Melbourne mag ein Ausfallrennen gewesen sein. Manche Teams und Fahrer mögen am Saisonbeginn noch nicht ganz auf der Höhe ihres Könnens gewesen sein. Und Toro Rosso mit dem Jahreswagen auf Nummer Sicher gegangen sein, während andere Opfer ihrer technischen Risikobereitschaft geworden sind.

Aber vor Sebastien Bourdais muss man in jedem Fall den Hut ziehen. Mit einem Alonso und einem Kubica im Nacken bis kurz vor Schluss auf Rang 4 zu liegen - wohlgemerkt im Toro Rosso und beim Debüt in der Königsklasse - das war mehr als bemerkenswert. Und ich freue mich insgeheim, dass ein 28-Jähriger seine Chance in der Formel 1 bekommt und nützt.

Sebastien Bourdais legten einen blitzsauberen F1-Start hin., Foto: Sutton
Sebastien Bourdais legten einen blitzsauberen F1-Start hin., Foto: Sutton

Warum? Weil es gut für die Formel 1 ist.

Die Formel 1 hat sich in den letzten zehn Jahren mehr denn je zum Karrieregrab entwickelt. Youngsters wurden mit Anfang 20 in Autos gesetzt, in denen ohnehin die Elektronik vor dem Grenzbereich eingriff. Und diese gerade mal erwachsen gewordenen Go Kart-Jungs waren innerhalb eines halben Testtags an den Zeiten eines WM-Anwärters mit 100 Grand Prix auf dem Buckel dran.

Was das über die Formel 1 aussagt: Es ist völlig egal, wer drin sitzt. Und der junge ist immer billiger als der alte. Die Kehrseite der Medaille: Zeit zur Entfaltung gibt es keine. Und wer mit 22 nicht einschlägt, der ist mit 23 schon wieder draußen. Zweite Chance? Fehlanzeige. Denn der nächste Teenager steht schon in den Startlöchern.

Sebastien Bourdais hat im Rennen gezeigt, warum ihn Gerhard Berger unbedingt haben wollte. Doch wer den Franzosen ein wenig kennt, musste kaum überrascht sein. Ich habe die vergangenen ChampCar-Jahre sehr genau mitverfolgt. Einige Rennen habe ich selbst bei Premiere live kommentieren dürfen. Gut, ChampCar ist ChampCar (besser sollte man sagen: war ChampCar...) und nicht die Formel 1. Aber eine Serie wie Seb muss mal einer hinlegen. Vier Meisterschaften in Serie. Die Amerikaner waren Ende 2007 ganz verrückt, weil das bisher noch niemandem in einem Top-Sport gelungen ist. Weder in der NBA, der NFL noch der NHL.

Bourdais ist Siege und Titel gewohnt., Foto: Sutton
Bourdais ist Siege und Titel gewohnt., Foto: Sutton

Bourdais hatte bei ChampCar Schumi-Status. Karrieren sind an ihm zerbrochen. Ziemlich genau die Hälfte seiner Rennen hat er gewonnen. Ein ChampCar-Rennen hatte immer dasselbe Schema: wo startet der mit der Nummer 1? Und wenn es mal nicht ganz vorne war - wie lange braucht er, bis er vorne ist? Und meistens war er dann auch sehr bald weg. Entwischt für den Rest der Normalsterblichen. Er konnte in den letzten Runden vor dem Stopp ganze Extra-Sekunden aus den Reifen rausholen. Nur um vollgetankt in der Out-Lap den anderen gleich nochmals eine Sekunde oder zwei draufzupacken.

Fehler machte er nur dann, wenn er nicht dort lag, wo er sich am wohlsten fühlte: ganz vorne, meilenweit weg. Der Typ hat die anderen fertig gemacht, vor allem im Kopf. Und alle Versuche, ihn persönlich für seine manchmal reservierte Art herunterzumachen schlugen fehl. (z.B. Paul Tracy: "Ich kann das ewige Gejammere von dem French Whine nicht mehr hören." French Whine = französischer Jammerlappen) Rotes Auto, Nummer 1, Titel in Serie, übernatürlicher Speed und angepisste Kollegen. Erinnert Sie das vielleicht an etwas?

Ich behaupte: Sebastien Bourdais wird Gerhard Berger und Franz Tost noch viel Freude machen. Und in gewisser Weise ist die Fahrerpaarung 2008 genau das, was die von Anfang 2007 nicht war: zuverlässig, professionell, sauschnell und unglaublich reif. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die beiden Sebs in Gefahr geraten, vom Teamchef körperlich gezüchtigt zu werden, wie es bei Scott Speed der Fall gewesen sein soll.

Für Bourdais hat das Abenteuer Formel 1 gut begonnen., Foto: Sutton
Für Bourdais hat das Abenteuer Formel 1 gut begonnen., Foto: Sutton

Hoffentlich ist das Beispiel Bourdais ein Schritt in die richtige Richtung. Denn es gibt genügend 30-jährige da draußen, die keineswegs zu alt sind für die Formel 1. Sebastien hatte innerlich mit einer Karriere in Europa bereits abgeschlossen. Aber manche Dinge im Leben muss man halt einfach abwarten können.

Das Beispiel Bourdais ist auch ein guter Anlass, um kurz noch ein anderes Thema anzureißen: Ich bin kein Freund vor voreiligen Analysen. Leider ging mir da an diesem Wochenende wieder mal die Hutschnur hoch: Was da schon am Samstag zusammengefaselt wurde: Piquet wird natürlich ein ähnliches Schicksal erleiden wie Kovalainen (dabei kam der wegen Getriebeproblemen kaum zum Fahren, auf einer Strecke die er nicht kennt, mit einem Alonso als Messlatte, also bitte!), Honda hätte es natürlich auch heuer wieder völlig vergeigt (und lag wohl deswegen im Rennen dauernd in den Punkten), Kubica sei natürlich im Qualifying mit viel weniger Sprit unterwegs gewesen (und hat wohl deswegen fast zeitgleich mit Hamilton gestoppt), und Bourdais sei natürlich erledigt, weil er das Teamduell mit Vettel verloren hatte.

Manchmal wünschte ich mir, diverse Zeitungen und Webseiten hätten weniger Platz zu füllen. Dann bliebe viel Unsinn unveröffentlicht. Aber Gott sei Dank gilt ja immer noch: "When the flag drops, the bullshit Stops."