Der Formel 1-Tross freut sich jedes Jahr aufs Neue auf Melbourne. Doch statt Party im Park heißt es für die Piloten spätestens ab Freitag wieder Vollgas im Park. Die Strecke im Albert Park ist ein 5,3 Kilometer langer Stop-and-Go-Kurs mit zahlreichen langsamen Kurven. Zu etwas Besonderem wird der Kurs, weil er teilweise über öffentliche Straßen führt, was Melbourne zu einem halben Straßenkurs à la Monaco macht. Die Geschwindigkeiten passen sich jedoch eher jenen des neuen Stadtkurses in Singapur an. Mit Topspeeds von 300 km/h und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 225 km/h rauschen die Piloten am Albert Park Lake vorbei.

Der idyllische Albert Park wird einmal im Jahr zum Highspeedtempel., Foto: Sutton
Der idyllische Albert Park wird einmal im Jahr zum Highspeedtempel., Foto: Sutton

Die langsamen Zweitegangkurven zwingen die Ingenieure jedoch zu einem Setupkompromiss: hoher Speed bei gleichzeitig maximalem Abtrieb. Die flacheren Flügel für die Highspeedpassagen kosten die Piloten Grip in den langsamen Bereichen, somit wird es für sie schwieriger aufs Gas zu steigen. Das wird dieser Tage ohne Traktionskontrolle noch kniffliger. "Hohe Priorität bei der Abstimmung des Autos genießen eine gute Traktion und eine hohe Bremsstabilität", sagt Willy Rampf. "Dieser Straßenkurs bevorzugt traditionell Fahrzeuge, die besonders agil auf Richtungswechsel reagieren und auch gute Bremseigenschaften aufweisen", fügt Bob Bell hinzu.

Erschwert wird dies durch die wellige Streckenoberfläche, die den Fahrern vor allem in einigen Anbremszonen Probleme bereitet. "Die Asphaltoberfläche ist immer etwas uneben, an diesem Punkt und beim Räubern über die Kerbs müssen wir vor Ort vermutlich noch Feinarbeit leisten", weiß Renault-Technikchef Bell. Auf der anderen Seite komme es in Melbourne aber auch immer darauf an, dass sich die Fahrer in ihren Rennwagen wohlfühlen und ein hohes Maß an Selbstvertrauen entwickeln. "Was in erster Linie auf einem harmonisch funktionierenden Setup basiert", so Bell. "Sehr wichtig ist auch eine ausreichende Bremskühlung", ergänzt BMW Sauber-Technikdirektor Rampf, "weil Melbourne nach Montréal die Strecke mit der höchsten Bremsbelastung ist."

Auch die Motoren werden im Albert Park stark gefordert. "Rund 70 Prozent der Rundenzeit werden unter Volllast gefahren, das sind über zwei Drittel einer Runde", erläutert Mercedes-Sportchef Norbert Haug. "Ein wichtiger Faktor für die Leistungsfähigkeit der Motoren ist die Fahrbarkeit." Beim ersten Saisonrennen gilt es aber auch, auf die Zuverlässigkeit zu achten. Neben den Motoren müssen ab diesem Jahr auch die Getriebe länger halten: erst nach vier Rennwochenenden dürfen sie gewechselt werden.

Da die Strecke während des Jahres nicht genutzt wird, verbessert sich der Grip im Laufe eines Wochenendes zunehmend. "Im Rennen ist die Strecke normalerweise vier oder fünf Sekunden schneller als im ersten Freien Training", verrät Honda-Tester Alex Wurz. "Darauf muss man mit dem Setup reagieren." Die Piloten kämpfen ständig gegen Untersteuern und fehlende Traktion.

Die Reifenabnutzung ist eher gering, aber: "Vor allem die Hinterreifen werden aufgrund der Streckenführung stark beansprucht", sagt Rampf, "was den Fahrern einen gefühlvollen Umgang mit dem Gaspedal abverlangt." Aufgrund der hohen Kurvengeschwindigkeiten in mehreren Kurven werden viel Energie und Hitze über die Reifen abgegeben. Die grüne Strecke mit ihrem geringen Griplevel könnte zu Graining führen, insbesondere bei der weicheren Mischung. Diese Gefahr sollte aber im Laufe des Wochenendes abnehmen.

Kurve 12 hält die Fahrer wach., Foto: Sutton
Kurve 12 hält die Fahrer wach., Foto: Sutton

Aber nicht nur Fahrzeug, Motor und Reifen müssen im Albert Park in Topform sein. Durch den Wegfall der Traktionskontrolle und der Motorschleppmomentregelung werden die Fahrer sowohl beim Anbremsen als auch beim Herausbeschleunigen besonders gefordert. Eine ganz besondere Herausforderung sind die Kurven 11 und 12. "Das ist die größte Herausforderung der Strecke", weiß Renault-Chefingenieur Pat Symonds. Dort wird Mut noch belohnt. Im Hinblick auf die Rundenzeit sind diese beiden Kurven nicht unbedingt die wichtigsten, "aber obwohl man hier nicht viel Zeit gutmachen kann, ist es extrem einfach mit einem Fehler viel zu verlieren."

Mit über 300 km/h bremsen die Fahrer Kurve 11 an. Erst am Kurveneingang geben die Betonmauern den Blick auf die folgende Kurve 12 frei. Mitte dieser Kurve neigt das Auto gerne leicht zum Übersteuern. Dann muss der Fahrer das Auto erst ausrichten, bevor er beschleunigen kann. Ein Fehler in einer der beiden Kurven kostet wichtige km/h auf der folgenden Geraden. "Und das könnte im Rennen eine Position kosten", betont Symonds. "Es ist eine Herausforderung für das Auto", stimmt Wurz zu. "Das hält dich im Cockpit ganz klar wach."