Nur ein Windkanal und noch dazu kein hypermoderner, sondern einer, in dem letztes Jahr tatsächlich die Fetzen flogen, kein Supercomputer benannt nach einem Wissenschaftsgenie, keine auf Hochglanz polierte Megafabrik, rein von den äußeren Vorzeichen, der Infrastruktur und dem Equipment ist das amtierende Weltmeisterteam Ferrari nicht der Branchenprimus.

Teams wie McLaren, BMW Sauber und Toyota sind abseits der Rennstrecke an ihnen vorbeigezogen. Auch Renault rüstete dieses Jahr für viel Geld seine Computerkapazitäten auf. Die Ferrari-Konkurrenten haben den neuesten Schnickschnack von CFD-Supercomputern bis zu mehreren 1:1-Windkanälen. Sogar Honda soll besser ausgerüstet sein als Ferrari, das sagte Ex-Ferrari-Mann Ross Brawn bei seinem Amtsantritt in Brackley. Doch die Anlagen sind in der F1 nicht immer entscheidend; Geld kann eben doch keinen Erfolg garantieren - richtig eingesetzt sehr wohl aber erleichtern.

Albert² zum Mitnehmen: Ferraris elektronische Boxenstoppampel., Foto: Sutton
Albert² zum Mitnehmen: Ferraris elektronische Boxenstoppampel., Foto: Sutton

An Budget mangelt es bei Ferrari nicht. Manchmal nur an Staubsaugern, um das viele weiße Pulver wegzusaugen. In der F1 kann ein Team das viele Geld auch für andere Dinge ausgeben; Dinge, die bei Ferrari vom Allerfeinsten sind. Etwa zwei Teststrecken, die Fahrerpaarung mit einem Weltmeister und einem talentierten Teamkollegen oder das Auto, das 2007 beide Titel einfuhr und dieses Jahr noch besser zu sein scheint.

Das Team Nach einem Jahr Übergangsphase ist Italien endgültig an der Macht: Jean Todt hat seinen Interimsposten als Teamchef geräumt, ist momentan nur noch als CEO aktiv. An seiner Stelle haben Stefano Domenicali, Mario Almondo und Aldo Costa das Sagen. Zusammen mit Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo ist somit fast ganz Maranello in italienischer Hand. Nur ein Franzose wehrt sich noch standhaft: Gilles Simon hat die Motorenabteilung unter seiner Fuchtel.

Die vielen Italiener an entscheidenden Positionen im Organigramm ließen einige Experten befürchten, dass das Chaos wieder Einzug halten könnte. Doch Domenicali & Co haben Jahre lang unter Todt, Brawn und Byrne gelernt - sie wissen, worauf es ankommt. Zudem gab es diese Befürchtungen schon vor der letzten Saison, denn bereits damals übernahmen diese Drei das Kommando auf der Ferrari-Brücke. Diese wurde aufgrund des Spionageskandals noch einmal verstärkt abgesichert, die Werkssicherheit erhöht - womöglich hat man nun mehr Staubsauger und weniger Kopierer im Haus.

Der Weltmeister geht noch cooler ins neue Jahr., Foto: Sutton
Der Weltmeister geht noch cooler ins neue Jahr., Foto: Sutton

Das Auto Das erste Rennen hat Ferrari schon gewonnen. Nicht nur, wenn es nach den Weissagungen von Jarno Trulli geht, der den Roten sogar schon den WM-Titel zusprach (und es eine Woche später wieder ganz anders sah). Auch bei den Fahrzeugpräsentationen hatte Ferrari die rote Fahrzeugnase vorne - mit einem Vorsprung von knapp 24 Stunden.

Auf den ersten Blick hatte sich am Auto nicht viel verändert, wie üblich prangten noch die alten Flügel am Auto. Chefdesigner und Zeichenfreaks maßen zumindest den Radstand nach: dieser wurde im Vergleich zum F2007 verkürzt. Damit sollen gleich zwei Spione mit einer Klappe geschlagen werden: der F2007 hatte Probleme in langsamen Kurven, auf langsameren Strecken wie Budapest und Monaco, da mit Valencia und Singapur zwei weitere Stadtkurse in den Rennkalender aufgenommen wurden, soll der kürzere Radstand das Auto auch dort konkurrenzfähiger machen, ohne zugleich die Stärken des Boliden abzuschwächen. Theoretisch klingt das Erfolgversprechend.

Praktisch war es das bei den Wintertests ebenso. Vor allem die Long Runs der Roten beeindruckten. Der F2008 geht schonender mit den Reifen um als der McLaren, der seinerseits auf einer Runde immer mehr zulegte - dort scheinen Ferrari und McLaren gleichauf zu liegen. Im Laufe der Tests wurde Ferrari von einigen technischen Problemen geplagt, was schon 2007 die Achillesferse der Scuderia war. Beim Test in Bahrain streikte das neue Getriebe mehrmals. Dieses muss bekanntlich ab sofort vier Rennwochenenden überstehen, sonst droht eine Strafversetzung um 5 Startplätze.

Felipe Massa will es 2008 allen zeigen., Foto: Sutton
Felipe Massa will es 2008 allen zeigen., Foto: Sutton

Neben Ferrari war nur Toyota in Bahrain unterwegs. Dort konnten beide unter besseren, da wärmeren Bedingungen für längere Zeit testen als ihre Kollegen im kühlen und verregneten Südeuropa. Zudem gab es bei nur vier Autos auch weniger Testunterbrechungen, die angesichts des Verbots der Traktionskontrolle und der Einführung der Einheitselektronik diesen Winter ohnehin zunahmen. Den Rote-Flaggen-Rekord hält diesen Winter jedoch die GP2, die bei ihrem Test in Barcelona allein an einem Vormittag 14 davon fabrizierte.

Apropos Traktion: auch ohne elektronische Kontrolle hat der Ferrari eine extrem starke Traktion, die Jarno Trulli und Timo Glock beim kurzen Hinterherfahren die Augen aus dem Helm fallen ließen. Dennoch meckerte Ferrari viel und laut über die Einheitselektronik aus dem Hause McLaren Electronic Systems. McLaren genieße dadurch einen Vorteil, hieß es. Durch den frühen Testbeginn hatten die Roten jedoch kaum Probleme damit, auf jeden Fall viel weniger als andere Teams.

Die Fahrer Von Bayern München würden sich viele Bundesligaclubs den einen oder anderen Ersatzspieler von der Bank oder gar der Tribüne wünschen. Die Ferrari-Konkurrenten würden sich genauso mit dem Testfahrer und Berater der Scuderia zufrieden geben. Wer hätte nicht gerne einen Michael Schumacher als Rotations-Testersatz für kranke oder pausierende Stammpiloten? Noch scheint der Rekordweltmeister dem Team mit seinen Aussagen über das Auto und seiner Fitness helfen zu können.

Michael Schumacher kann es einfach nicht lassen., Foto: Sutton
Michael Schumacher kann es einfach nicht lassen., Foto: Sutton

Kimi Räikkönen nimmt das gelassen hin. Er ist jetzt Weltmeister, alles andere ist für ihn eine Zugabe. Mit dem WM-Schub im Rücken kann er noch entspannter und motivierter in seine zweite Ferrari-Saison gehen. Er fühlt sich im Team wohl, kennt jetzt die Ingenieure und das Auto. Dieses wurde sogar mehr seinem Geschmack angepasst, so dass er noch besser damit klarkommen sollte. Wenn der Iceman noch cooler in die Saison geht, kann ja nicht mehr viel schief gehen...

Felipe Massa ist hingegen heiß. Heiß auf Siege und Titel. Er will allen beweisen, dass er seine WM-Chance 2007 nur wegen zu vieler Defekte verloren hat - daran klammert er sich noch immer, das betont er immer wieder. Massa ist schnell und macht weniger Fehler als früher, hin und wieder kommt aber doch der überaggressive Brasilianer durch. Zum Beispiel bei seinen Auseinandersetzungen mit Fernando Alonso - auf und neben der Strecke.

Ferrari - Hausaufgaben gut gemacht?*

Pluspunkte Minuspunkte
+ starke Tests
+ Traktion
+ Long Runs
+ Reifenumgang
- Abgang Jean Todt
Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose
Absolute Tagesbestzeiten, überragende Long Run-Zeiten, nur ein paar technische Defekte trübten das ansonsten knallrote Bild. Ferrari ist bereit für den Saisonstart. Note: 1 Trotz aller Euphorie über die guten Testergebnisse treten die Roten auf die Euphoriebremse, und das zurecht. McLaren war auf einer Runde nah dran, nur über die Distanz zogen sie den Kürzeren. Das Duell Rot gegen Silber wird also auch 2008 spannend - und verdammt eng.

* Hausaufgaben gut gemacht ist seit 2001 die traditionelle Saisonvorschau auf motorsport-magazin.com/f1welt.com. Die vergangenen 7 Jahre ergeben noch nicht ganz 760 Seiten, aber total viele Kopien sollen dieses Jahr gesichtet worden sein...