Hochgejubelt, als neuer britischer F1-Messias gepriesen, Lewis Hamilton beschleunigte in seiner ersten Formel 1-Saison von Null bis auf Warpgeschwindigkeit. In Bahrain fiel er ebenso abrupt wie hart aus dem Hyperraum direkt auf den sandigen Wüstenboden. Ein Unfall am Freitag, ein Fehler am Start, ein Crash mit seinem ungeliebten Ex-Teamkollegen und ein Rückfall bis ans Ende des Feldes zeigten Wirkung. Aus Hamilton sprach der Frust. Bei legitimen Zweikämpfen gegen Hinterbänkler zeigte er ihnen die Faust, gab verärgert Handzeichen. Der angestaute Ärger suchte und fand ein Ventil.

Die Leichtigkeit des Rookie-Jahres schien wie verflogen. Vor Saisonbeginn war Hamilton als Vizeweltmeister und F1-Superstar quasi als Nummer 1 bei McLaren gesetzt. Doch nach einem überlegenen Auftaktsieg erlebte er zwei schwierige Wochenenden. Plötzlich ist er der etablierte Fahrer, der von einem jungen Teamkollegen gehetzt wird. "Es ist eine harte Zeit für Lewis", weiß Martin Whitmarsh. "Er ist es gewohnt, zu gewinnen. Aber er ist mehr als fähig, sich zu rehabilitieren. Heikki [Kovalainen] pusht hart, das erkennt Lewis an." Kovalainen werde sogar noch schneller und besser werden, "aber das spornt Lewis noch mehr an."

"Ich bin sehr enttäuscht und komme mir vor, als hätte ich das Team heute im Stich gelassen", sagt Hamilton enttäuscht. "Aber ich lasse mich nicht unterkriegen und werde weiter kämpfen." Bislang startete seine F1-Karriere senkrecht durch. "Da musste irgendwann so etwas passieren", bleibt er Realist. Schon beim nächsten Rennen erwartet Whitmarsh den alten Hamilton zurück. "Er wird selbstbewusst auftreten und in Barcelona in starker Verfassung sein."

Lewis Hamilton steht erstmals richtig unter Druck., Foto: Sutton
Lewis Hamilton steht erstmals richtig unter Druck., Foto: Sutton

Bis dahin muss er mit der Kritik der Medien leben. "Hamilton ist völlig neben der Kappe", kritisiert Christian Danner, der den Auffahrunfall mit Alonso als "selbstzerstörerisch" bezeichnet. Niki Lauda geht sogar noch weiter. "Hamilton fasziniert mich im Moment nicht so wie letztes Jahr. Er hat einen richtigen Durchhänger." So etwas dürfe sich ein Titelanwärter nicht leisten. "Die Punkte fehlen am Ende", mahnt Lauda. Den gestiegenen Druck als Vizeweltmeister und Teamleader lässt der Österreicher nicht gelten. "Nein, der Crash am Freitag war vollkommen unnötig. Das hätte man nach seinem ersten Jahr nicht erwartet. Normalerweise denkt man, dass ein Fahrer besser wird."

Die alte Weisheit, dass das zweite Jahr immer das schwerste sei, gilt für Lauda nicht. "Nur wenn du blöd bist und abhebst", sagt er. "Dann ist es schwieriger. Wenn du normal den Weg gehst, ist es leichter. Denn du hast wesentlich mehr Erfahrung, kannst mit dem Auto umgehen, hast mehr Rennpraxis." Felipe Massa kennt die Situation, das Gefühl im Kreuzfeuer der Kritik zu stehen, den öffentlichen Druck und die Last, die jetzt auf den Schultern von Hamilton lastet. Massa hat sie gerade erst abgelegt, zumindest zu einem Großteil.

Wie im Vorjahr brachte er seine Kritiker mit einer überlegenen Vorstellung in Bahrain zum Schweigen. "Nachdem die WM für mich unter dunklen Wolken begonnen hatte, kann ich jetzt endlich wieder die Sonne scheinen sehen", strahlt der Brasilianer. "Es liegen keine einfachen Wochen hinter mir, aber so ist das Leben. Es ist nicht das erste Mal und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein", kennt er die knallharten Gesetze der Formel 1-Welt. Aber selbst im Cockpit war der Druck allgegenwärtig. "Ich hatte immer im Hinterkopf, was in Malaysia geschehen ist. Ich wollte bloß keinen Fehler begehen. Also versuchte ich mich auf alles zu konzentrieren, sicherzustellen, dass ich das Ziel erreichen würde."

Alex Wurz lobt Massa für ein "astreines" Wochenende. "Das ist nicht so einfach, wenn du ständig am Limit fährst. Da passieren halt auch Fehler", so Wurz, der glaubt, dass Massa alle eines Besseren belehrt habe. "Das war sicher die beste Antwort auf die Kritik, die heutzutage in der Formel 1 wie aus der Pistole geschossen losgeht." Das müsse man aus Fahrersicht als ungut bezeichnen. "Denn wenn zwei Fahrer in einem Team sind, ist klar, dass einer immer schneller sein wird und der andere langsamer."

Der Druck ist gewichen., Foto: Sutton
Der Druck ist gewichen., Foto: Sutton

Trotz des Erfolges, trotz des abgelegten Drucks, trotz der geohrfeigten Kritiker gab es aber nicht nur Lobeshymnen auf die Triumphfahrt des Brasilianers. "Bei Ferrari war Massa dort, wo er immer sein könnte, wenn er nicht blöde Fehler machen würde", sagt Lauda. "Er ist ein perfektes Rennen gefahren, hat Kimi von Anfang bis Ende dominiert - besser kann er es nicht machen. Sein Problem ist, dass er nie das ganze Jahr so stabil fährt." Ganz ist die Last noch nicht von Massas Schultern verschwunden.

Neue Machtverhältnisse

Bahrain ist Ferrari-Land. Das war schon beim Debüt in der Wüste so, das war im letzten Jahr so, das war in dieser Saison so. "Ich musste noch nicht einmal das Maximum herausholen", verrät Massa. Sein Teamkollege Kimi Räikkönen konnte nicht mehr aus seinem F2008 herausholen. "Das ist das Beste, was möglich war. Es war nicht gerade mein bestes Wochenende", gesteht der Weltmeister. "Diese acht Punkte bringen mir die Führung in der Fahrer-WM - das ist ein Grund, Bahrain zufrieden zu verlassen." Denn in einem so engen WM-Kampf kann jeder Zähler entscheiden.

Nach Bahrain behauptet Mario Theissen mit Fug und Recht: "Für mich war es die letzte Bestätigung, dass wir drei Top-Teams haben, die je nach Tagesform Rennen gewinnen können." Dazu zählt er neuerdings auch sein eigenes Team. "Alles läuft auf einen Dreikampf hinaus", bestätigt Norbert Haug. "Es war gut, zu sehen, dass wir die Rennpace der Spitzenautos mitgehen konnten", freut sich Theissen. "Aber Ferrari war noch einen Tick weiter vorne, wenn auch bei Weitem nicht so viel, wie wir aufgrund des Trainings erwartet hatten." BMW Sauber kommt nun als Führender in der Konstrukteurs-WM nach Europa. "Das haut mich um", sagt Theissen. "Das hatte ich nicht auf der Rechnung."

Die Überraschung des Wochenendes war jedoch weder der Sieg von Felipe Massa noch die starke Vorstellung von BMW Sauber. "Die Überraschung ist, dass die McLaren so langsam sind - schweinelangsam", sagt Christian Danner. "Die Überraschung ist, dass BMW Sauber die McLaren Mercedes auf der Strecke schlagen kann - nicht nur am grünen Tisch", stimmt Heinz-Harald Frentzen zu. Alex Wurz hatte geglaubt, dass McLaren nach Malaysia wieder Fuß fassen würde. "Aber man darf sie auf keinen Fall abschreiben, denn das kann sich ganz schnell umdrehen."

Was lief also schief? "Alles", sagt Norbert Haug ehrlich. "Bei uns war hier Melbourne", spielt er auf das schwarze Ferrari-Wochenende vom Saisonstart an. "Diesmal hatten wir einen Tag zum Vergessen. Nach Melbourne hat man Ferrari abgeschrieben, wir wissen genau, was seitdem passiert ist." Räikkönen und Massa gewannen die beiden Folgerennen in Malaysia und Bahrain. "Ich bin kein Freund von Schwarz und Weiß. Letztes Mal war Massa für viele ein Fahrschüler, dem man die Lizenz abnehmen sollte, jetzt hat er gewonnen."

Die 5 Fragezeichen

Warum startete Hamilton so schlecht?
Der Start von Lewis Hamilton war eher der einer Silberschnecke als der eines Silberpfeils. "Heutzutage gibt es weniger Automatik", beginnt Martin Whitmarsh die Begründung für den Holperstart. "Der Fahrer muss eine Prozedur durchlaufen, um die korrekte Einstellung für den Start auszuwählen." Dabei hat Hamilton einen Fehler gemacht. "Ich verpatzte den Start, weil ich einen Schalter nicht rechtzeitig betätigte", gestand Lewis. Die Drehzahl fiel in den Keller und das Auto ging in einen Anti-Stall-Modus, damit der Motor nicht abstirbt. "Dadurch verlor ich sieben Plätze."

Zu viel Druck auf den Frontflügel., Foto: Sutton
Zu viel Druck auf den Frontflügel., Foto: Sutton

Warum verloren die BMW Sauber am Start?
Besser als Hamilton, aber noch lange nicht so gut wie erwünscht, kamen die beiden BMW Sauber weg. "Ich hatte beim Start massiv durchdrehende Räder", sagte Robert Kubica. "Wir hatten ein kleines technisches Problem, um das wir uns kümmern müssen", verriet Mario Theissen. "Das war beim Start zu sehen. Beide Fahrer haben Positionen verloren." Auch Nick Heidfeld gestand Verbesserungsbedarf ein. "Letztes Jahr gab es noch die Startautomatik, dieses Jahr ist es schwieriger konstant zu starten." Die schmutzige Fahrbahnseite tat ihr Übriges. "Daran sieht man, dass man dieses Jahr am Start sehr viel gewinnen oder verlieren kann", betonte Heinz-Harald Frentzen. "Das ist eine zusätzliche Herausforderung in diesem Jahr."

Wer trägt die Schuld: Alonso oder Hamilton?
Ausgerechnet Alonso und Hamilton, die Streithähne der vergangenen Saison. Kein Wunder, dass es nicht lange dauerte, bis Gerüchte im Fahrerlager die Runde machten, Fernando habe Lewis absichtlich eines Bremstests unterzogen. "Das ist absoluter Müll", sagte Alonso trocken. Pat Symonds zeigte sogar die Telemetrieausdrucke her, um den Spekulationen den Boden zu entziehen. Alonso beschleunigte voll aus der Kurve heraus bis 227 km/h im fünften Gang. "Er berührte die Bremsen nicht", betonte Symonds. "Man sieht den Einschlag in den Daten, er wurde von hinten gerammt."

Alonso glaubt, dass Hamilton auf seiner Aufholjagd einfach zu viel riskierte. "Man versucht zu schnell, zu viele Plätze gutzumachen. Er war zu nah und hat es vielleicht nicht bemerkt." Voran ging laut Whitmarsh eine Berührung mit Mark Webber, die Hamilton den Nasenflügelbogen kostete. "Durch den beschädigten Flügel verlor er an Downforce, das beeinträchtigte die Bremsen und die Lenkung und führte letztlich zum Unfall mit Fernando." Hamilton beschrieb die Situation so: "Ich war hinter ihm und wir fuhren beide nach rechts - damit war's passiert; ein Rennunfall." Aus Sicht von Christian Danner war die Aktion von Hamilton "selbstzerstörerisch".

Wo krachte es in der ersten Kurve?
Die erste Kurve hat es immer in sich, so auch in Bahrain. Schon in Kurve 1 war Adrian Sutil in eine Kollision verwickelt, die ihm den Frontflügel kostete und seinen linken Vorderreifen beschädigte. "Ich konnte kaum noch lenken, konnte es aber noch retten. Wir haben alles gewechselt, das Auto war aber das ganze Rennen ein wenig beschädigt. Ich musste außerdem einen alten Frontflügel ohne das Update benutzen. Dadurch habe ich sicher drei, vier Zehntel an Downforce verloren."

Gleich am Start ging es rund., Foto: Sutton
Gleich am Start ging es rund., Foto: Sutton

David Coulthard hatte sich nach einem schlechten Start zum Ziel gesetzt, die erste Kurve zu überstehen und sich aus allem Ärger rauszuhalten. "Leider wurde ich dabei zur Billardkugel zwischen einigen Autos und klatschte hin und her." Ein Reifenschaden und einige Kampfspuren am Auto waren die Folge. Jenson Button hatte einen guten Start, machte einige Plätze gut und hatte letztlich doch nichts davon. "Ich weiß nicht, was in Kurve 5 passiert ist. Ich wurde von hinten getroffen, hatte einen Reifenschaden und musste an die Box." Das ruinierte sein Rennen.

Wie kam es zum Knall zwischen Coulthard und Button?
Coulthard und Button hatten nicht nur in der ersten Runde Pech. Später gerieten sie im direkten Zweikampf aneinander. "Ich holte David ein, er schien Probleme zu haben und ich probierte, ihn in Kurve 8 zu überholen", schilderte Button die Attacke. Der Brite machte eine Lücke aus, wollte hineinstechen "und plötzlich kam David auf die Ideallinie zurück - ich konnte nirgends hin ausweichen." Button schied aus. "Er war schneller als ich", gestand Coulthard. "Wir waren zu nah in einer Kurve und hatten einen Zwischenfall, der ihn aus dem Rennen riss und noch mehr Schaden an meinem Auto verursachte." Immerhin zersplitterte der Red Bull diesmal nicht in tausend Teile.