In einer idealen Welt und in einem idealen Formel 1-Rennen im Istanbul Park beträgt der Zeitunterschied zwischen einer Zwei- und einer Dreistoppstrategie bei McLaren Mercedes fünf Sekunden. Doch die Formel 1 ist weit weg davon, ideal zu sein. In Rennen kommt es zu Zwischenfällen, Fahrer werden im Verkehr aufgehalten, weswegen solche Rechenspiele schnell verwischen.

Für Lewis Hamilton berechnete das Team vor dem Rennen, dass angesichts seiner Dreistoppstrategie ein fünfter Platz das Maximum bei einem normalen Rennverlauf hätte sein müssen. "Wir rechnen immer konservativ", begründete Norbert Haug diese Berechnung. Hamilton freute sich derweil umso mehr über seinen 2. Platz, der doch viel besser als die Vorhersage war. "Ich glaube, das war mein bestes Rennen überhaupt", freute sich der Brite. "Dabei geht es nicht ums Gewinnen sondern darum, dass du alles aus dir und dem Auto herausholst."

Aufgrund von Reifenproblemen musste Hamilton dreimal stoppen. Die Probleme wurden teils von seinem speziellen Fahrstil und teils vom Setup hervorgerufen. "Das war ein Nachteil für uns", sagte Martin Whitmarsh. "Aber wir mussten das aus Sicherheitsgründen machen." Die Vorgabe für Hamilton war deshalb klar: "Wir mussten auf Pole fahren, um den Nachteil zu minimieren", so Whitmarsh. "Demnach war unser Qualifying nicht gut genug." Das bestätigte Hamilton: "Mit meiner gestrigen Leistung war ich nicht zufrieden und von der Pole Position wäre heute vielleicht sogar der Sieg möglich gewesen."

Hamilton lag zwischenzeitlich vor Felipe Massa., Foto: Sutton
Hamilton lag zwischenzeitlich vor Felipe Massa., Foto: Sutton

Umso außergewöhnlicher sei Hamilton gefahren, lobte Whitmarsh, der ebenfalls glaubt: "Das Positive ist: wir hätten Ferrari schlagen können." Besonderes Lob erhielt Hamilton für sein Überholmanöver gegen Felipe Massa - ein Überholmanöver im Kampf um Platz 1. "Sein Überholmanöver vorbei an Felipe Massa hat bestimmt vielen Fernsehzuschauern Spaß gemacht", glaubt Norbert Haug, "denn es kommt in der Formel 1 nicht so oft vor, dass der Führende überholt wird." Auch Teamchef Ron Dennis lobte Hamilton für ein fantastisches Rennen. "Er hat gepusht, ist sehr diszipliniert gefahren und hat alles gemacht, was wir ihm gesagt haben: wir sagten, er solle Massa überholen und das hat er getan."

Während Hamilton mit seinem Ergebnis zufrieden war, trat Heikki Kovalainen enttäuscht vor die Mikrofone. Schon am Start kam der Finne auf der staubigeren Seite schlecht weg. "Ich hatte gehofft, dass man innen mehr Grip haben würde beim Losfahren", sagte Haug. "Mittlerweile ist es so, dass der dritte Platz ein Traumplatz ist, aber der zweite nicht so." Neben Kovalainen kam auch Kimi Räikkönen nicht gut weg, was schon in Kurve 1 zum Problem des McLaren-Finnen werden sollte: "In der ersten Kurve berührten Kimi und ich uns kurz und dadurch hatte ich hinten links einen schleichenden Plattfuß."

Zu Beginn wusste Kovalainen nicht, ob sein Reifen beschädigt war. "Doch während der Saftey Car Phase merkte ich, dass ich den Reifen wechseln lassen musste. Damit war das Rennen für mich gelaufen." Denn mit viel Sprit an Bord und im Verkehr des hinteren Feldes gab es kaum Überholmöglichkeiten. "Ich gab alles, doch Punkte waren einfach nicht drin." Wenigstens gab es auch für ihn Lob von der Chefetage: "Heikki war sehr schnell", sagte Dennis. "Ohne den Reifenwechsel wäre er sehr stark gewesen. Er hatte alle Chancen, sein erstes Rennen zu gewinnen."

Whitmarsh untermauerte diese Aussage: "Wenn Heikki nicht hätte stoppen müssen, wäre er länger draußen geblieben als Felipe Massa." An diesem hätte er dann nah dran bleiben und ihn, ähnlich wie Hamilton, auch überholen können. "Danach wäre das Rennen anders verlaufen. Aber hinterher ist das immer einfach zu sagen." Ein besonderes Lob sprach Whitmarsh noch einmal für das "fantastische" Qualifying des Finnen aus, der mit einer größeren Spritmenge auf Platz 2 gefahren war. "Ich habe ihn noch nie so enttäuscht gesehen wie heute. Er wusste, dass er das Rennen hätte gewinnen können."

Kovalainen steckte im Verkehr fest., Foto: Sutton
Kovalainen steckte im Verkehr fest., Foto: Sutton

Whitmarsh fand jedoch aufbauende Worte für seinen Schützling: "Er hat das Recht enttäuscht zu sein. Aber er hat sich mit seiner starken Leistung erst in die Position gebracht, ein Rennen zu gewinnen und ich bin mir sicher: er wird in diesem Jahr noch ein Rennen gewinnen." Das habe er sich verdient. Dennis ist davon überzeugt, dass McLaren schon in Monaco siegfähig sein könnte. "Wir kamen mit der Möglichkeit hierher, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Es war ein sehr enges Rennen und jetzt freuen wir uns auf Monaco, wo wir normalerweise gut sind." Im letzten Jahr habe man das Rennen komfortabel gewonnen. "Wir werden versuchen, das zu wiederholen."

Auch Whitmarsh glaubt an die silbernen Chancen. "Lewis kommt mit einem außergewöhnlichen Rennen im Rücken nach Monaco und wir werden auch dort ein konkurrenzfähiges Auto haben." Im letzten Jahr sei Hamilton nah dran gewesen, in Monaco zu gewinnen. "Jetzt wird er heiß darauf sein, dass dieses Jahr nachzuholen." Nur Norbert Haug tritt etwas auf die Euphoriebremse: "Historisch waren wir in Monaco immer sehr gut, aber ich glaube eher, dass wir es dort ein bisschen schwieriger haben werden." McLaren sei in Highspeed-Passagen sehr gut, Ferrari hingegen in langsamen Ecken. So oder so: "Hier sind wir sicherlich mit Ferrari in einer Liga gefahren", sagte er. "Ich kann keine Analyse für BMW Sauber machen, aber es war sicherlich eine Lücke zu ihnen vorhanden."

Das könne sich in Monaco aber schnell ändern. Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus Istanbul ist für Haug folgende: "Ferrari ist insgesamt am schnellsten, aber wenn du vor ihnen fährst, sind sie nicht schnell genug, um zu überholen." Darin sieht er die große Chance für die Konkurrenz, allen voran McLaren.