Der F1-Tross ist zurück in Europa. Das Comeback begann standesgemäß mit einem großen Viertagestest. Neue Flügelchen hier, neue Aerodynamikteilchen dort. Honda belebte die Dumbo-Wings auf der Nase und ließ sie sogleich wieder in der Versenkung verschwinden. Ferrari durchlöcherte die Fahrzeugnase und Renault nahm sich ein Beispiel am Kundenteam Red Bull: wenn die Haifischflosse mit Renault-Kundenmotor funktioniert, muss sie doch auch beim Werksauto etwas bringen...

Frank Dernie sah das vor Saisonbeginn anders: "Ich wäre überrascht, wenn diese Motorabdeckung einen großen Vorteil bringen würde", sagte er beim ersten Anblick des Red Bull-Segels. Aus Stabilitätssicht mache sie es vielleicht sogar schlimmer. So konnte der aerodynamische Einfluss der lang gezogenen Motorabdeckung beim Rutschen des Autos die Anströmung des Heckflügels komplett zerstören. "Ich wäre nicht überrascht, wenn es nur eine Ablenkung wäre, um die Aufmerksamkeit von einer anderen Veränderungen wegzuziehen", mutmaßte Dernie damals. Das gleiche habe Lotus auch 1978 bei der Einführung des Ground Effect gemacht. "Dieser Trick hat ihnen ein Jahr unentdeckter Entwicklung gebracht." Wenn Adrian Newey sich ein Beispiel daran genommen hat, ist Renault darauf reingefallen...

Eines der wichtigsten Erkenntnisse der Testwoche ist aber ein anderes: die Saison 2009 hat längst begonnen. Schon jetzt testen die Teams die neuen Slick-Reifen von Bridgestone und modifizierte Downforce-Pakete für das kommende Jahr - umso schwieriger wird es, die Zeitenlisten zu deuten. Haben Testergebnisse sonst schon wenig Aussagekraft, tendierte diese in Barcelona gegen Null. Autos mit Rillenreifen und 2009er Aerodynamik fuhren gegen Autos mit Slicks und aktueller Aerodynamiker und umgekehrt. Den Teams ist die Parallelentwicklung den Stress und die Ablenkung wert.

Renault: von Red Bull abgekupfert oder von Red Bull gelinkt?, Foto: Sutton
Renault: von Red Bull abgekupfert oder von Red Bull gelinkt?, Foto: Sutton

"Wir mussten deutlich früher mit den Arbeiten am F1.09 anfangen als üblich", verrät Mario Theissen. "Wir drei Konzeptsprünge für 2009: es gibt ein völlig neues Aero-Reglement, das mit dem, was heute auf den Strecken herumfährt, sehr wenig zu tun hat. Die Autos werden viel weniger Abtrieb erzeugen und ein völlig anderes Fahrverhalten haben. Zum anderen werden wir Slicks und KERS einsetzen, letzteres ist derzeit die größte Unbekannte."

Dabei gesteht Theissen, dass es sinnvoll wäre, jeden Testkilometer auf die Saison 2008 zu konzentrieren, "aber wir müssen Prioritäten setzen", sagte er gegenüber motorsport-magazin.com. "Die konzeptuellen Veränderungen sind so gravierend, dass jeder, der jetzt nicht aufpasst und sich das Know-how erarbeitet, Gefahr läuft, nächstes Jahr neben der Kappe zu sein." Ab sofort müsse BMW Sauber genau überlegen, was das Team im Windkanal testet. "Wir haben nur einen Windkanal und im Normalfall brauchen wir auch nur einen", betonte Theissen. "In den nächsten Monaten sind jedoch die Teams mit zwei Windkanälen im Vorteil, weil sie wunderbar Parallelentwickeln können."

Diese Gefahr sieht auch Christian Horner, der Red Bull vor einer großen Herausforderung sieht. "Wir haben nicht die Ressourcen der Werksteams." Deshalb müsse man die Balance zwischen 2008 und 2009 wahren. Ross Brawn hat die Balance schon gefunden: Honda interessiert sich kaum noch für die aktuelle Saison. "Durch die neuen Regeln bietet sich uns eine Chance, die wir nicht verpassen dürfen", betont Brawn. "Momentan müssen wir aufholen, aber unter den neuen Regeln beginnt alles von vorne." Der Fokus liege also klar auf 2009.

Das Programm für 2008 werde an die Ansprüche für 2009 angeglichen. "Das Wichtigste ist, ein sehr starkes Paket für 2009 zu entwickeln und 2008 ein möglichst gutes Auto zu haben." Mehr als ein Update in Barcelona und vielleicht noch ein weiteres zur Saisonmitte ist deshalb nicht geplant. Spätestens dann steuert Honda mit voller Kraft auf 2009 zu. "Das Programm für 2009 hat schon begonnen und während die Monate verstreichen, verschieben wir mehr und mehr Ressourcen dorthin", verriet Brawn. "Es gibt das Update zur Mitte der Saison, ich nehme an, die Aero-Arbeit wird Ende Mai, Anfang Juni fertig sein und dann wird der Fokus auf nächstem Jahr liegen."

Dumbo ist zurück. Honda arbeitet schon voll an 2009, also kommen die Flügel von 2007 in abgewandelter Form wieder., Foto: Hartley/Sutton
Dumbo ist zurück. Honda arbeitet schon voll an 2009, also kommen die Flügel von 2007 in abgewandelter Form wieder., Foto: Hartley/Sutton

Auch bei Ferrari wird schon fleißig für 2009 getüftelt. "Die neuen Autos werden komplett anders sein und wenn man bei einem Projekt falsch liegt, wird es eine sehr schwierige Saison", betont Stefano Domenicali. Die schwierigste Aufgabe sei es demnach, hoch konzentriert zu bleiben, um die bestmögliche Leistung in dieser Saison herauszuholen, gleichzeitig aber schon das nächstjährige Auto auf die Beine zu stellen. "Das wird ein komplett neues Projekt sein und ein komplett neues Design, ein neues Aussehen samt KERS haben."

Genau darin sehen die Mittelfeldteams und Hinterbänkler ihre Chance. "2009 haben wir eine Chance", prophezeit Nico Rosberg. "Es gibt so viele Regeländerungen, dass jeder seine Chance erhält. Das Feld wird komplett durchgemischt. Das müssen wir nutzen." Und nicht nur Williams schielt auf eine Umverteilung im nächsten Jahr. Mike Gascoyne lässt bei Force India bereits voll für 2009 entwickeln.

"Die Regeln sind 2009 komplett neu und wer am meisten Ressourcen dafür aufwendet, wird sich am besten schlagen", weiß der Technikchef. Im Gegensatz zu Force India stecken die meisten anderen Teams aber dennoch irgendwie in einem Zwiespalt zwischen den Ergebnissen 2008 und den Entwicklungen für 2009. "Ferrari und McLaren möchten 2008 den Titel gewinnen und pushen dafür wie verrückt", betont Gascoyne. "BMW muss den ersten Sieg holen, bei Renault verlangt Carlos Ghosn bessere Ergebnisse - man kann mit Alonoso nicht noch mal Vierter werden, Honda kann es sich nicht leisten, noch einmal so schlecht zu sein, wie sie aussehen, Toyota sitzt im selben Boot und Red Bull muss mit Newey langsam anfangen, gute Ergebnisse zu produzieren." Ganz anders bei Force India: "Unser 2009er Auto war bereits im Windkanal, je früher man Anstrengungen in das nächste Jahr steckt, desto besser wird es."