An allen Ecken des Fahrerlagers möchte man es den Fahrern und Teamverantwortlichen lauthals ins Gesicht schreien: "Melbourne, Australien - mitten im Albert Park!" Alle wissen sie nicht, wo sie stehen. Keiner hat einen genauen Plan davon, wie er sich im Vergleich mit der Konkurrenz aufreiht - dabei steht die Reihenfolge der Boxenverteilung schon lange fest; mit einer Ausnahme in Silber, die aus Platzgründen gleich mal von ganz hinten in die Mitte zog. Zumindest sie müssten also wissen, wo sie stehen. Aber für sie fährt nun mal keiner der fünf Deutschen - noch nicht mal die beiden Österreicher stehen für sie in der Gegend herum. Versucht hat man's im Winter aber wohl bei zwei der fünf.

The guy with the red shirt: Ja, wo steht er denn?, Foto: Sutton
The guy with the red shirt: Ja, wo steht er denn?, Foto: Sutton

Helfen wir dem deutschen Quintett also auf die Sprünge. Wo steht Timo Glock? Beim letzten Test in Barcelona wusste er darauf überhaupt keine Antwort. Das Setup stimmte ganz und gar nicht. Auch in Melbourne hatte er zunächst noch Probleme damit, das Auto richtig auf seine Bedürfnisse anzupassen, merkte aber kontinuierliche Fortschritte. "Heute hat es sich besser angefühlt als beim letzten Test, also kann ich nun ein besseres Gefühl im Auto gewinnen. Der letzte Run war nicht so schlecht, aber ich denke, alle werden sich über das Graining aufregen und das ist bei uns nicht anders."

Na dann lassen wir Sebastian Vettel klagen, wo auch immer er gerade steht. "Das war gut heute. Nicht so langweilig wie gestern. Gestern war mehr Warten, heute war mehr Fahren. Es hat Spaß gemacht." Na also. Er stand im Warteraum und ging in den Spaßraum. "Das zweite Training müssen wir genau analysieren. Wir haben da glaube ich etwas Anderes gemacht als der Rest." Aber was nur? Wo stehen sie danach? Noch weiß es niemand. "Heute sind noch alle am Probieren und morgen lassen sie dann ihre Hosen runter." In dem Raum war er also... und wo wird Vettel dann stehen - vor allen anderen Deutschen? "Der beste Deutsche wird derjenige sein, der im Qualifying am weitesten vorne steht und der am Sonntag das Rennen am weitesten vorne beenden kann." Alles klar. Er weiß auch nicht, wer wo steht.

Vielleicht weiß es Adrian Sutil. "Es war wie erwartet", sagt er viel versprechend. Force India habe Fortschritte gemacht, auf die Konkurrenz aufgeholt. "Mit Honda sind wir auf Augenhöhe, die können wir schlagen - das gilt auch für Super Aguri." Sogar im Vergleich mit Toro Rosso weiß Sutil, wo er steht. "Sie machen einen guten Eindruck, sie sollten noch vor uns sein." Und warum ist Teamkollege Giancarlo Fisichella so viel schneller? "Mit neuen Reifen hatte ich leider Verkehr, deswegen konnte ich nicht alles zeigen." Nächster Versuch gescheitert. So richtig weiß auch er nicht, wo er steht.

Hilfe, ich weiß nicht, wo ich stehe - holt mich hier raus!, Foto: Sutton
Hilfe, ich weiß nicht, wo ich stehe - holt mich hier raus!, Foto: Sutton

Der nächste Bitte. Nick Heidfeld ist ein erfahrener, zielstrebiger Pilot. Er will dieses Jahr seinen ersten GP-Sieg einfahren. Er muss doch wissen, wo er steht. Aber Pustekuchen: "Auch nach den ersten freien Trainings der neuen Saison finde ich es sehr schwer, die Leistungsverhältnisse einzuschätzen." Man müsse noch bis zum Qualifying warten. "Ich gehe schon davon aus, dass einige Autos, die jetzt in der Ergebnisliste vor uns stehen, leichter gefahren sind als wir." Zumindest vermuten kann Nick, wo er sich gerade aufhält - vielleicht wieder auf den Startplätzen 5 und 6 hinter den beiden Topteams? "Ja, das nehme ich an." Aber er weiß es eben nicht.

Deutschlands letzte Hoffnung fährt einen Williams. Wo steht Nico Rosberg? "Es war ganz schlecht; grottenschlecht." Anscheinend nicht dort, wo er gerne stehen würde. Aber das ist ja schon mal ein Anfang auf dem Weg zur richtigen Standortbestimmung. "Wir hatten nur Probleme; es war ein ganz schwacher Anfang," klagte er nach Getriebe- und Differentialproblemen. Morgen will er aber schon wieder ganz woanders stehen. "Ich glaube, dass wir etwas erreichen können", prophezeit er. Denn Nico weiß als einziger, was Sache ist: "Es sind alle da, wo man sie erwartet hat. Für uns wird es hart mit Red Bull und Renault. Vorne sind ganz klar McLaren und Ferrari." Am Ende kommt aber auch er etwas ins Straucheln: "Ich weiß nicht, wo BMW war, das habe ich nicht so klar gesehen. Ich glaube, es ist aber mehr oder weniger so, wie man es erwartet hat." Warum denn nicht gleich so?