Bamm. Heikki Kovalainens linke Vorderradfelge explodiert, Teile wirbeln umher, die Luft entweicht mit einem Schlag aus dem Reifen. Nahezu ungebremst rast der MP4-23 geradeaus durch das Kiesbett und bohrt sich in die Reifenstapel. Sofort werden Erinnerungen an den Unfall von Luciano Burti in Spa-Francorchamps wach. "Im ersten Moment habe ich befürchtet, dass er einen Schlag auf den Kopf bekommen hat", sagt Christian Danner. Der Unfall geschah bei über 200 km/h. "Das war schon heftig."

Kovalainen überstand den Unfall weitestgehend unverletzt., Foto: Sutton
Kovalainen überstand den Unfall weitestgehend unverletzt., Foto: Sutton

Die Minuten nach Runde 22 ziehen sich. Das Safety Car wird auf die Strecke geschickt. Das Medical Car bringt ärztliche Hilfe an den Unfallort. Dann die erste Entwarnung: Kovalainen winkt auf der Trage. Später immer bessere Nachrichten: Kovalainen sei zwar ordentlich durchgeschüttelt, aber ansonsten okay - keine Brüche, keine inneren Verletzungen, keine inneren Blutungen, keine Gehirnschäden. Die Formel 1-Schutzengel hatten mal wieder aufgepasst, die Sicherheitsvorkehrungen an Fahrer, Auto und Strecke ihre Schuldigkeit getan. Als Unfallursache wird die Felge benannt, die vor dem Rennen erst 14 Kilometer auf dem Buckel hatte. Wenn alles nach Plan läuft, soll Kovalainen schon beim nächsten Rennen in der Türkei wieder im Auto sitzen.

Rot, Silber, Weiß & Blau

Kaum war der Schock überstanden, rückte der Sport wieder in den Mittelpunkt. Kimi Räikkönen hatte leichtes Spiel mit der Konkurrenz, merkte sogar an, dass er nicht Vollgas gab. "Wir hätten ein bisschen schneller sein können, aber es gab keinen Grund etwas zu riskieren, so lange wir es nicht mussten", sagte Räikkönen, der dennoch zugeben musste: "Es war enger, als wir es erwartet hatten." Allerdings gab der Finne zu bedenken, dass die beiden Safety Car-Phasen das Bild verzerrt hätten. Ohne diese hätte Ferrari vielleicht einen größeren Vorsprung gehabt.

Das gleiche Argument bringt Norbert Haug - nur in die andere Richtung. "Der Abstand nach dem Restart in Runde 27 war höchstens fünf Sekunden", analysierte Haug. Auch Danner erwartete vor der Safety Car-Phase eine rote Dominanz. "Danach war es ausgeglichener", so der Ex-Pilot. Trotzdem gibt Haug zu: "Tendenziell hat Ferrari die Nase vorne. Sie legen die Messlatte, aber ich halte es nicht für unmöglich, sie zu überspringen."

Dessen ist man sich auch bei Ferrari bewusst. "Wir sind gut vorbereitet für dieses Jahr, aber die Konkurrenz schläft nicht", betonte Berater Michael Schumacher. "Wir können nicht davon ausgehen, dass wir jedes Rennen gewinnen werden, dafür müssen wir sehr hart arbeiten." Aus Sicht von Danner hat Ferrari aber immer noch die Nase vorne. "BMW Sauber und McLaren sind gleichauf - Ferrari fährt schneller, selbst wenn es mal nicht hundertprozentig läuft." Die Verfolger müssten also schon noch etwas nachlegen, wenn sie die Scuderia herausfordern wollen.

Lewis Hamilton gab sich für den Moment schon mit der positiven Überraschung zufrieden, "so nah an der Spitze dran gewesen" zu sein. Nach dem Qualifying hatte er das nicht erwartet. Genauso nah war aber Robert Kubica am Heck des Briten dran. "Wir sind nicht weit weg von Ferrari", betont Mario Theissen. "Ich weiß natürlich nicht, ob sie noch Reserven hatten, aber insgesamt ist es erfreulich eng zwischen den drei Teams an der Spitze." Im Vergleich mit McLaren sieht er sein Team auf einem Level mit den Silbernen. Die Tagesform entscheide darüber, wer die Nase vorne habe.

McLaren und BMW Sauber lagen wieder eng zusammen., Foto: Sutton
McLaren und BMW Sauber lagen wieder eng zusammen., Foto: Sutton

"McLaren hat uns hier geschlagen, wir haben sie bei den letzten zwei Rennen geschlagen - es ist eng", bilanzierte Nick Heidfeld, der Ferrari ebenfalls in der gleichen Liga sieht. "Sie sind im Moment vorne und sie haben den Speed auf P1 und P2 zu fahren, aber sie sind nicht so dominant wie in den letzten Jahren. Es ist das stärkste Auto, aber nicht meilenweit entfernt." Theissen ergänzt: "Der Zug fuhr ja im Sekundenabstand hintereinander her." Also Räikkönen, Massa, Hamilton und Kubica. "Ich gehe davon aus, dass sie noch etwas schneller hätten fahren können, weil sie im Qualifying auch schneller waren - aber das gilt auch für die anderen dahinter." Wichtig sei nur eins: "Niemand fährt in einer eigenen Liga."

Die 5 Fragezeichen

Wieso kam Heidfeld bei geschlossener Box herein?
Heidfelds Boxenstopp brachte ihm eine 10-Sekundenstrafe ein. Doch er hatte keine andere Wahl: "Wegen dieser bescheuerten Regel habe ich mein Rennen verloren. Aber es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder die Strafe hinnehmen oder auf der Strecke ohne Benzin liegen bleiben." BMW Sauber entschied sich für die sinnvollere Variante. "Als ich das Signal von meinem Ingenieur bekommen habe, war ich zwei Sekunden davor gerade an der Boxeneinfahrt vorbeigefahren", erklärte Heidfeld.

Die Regel, wonach in den ersten Runden einer Safety Car-Phase nicht nachgetankt werden darf, befindet sich bereits seit einiger Zeit in der Kritik. "Ich kenne keinen einzigen Fahrer, der dafür ist", so Heidfeld. "Ich weiß, dass darüber schon seit einiger Zeit diskutiert wird", bestätigte Mario Theissen. "Es kann keinem gefallen, wenn auf diese Weise ein Rennen entschieden wird." Heidfeld bezeichnet es als Glücksspiel und Lotterie, von der manche profitieren und manche eben nicht. "Der Unterschied ist nur: wenn man davon profitiert, gewinnt man eine Position", merkte Willy Rampf an, "wenn man der Leidtragende ist, verliert man gleich zehn Positionen."

Kollision Nummer 1: Sutil, Coulthard und Vettel. Was ist passiert?
Sutil versuchte Coulthard in Kurve 4 innen über den Kerb zu überholen. "Aber es wurde ein bisschen eng", schilderte Sutil den Zwischenfall. "Ich wurde in Kurve vier hinein von Adrian Sutil angeschubst", so Coulthard, dessen Auto leichte Schäden davon trug. Infolge der Kollision drehte sich Sutil. "Dann sind die anderen in mich reingefahren."

Sebastian Vettel packte die Szene in etwas andere Worte: "Es war ein sehr hirnloses Manöver, das Adrian gestartet hat. Er hat sich gedreht, ich wollte vorbei, hätte es auch beinahe geschafft, aber dann hat mich ein Super Aguri draufgeschoben." Christian Danner legt Sutil deshalb diesen Ratschlag nahe: "Er sollte sich irgendwann mal vor dem Rennstart hinsetzen und überlegen: Wie kann ich ein Rennen fertig fahren? Dazu gehört eine Grundlektion: Die ersten paar Kurven muss man überstehen, ohne eine Harakiri-Aktion zu machen. Es war eindeutig sein Fehler."

David Coulthards Red Bull nahm gleich bei zwei Gelegenheiten Schaden., Foto: Sutton
David Coulthards Red Bull nahm gleich bei zwei Gelegenheiten Schaden., Foto: Sutton

Kollision Nummer 2: Bourdais und Piquet. Was ist passiert?
Nelsinho Piquet verlor schon einige Runden vor der Kollision mit Bourdais viele Positionen, weil er ins Kiesbett ausritt. "Deshalb versuchte ich zu attackieren, dabei musste ich einige Risiken eingehen", begründete er seinen Angriff. Dieser kam für den Franzosen vollkommen unerwartet. "Ich habe in die Spiegel gesehen und Nelson schien nicht in einer Situation zu sein, in der er hätte angreifen können." Er sei zwar nah gewesen, aber eben nicht nah genug. "Dann bremste ich vor Kurve 10 ziemlich spät, lenkte ein und plötzlich war er neben mir. Das war das Ende der Geschichte."

Kollision Nummer 3: Coulthard und Glock. Was ist passiert?
Den Rempler von Sutil überstand Coulthard noch mit leichten Schrammen. Doch beim nächsten Angriff eines Deutschen musste der Schotte kapitulieren. "Nach meinem Stopp, bin ich in Kurve vier und fünf eine defensive Linie gefahren, damit zeigte ich Glock, dass ich weiß, er ist da. Er traf das Heck meines Autos und beschädigte meinen Reifen." Coulthard humpelte auf der Felge zurück an die Box.

"Glock hat gedacht, er könne Coulthard überholen, obwohl er noch zwei Autolängen hintendran war", analysiert Danner die Situation. "Das war mehr als optimistisch. So kann man nicht überholen." Glock wollte sich nicht auf eine Schuldzuweisung festlegen. "Ich habe es versucht, er hat zugemacht, ich konnte nicht mehr bremsen, um mich hinter ihm einzuordnen und wir haben uns berührt", so der Toyota-Pilot. "Er hat mir erst Platz gemacht und dann im letzten Moment zugemacht. Er hat so gezuckt und ich wusste nicht, wo ich hin sollte. Ich kann ja nicht von jetzt auf gleich stehen bleiben." So beurteilten auch die Rennkommissare die Szene: es gab keine Strafe.

Kollision Nummer 4: Barrichello und Fisichella. Was ist passiert?
Plötzlich schleifte Rubens Barrichello seinen Frontflügel unter dem Auto umher. Wie es dazu kam, konnten die Bilder während des Rennens nicht aufklären. "Es war einer dieser unglücklichen Zwischenfälle", erklärte Barrichello. "Das Team hat mich rausgelassen und mich auf Verkehr hingewiesen. Ich blieb also von der schnellen Linie weg. Fisichella hat mich überholt und schnitt in seine Box, wobei er gleichzeitig meinen Vorderflügel mitgenommen hat."