Fernando, wie fühlst Du dich wenige Tage nach dem Grand Prix der Türkei?
Fernando Alonso: Sehr gut. Unser Ziel lautete, in der Türkei auf jeden Fall in die Punkteränge zu fahren. Wir konnten es uns einfach nicht leisten, einen weiteren Grand Prix ohne WM-Zähler zu beenden. Vor diesem Hintergrund bin ich mit meinem sechsten Platz sehr zufrieden. Er bestätigt die Fortschritte, die uns in den vergangenen Wochen gelungen sind. Ich bin also ziemlich glücklich.

Haben dich die Fortschritte überrascht, die das Team seit Barcelona erzielt hat?
Fernando Alonso: Um ehrlich zu sein: Das ganze Team zeigte sich überrascht. Wir standen nach dem Qualifying in der ersten Reihe und konnten im Rennen bis zu meinem Ausfall um den fünften Platz kämpfen. Schwer zu begreifen, was da passiert war. Wir hatten nicht erwartet, so schnell dieses Leistungsniveau erreichen zu können. Vielmehr gingen wir davon aus, dass es schwierig genug würde, bis zum Ende der Saison dieses Level zu erreichen. Wir dürfen uns jetzt aber auf keinen Fall damit zufrieden geben. Das war der erste Schritt, aber es wartet noch eine Menge Arbeit auf uns. Wir sind fest entschlossen, diesen Weg weiter zu gehen.

Wie siehst du die Kräfteverteilung der Teams an der Spitze des Feldes?
Fernando Alonso: Eines ist klar: Ferrari, McLaren und BMW sind uns immer noch einige Schritte voraus. Es wird schwierig, die Lücke in den kommenden Rennen zu schließen. Im Klartext heißt das: Wenn keiner dieser sechs Wagen während eines Grand Prix ein Problem bekommt, kämpfen wir im besten Fall um Rang sieben. Bessere Platzierungen sind für uns eigentlich nur möglich, wenn einer aus den Top-Sechs ausfällt oder zumindest in Schwierigkeiten gerät. In Istanbul zum Beispiel erreichte ich dank des Reifenschadens von Heikki Kovalainen den sechsten Platz.

Die Konkurrenz ist wohl bekannt, Foto: Sutton
Die Konkurrenz ist wohl bekannt, Foto: Sutton

Und wie sieht es weiter hinten aus?
Fernando Alonso: Red Bull, Williams und Toyota bilden eine Gruppe, in der es sehr eng zugeht. Da können sich die Kräfteverhältnisse sehr schnell ändern. Wenn einem dieser Teams ähnliche Fortschritte gelingen wie uns in Barcelona, wird sich das Bild plötzlich ganz anders darstellen. Wir alle arbeiten hart daran, unsere Performance stetig zu verbessern. Dabei darfst du nicht immer nur nach vorne gucken, sondern musst auch die im Auge behalten, die hinter dir sind.

Wie fühlt sich der Renault R28 an?
Fernando Alonso: Seit dem Grand Prix von Spanien haben wir einige aerodynamische Verbesserungen gefunden, die dem Wagen mehr Grip verleihen. Dadurch machst du als Fahrer automatisch weniger Fehler hinter dem Lenkrad. Auch das Problem mit dem Durchdrehen der Hinterräder wurde deutlich reduziert. Das Fahrverhalten präsentiert sich zwar nicht grundlegend verändert, aber stark verbessert.

An welchem Zeitpunkt wurde dir klar, dass der Saisonstart schwieriger würde als ursprünglich gedacht?
Fernando Alonso: Während der Wintertests konnten wir kaum sagen, wo genau wir standen. Wir wussten, dass uns mit dem Renault R28 große Fortschritte gelungen waren, wir aber kaum regelmäßig um Siege würden fahren können. Wir dachten aber, dass wir uns in der Verfolgergruppe befänden. In Melbourne stellte sich die Situation dann etwas schwieriger dar als erwartet, aber wir sammelten Punkte. Das Gleiche passierte in Sepang. Der Grand Prix von Bahrain führte uns dann unsere Schwächen ganz deutlich vor Augen: Ich wurde Zehnter, eine Minute hinter dem Sieger. Das war hart.

Dürfen wir in naher Zukunft weitere Entwicklungsschritte erwarten?
Fernando Alonso: Das Team arbeitet mit Hochdruck daran, den Renault R28 immer weiter zu verbessern. Es hängt alles davon ab, in welchen Bereichen wir etwas finden und wie lange wir brauchen, um neue Komponenten zu produzieren und zu testen. Das kann in einer Woche sein, vielleicht nächsten Monat. Wir werden sehen.

Womit rechnest du beim Grand Prix von Monaco?
Fernando Alonso: Das ist derzeit für mich ein Rennen mit vielen Unbekannten. Auf der einen Seite handelt es sich bei dem Stadtkurs um eine Strecke, auf der du als Fahrer den Unterschied ausmachen kannst. Ich fahre immer gerne dort. Auf der anderen Seite bist du als Pilot absolut machtlos, wenn dein Auto nicht über ausreichend Traktion verfügt. Und in diesem Bereich hapert es beim R28 derzeit etwas. Wir reisen ohne allzu große Erwartungen gen Monte Carlo. Andererseits kann im Fürstentum alles passieren. Warten wir einfach, wie sich das Wochenende entwickelt.

Das Podest wird schon vermisst, Foto: Sutton
Das Podest wird schon vermisst, Foto: Sutton

Es muss dir schwer fallen, nicht um Podestplätze fahren zu können - vor allem, weil du in den vergangenen drei Jahren immer um den WM-Titel gekämpft hast...
Fernando Alonso: Das ist kein Problem für mich. Enttäuschend ist nur, wenn du deine selbst gesteckten Ziele nicht erreichst. Beim Grand Prix der Türkei wollte ich Siebter werden, mit meinem sechsten Rang war ich deshalb sehr zufrieden. Gleichzeitig deprimierte mich mein Ausfall in Barcelona nicht, weil ich wusste, dass uns ein großer Schritt nach vorn gelungen war. Das stimmte mich optimistisch.

Fehlen dir denn die Siege nicht?
Fernando Alonso: Das ist etwas anderes. Natürlich vermisse ich die Siege, denn ich bin ein Rennfahrer und will immer gewinnen. Einzig und allein darum geht es mir. Ich muss siegen, um zu leben. So bin ich einfach. Das gilt aber nicht nur für die Formel 1, sondern für alle Bereiche meines Lebens. Ob ich Karten spiele, Tennis oder ein Videospiel - ich möchte immer der Beste sein. Für die Leute um mich herum ist das sicher nicht immer einfach...

Genießt du es wirklich jedes Mal, im Rennwagen zu sitzen?
Fernando Alonso: Aber natürlich. Ich darf immer noch eines der schnellsten Autos der Welt fahren. Dafür werde ich bezahlt, und es ist gleichzeitig meine große Leidenschaft. Das darf man nie vergessen. In gewisser Weise spüre ich momentan sogar weniger Druck, weil wir nicht um die WM kämpfen. Dadurch kann ich die Rennen vielleicht sogar mehr genießen und etwas größere Risiken eingehen, um gute Ergebnisse zu erzielen. Ich bin unglaublich motiviert, Höchstleistungen abzuliefern.

Glaubst du, dass du ein besserer Rennfahrer bist als 2006 - dem Jahr, in dem du zum zweiten Mal Weltmeister wurdest?
Fernando Alonso: Mit Sicherheit. In unserem Sport kommt es sehr auf die Erfahrung an. Wenn ich einen bestimmten Bereich nennen sollte, in dem ich mich verbessert habe, wäre es der Umgang mit den Reifen. Die Bridgestone-Rillenslicks weisen ganz andere Eigenschaften auf als die Michelins, mit denen ich Weltmeister wurde. Ich musste meinen gesamten Fahrstil analysieren und eine andere Herangehensweise finden - vor allem am Kurveneingang. Heute bin ich ein besserer Fahrer auf den Bridgestones.

Die Gerüchteküche über mögliche Fahrerwechsel in der kommenden Saison beginnt langsam zu köcheln. Dabei wird immer wieder auch dein Name genannt...
Fernando Alonso: Ehrlich gesagt schenke ich "Radio Fahrerlager" momentan überhaupt keine Beachtung. Es ist jetzt wirklich nicht die Zeit, sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Wir haben gerade erst fünf von 18 Saisonläufen hinter uns. Mein aktuelles Ziel lautet, mit Renault wieder an die Spitze der Formel 1 zurückzukehren. Dem gilt all meine Energie, etwas anderes interessiert mich derzeit nicht. Ich will noch in dieser Saison wieder einen Podestplatz erreichen. Sogar einen Sieg einzufahren wäre fantastisch. Alles andere hilft vielleicht dabei, mehr Zeitungen zu verkaufen, aber daran beteilige ich mich nicht...