewissen Lewis Hamilton., Foto: Sutton
Nelsinho hat sein Können schon in der GP2 unter Beweis gestellt - gegen einen gewissen Lewis Hamilton., Foto: Sutton

Und wer einen Blick aufs Vorjahr wirft, der wird um das Beispiel Heikki Kovalainen einfach nicht herumkommen. Da gab es auch schon die wildesten Gerüchte, dass der Finne nach den Überseerennen bereits nicht mehr im Auto sitzen könnte, weil er zu Saisonbeginn doch so schwach gewesen war. Ab Kanada legte er dann aber ordentlich zu und strafte alle Kritiker vom Saisonanfang lügen. Mittlerweile ist er bei McLaren durchaus zu einem Sieganwärter geworden, auch wenn ihm das Pech aktuell einige Chancen zunichte macht.

Dabei muss zu Kovalainen gesagt werden, dass er eine viel intensivere Vorbereitung auf seine Rookie-Saison hatte als Piquet. Denn 2006, als der Finne Testfahrer war, war das Test-Reglement noch nicht so eingeschränkt wie es heute ist. Als Konsequenz konnte Kovalainen ungleich mehr Testkilometer in einem Formel 1-Auto drehen als Piquet, der 2007 öfter zuschauen als fahren durfte. Das hilft bei der Vorbereitung auf den Einstand in der Formel 1 nicht unbedingt.

Wenn das Auto dann auch eher schwierig ist, wird es zusätzlich schwer, besonders für einen Rookie. Denn mit einem undankbaren Auto ans Limit zu gehen, lernt man auch auf tausenden von Testkilometern nicht, die doch ein wenig gemütlicher abgespult werden. Muss man sich dann ausgerechnet in einem so eng umkämpften Mittelfeld behaupten wie in diesem Jahr, wird man schnell einmal hinten ausgespuckt. Selbst Alonso kann sich nur mit Mühe vorne in dieser Gruppe behaupten, also sollte man es einem Neuling vielleicht zugestehen, dass er da möglicherweise leicht einmal unter die Räder kommt.

Wohin führt Nelsinhos Weg?, Foto: RenaultF1
Wohin führt Nelsinhos Weg?, Foto: RenaultF1

An mangelnder fahrerischer Qualität kann es eigentlich nicht liegen. Immerhin hat Piquet in der GP2 seine Klasse des Öfteren gezeigt und Lewis Hamilton 2006 mehr als einmal unter Druck gesetzt. Die Meisterschaft war zwischen den beiden lange umkämpft, bevor Hamilton sich am Ende absetzen konnte. Auch Kovalainen war Vize-Champion in der GP2 und wie er sich jetzt so schlägt, haben wir ja schon besprochen. Piquet sollte es also auch draufhaben. Dass der wachsende Druck nicht dabei hilft, sich einzufinden, ist aber auch klar.

Wenn das Team ihn im Teameigenen Podcast angreift, der normalerweise als PR-Instrument dient und deswegen recht glatt gebügelt ist, dann ist das eher eine Charakterprüfung. Kann er den Druck aushalten oder nicht? Mit seiner Äußerung, dass er nichts Anderes von Renault erwartet habe, deutete Piquet zumindest verbal an, dass er dem Druck gewachsen ist. Jetzt fehlt noch fahrerisch die Antwort. Das Zeug dazu hätte er prinzipiell, wenn man ihm die Zeit gibt, die jemand mit - dank Test-Reglement - wenig Erfahrung bekommen sollte. Die Formel 1 ist aber schnelllebig.