Alonso ist die Messlatte. Wenn er nicht schnell ist, ist das Auto nicht gut. So einfach ist die Formel 1 Saison 2008 aus Sicht von Flavio Briatore. Früher sprach man vom Schumacher-Faktor, jetzt zählt Renault auf den Alonso-Faktor. Der Druck auf das ehemalige Weltmeisterteam und den ehemaligen Weltmeister wird dadurch nicht geringer.

Das Vorjahr verlief für beide frustrierend. Alonso kämpfte zwar bis zuletzt um den Fahrertitel, doch hatte er den Kampf gegen sein Team bereits verloren. Renault kämpfte verzweifelt um den Anschluss an BMW Sauber, zog aber genauso den Kürzeren. Die Formel 1 verläuft in Zyklen, heißt es immer wieder. Demnach erwischte Renault nach den beiden Weltmeisterjahren 2005 und 2006 einen Ausreißer wie ihn Ferrari 2005 erlebte. Die Roten schlugen 2006 zurück, meldeten sich wieder an der Spitze. Mit dem Namen Benetton erlebte die Truppe von Flavio Briatore das auch schon einmal: nach zwei Schumacher-Titeln 1994 und 1995 ging es ab 1996 bergab. Erst mit Fernando Alonso ging es knapp zehn Jahre später wieder bergauf. Verläuft die Formel 1 auch diesmal in Zyklen?

Renault will wieder zurück an die Spitze., Foto: RenaultF1
Renault will wieder zurück an die Spitze., Foto: RenaultF1

Das Team Trotz der enttäuschenden Vorsaison setzt Renault beim Personal auf Kontinuität. Nur Aerodynamikchef Dirk de Beer wurde von BMW Sauber geholt. Ansonsten blieb die Technikerriege unverändert, und zwar unverändert gut. Immerhin hat das gleiche Designteam zwei Weltmeisterautos entworfen. Bei den Fahrern ging man einen anderen Weg. Beide Stammfahrer mussten gehen. Statt in Personal investierte Renault in das Equipment. Eine neue Computeranlage ähnlich Albert² soll dem Team wieder Aufschwung bringen.

Um das erklärte Ziel zu erreichen, wieder an die Weltspitze zurückzukehren, musste Renault drei Probleme beheben. 2006 kämpfte man bis zum Schluss um den WM-Titel, wollte Michael Schumacher und Ferrari unbedingt bezwingen, dafür opferte man Entwicklungsressourcen für den 2007er Wagen - das machte sich bemerkbar. Noch schwerer wogen zwei andere Punkte. Das Team verkraftete den Wechsel von Michelin- auf Bridgestonereifen nicht so gut wie andere. Erst spät bekam man Daten von Bridgestone. Im Windkanal wurden sogar falsche Räder montiert. Das führt zum nächsten Problem: Die Aerodynamik des R27 war zu schwach. Die Daten aus dem Windkanal wurden auf der Strecke nicht bestätigt.

Das Auto All das mussten Bob Bell & Co über den Winter besser machen. Noch stapelt Alonso aber tief. Er sieht eine Siegchance von 30%, erwartet weder Siege noch Podiumsplätze in den ersten Rennen. Beim Fahrzeuglaunch sah er Renault über eine Sekunde hinter der Spitze, kurz vor Testende hatte man den Rückstand laut Alonso wenigstens halbiert. Flavio Briatore rechnet erst beim Europaauftakt mit einem konkurrenzfähigen Paket und neuen Teilen. Bis dahin müsse man sich durchmogeln und den Abstand nicht zu groß werden lassen.

Alonso ist die klare Nummer 1, Piquet muss lernen und sich fügen., Foto: RenaultF1
Alonso ist die klare Nummer 1, Piquet muss lernen und sich fügen., Foto: RenaultF1

Im Gegensatz zum Vorjahr konnten sich die Ingenieure schon früh auf die Entwicklung des R28 konzentrieren, die Ressourcen schon zur Saisonmitte 2007 auf das neue Jahr bündeln - das desaströse Jahr hatte also wenigstens etwas Gutes. Beim ersten Test setzte Fernando Alonso gleich ein Ausrufezeichen - erst mit dem alten, dann mit dem neuen Auto. Danach versank Renault etwas in der Versenkung. Durchschnittliche Gesamtzeiten ließen sie weiter hinter McLaren und Ferrari zurückfallen, aber auch hinter die Überraschungen der Wintertests Williams und Red Bull.

Einige Experten sahen darin einen Bluff der Franzosen: sie seien mit viel mehr Sprit unterwegs gewesen, könnten viel schneller fahren. Um mit den zwei Topteams mitzuhalten, dürfte es zu Saisonbeginn dennoch nicht reichen. Die auffälligste Änderung am Renault ist die Umstellung vom V-Keel auf den No-Keel. Vor einigen Jahren hatte Renault diese Vorderradaufhängungsvariante salonfähig gemacht, jetzt muss sie den Ansprüchen weichen. Laut Alonso hat man auch noch immer Probleme, sich auf die Bridgestone-Reifen einzuschießen. Mittlerweile sollte das Team jedoch genügend Daten haben, um dies zu lösen. Vielleicht also wirklich nur ein Bluff?

Die Fahrer Vor einem Jahr sagte Fernando Alonso, dass er McLaren fünf bis sechs Zehntel über den Wintergebracht habe. Bei Renault sollen es nun drei Zehntel gewesen sein. Ob das stimmt, wird sich erst in Melbourne zeigen. Beim ersten Test mit dem Vorjahreswagen fuhr Alonso auf Anhieb Bestzeit, doch so gut ist selbst der Doppelweltmeister nicht, dass er den R27 nur durch seine bloße Anwesenheit plötzlich zum Siegerwagen gemacht hätte.

Bekommt Renault 2008 die Kurve zum Guten?, Foto: RenaultF1
Bekommt Renault 2008 die Kurve zum Guten?, Foto: RenaultF1

Sein Einfluss auf das Team ist trotzdem unbestritten: nach den Enttäuschungen von 2007 ging ein Ruck durch die Mannschaft. Die Motivation ist wieder da, man will es wieder allen zeigen. Dabei scheint sogar vergessen zu sein, dass Alonso nicht unbedingt im Allerbesten von Renault schied. Zwar wurde er 2006 noch einmal Weltmeister mit dem Team, warf diesem an den letzten Rennwochenenden allerdings auch vor, dass er manchmal nicht die volle Unterstützung erhalten hätte. Ist das Vertrauen ins Team und in Alonso zurück? Flavio Briatore dürfte dafür sorgen, dass es so sein muss. Denn Nelson Piquet jr. sagt nicht umsonst: "Flavio liebt Alonso."

Gegen einen Doppelchampion und Teamchefliebling wird der brasilianische Rookie kaum Land sehen. Eine Wiederholung des Falles Hamilton wird es bei Renault nicht geben. Immerhin erhielt Alonso in seiner alten Heimat, was er bei McLaren vermisste: die Nummer 1-Stellung. Dafür ruderte Pat Symonds sogar öffentlich zurück und sagte, dass er seine Meinung geändert habe und es das Beste für ein Team sei, eine klare Nummer 1 im Team zu haben. Die heißt Alonso.

Piquet kommt mit der Erfahrung von über 10.000 F1-Testkilometern in die Formel 1, aber sein Ruf ist nicht so gut wie der seiner GP2-Vorgänger Lewis Hamilton, Nico Rosberg und Heikki Kovalainen. Auch im Team ist Piquet nicht überall so heiß geliebt wie Flavios Liebling. Nelsinho wurde GP2-Vizemeister hinter Hamilton, unterlag im Laufe der Saison aber einigen Leistungsschwankungen. Auch seine Fähigkeiten als Fahrzeugentwickler müssen nach den Negativerfahrungen mit dem neuen GP2-Boliden, den er im letzten Jahr ein paar Mal testen durfte, in Frage gestellt werden. Bei den ersten Tests in den letzten Wochen passte einiges nicht zusammen. Piquet hat zweifelsohne Talent und Speed, aber dürfte noch kein Gegner für Alonso sein - schon gar nicht in dessen Team.

Die Last der Weiterentwicklung entfällt klar auf den Spanier. Denn auch die Testfahrer gehören der jungen Garde an: Lucas di Grassi und Romain Grosjean bringen nur GP2- respektive F3-Erfahrung mit. Alle Last liegt auf Alonso. Aber das wollte er ja, er wollte im Mittelpunkt stehen, die Nummer 1 sein. Jetzt muss er Renault wieder dahin bringen, wo sie schon einmal waren, als er sie für sein silbernes Abenteuer verließ. Der Zyklus beginnt von vorne.

Renault - Hausaufgaben gut gemacht?*

Pluspunkte Minuspunkte
+ Fernando Alonso
+ WM-Erfahrung
+ Technikteam
- Rückstand aus 2007
- hoher Erfolgsdruck
Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose
Durchschnittliche, aber nicht herausragende Testzeiten, einige technische Defekte, Renault erlebte befriedigende Wintertests. Das große Ausrufezeichen setzten sie aber nie. Note: 3 Wer im Vorjahr nur WM-Vierter wurde, gilt nicht automatisch als WM-Favorit; selbst als ehemaliges Weltmeisterteam. Mit der Rückkehr von Fernando Alonso bestätigt Renault seine Ansprüche und Ziele, nämlich ein Spitzenteam zu sein, das den WM-Titel gewinnen möchte. Doch dafür dürfte es 2008 noch zu früh sein. Im Laufe des Jahres könnten sie aber den Anschluss an die Spitze finden.

* Hausaufgaben gut gemacht ist seit 2001 die traditionelle Saisonvorschau auf motorsport-magazin.com/f1welt.com. Die vergangenen 7 Jahre ergeben noch nicht ganz 760 Seiten, aber total viele Kopien sollen dieses Jahr gesichtet worden sein...