Ein mehrfacher Champion, ein angeblich angehender Superstar, Ferrari-Motoren, ein Auto aus der Feder von Stardesigner Adrian Newey - damit kann fast nichts schief gehen. Von so einer Kombination träumen viele Formel 1-Rennställe. Und kaum jemand würde diese Traumkombination bei der Scuderia Toro Rosso vermuten. Geschweige denn bei einem Team, das früher unter dem Namen Minardi Jahr für Jahr beinhart um das Recht kämpfte, von den Großen eine Saison lang vier bis fünf Mal pro Rennen überrundet zu werden.

Der neue STR3 lässt noch auf sich warten., Foto: Hartley/Sutton
Der neue STR3 lässt noch auf sich warten., Foto: Hartley/Sutton

Diese Zeiten sind lange vorbei. Sowohl der typische Minardi-Charme als auch die chronische Geld- und Erfolglosigkeit sind Geschichte. An ihre Stelle traten eine solide Finanzierung seitens Red Bull und eine ansteigende Formkurve bis ins super enge Mittelfeld. Ein bisschen vom alten Minardi-Charme steckt doch noch in der nicht mehr ganz so kleinen Truppe aus Faenza. Nur Colin Kolles will sich davon ganz und gar nicht verzaubern lassen.

Das Team Hinter den Kulissen gab es im Winter kaum Veränderungen, nur ein Renningenieur wurde ausgetauscht. Die Verantwortung tragen noch immer Gerhard Berger, Franz Tost und Giorgio Ascanelli. Nach zwei Jahren hat sich das Team aufeinander eingespielt, die starken Ergebnisse des letzten Saisondrittels 2007 gaben einen weiteren Motivationsschub für das neue Jahr. Der als schwierig geltende Scott Speed und der erst zu spät erwachte Tonio Liuzzi sind weg, mit Sebastian Vettel und Sebastien Bourdais kamen neuer Schwung, neue Motivation und neuer Spaß ins Team.

Das Auto Ein neues Auto fehlt noch zum Glück. Der STR3 wird erst nach den ersten vier Rennen beim zweiten Europalauf in der Türkei debütieren. Bis dahin müssen sich die Piloten mit einem verbesserten Vorjahreswagen begnügen. Bei den Wintertests genügte ihnen das, um regelmäßig für Überraschungen in den Zeitenlisten zu sorgen. Auch für die ersten Rennen sind die Fahrer zuversichtlich: die große Erfahrung mit dem bekannten Wagen und die erprobte Zuverlässigkeit sollen eine Hilfe auf dem Weg zu ein paar Pünktchen zwischen Melbourne und Barcelona sein. Denn die Konkurrenz könnte in diesem Zeitraum noch einige Kinderkrankheiten mit den neuen Boliden haben.

Sebastian Vettel muss die nächste Schritte zu möglichen Erfolgen machen., Foto: Sutton
Sebastian Vettel muss die nächste Schritte zu möglichen Erfolgen machen., Foto: Sutton

Danach muss das Debüt des STR3 aber zügig und problemlos über die Bühne gehen. Denn während die anderen Teams ihre Autos immer besser verstehen werden, immer mehr ans Optimum heranrücken und neue Teile anbauen, steht die Entwicklung am STR2B still - neue Aeroteile für den Saisonauftakt? Fehlanzeige. Die guten Testplatzierungen könnten sich also bald in Luft auflösen. Ganz zu schweigen davon, dass der STR3 auf Anhieb standfest sein muss - viel Zeit zum Auskurieren etwaiger Probleme gibt es nicht. Immerhin konnte Toro Rosso in der Winterpause so viel testen wie noch nie in der Teamgeschichte - als Minardi war Tests ein Fremdwort und als STR waren die Testfahrten in den ersten beiden Jahren ebenfalls eingeschränkt. Diesmal war man schlimmstenfalls nur mit einem Auto vor Ort, aber wenigstens war man testen.

Das Auto basiert auf dem RB4 des Schwesterteams; wird aber wie gewohnt über Red Bull Technologies eingekauft und inhouse durch eigene Entwicklungen aufgepeppt. Wer sagt da etwas von Kundenautos? Die Basis scheint zu stimmen: Der RB4 zeigte bei den letzten Tests eine steil ansteigende Formkurve.

Die Fahrer Wenn man nur nach den Vornamen geht, ist die Fahrerwahl nicht sehr einfallsreich - umso mehr war es die Presseabteilung: Seb & Seb sind da. Der deutsche Seb, German Seb, Seb V. oder Herr Sebastian Vettel ist schon bekannt im Team, als Red Bull Junior sogar im ganzen Konzept des Dosenkonzerns. Er ist auch der einzige Red Bull-Junior, der 2008 F1-Rennen für Dietrich Mateschitz bestreiten wird. Die anderen drei Red Bull-Autos fahren Onkel David, Aussie Mark und der französische Seb, French Seb, Seb B. oder Monsieur Sebastien Bourdais.

French Seb hat es endlich geschafft: in die Formel 1., Foto: Sutton
French Seb hat es endlich geschafft: in die Formel 1., Foto: Sutton

Vettel bringt gerade einmal die Erfahrung aus acht Grand Prix mit, einen für BMW Sauber, sieben für Toro Rosso als Ersatz für Scott Speed. Diesen vertrat er mehr als würdig. Trotz seiner fehlenden Erfahrung und jungen Jahre brachte er neuen Schwung ins Team. In Fuji wurde dieser zwar von Mark Webbers Heck gebremst, aber nur eine Woche später brachte Sebastian (damals gab es ja nur einen) das Team mit Platz 4 zum Jubeln. Dennoch muss er diese Saison weiter lernen. Toro Rosso ist das perfekte Team dafür.

Auch der andere Seb muss viel lernen - über sein Team, sein Auto, die Rillenreifen, die Formel 1. Als vierfacher ChampCar-Meister (und zwar in Folge) hat er sich seine späte F1-Chance aber redlich verdient. Lange genug gewartet hat der ehemalige F3000-Meister darauf. Auch wenn die ChampCar-Serie in den letzten Jahren nicht unbedingt den Höhepunkt ihres Seins erlebte, kommt Bourdais nicht als unbedarfter Rookie in die F1. Bei Toro Rosso kann er ohne großen Druck, ohne hohe Ansprüche lernen. Andere ChampCar-Piloten sind am Wechsel über den großen Teich gescheitert, aber French Seb ist eben kein normaler ChampCar-Pilot, er fuhr schon vorher in Europa, nur hat ihn da niemand wahrnehmen wollen. Ein Problem könnte Toro Rosso trotzdem blühen: die beiden Sebs weisen zusammen gerade einmal 8 Grand Prix F1-Erfahrung auf. Darunter könnten die Weiterentwicklung des Autos und die Setuparbeit leiden.

Toro Rosso - Hausaufgaben gut gemacht?*

Pluspunkte Minuspunkte
+ Motivation
+ Einfallsreichtum
+ gute Tests mit altem Auto
+ viel versprechende Fahrerpaarung
- noch kein neues Auto
- technisch abhängig von Red Bull
- geringes Budget
- F1 unerfahrene Piloten
Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose
Gute und für das Team ungewohnt viele Tests. Sogar eine Überraschungsbestzeit für German Seb war dabei - genau genommen sogar eine STR-Doppelführung. Von Siegen darf deshalb aber niemand träumen. Note: 3 Der Saisonbeginn mit dem Vorjahresauto kann in beide Richtungen ausschlagen: Vorteil aufgrund besserer Zuverlässigkeit oder Nachteil aufgrund fehlendem Speeds. Danach kommt es darauf an, wie schnell STR das neue Auto versteht und standfest macht. Über fehlende Erfahrung mit dem STR2 klagte man schon 2007 - damals bekam man das Auto jedoch schon einen Monat vor Saisonbeginn. Ein paar Pünktchen sollten aber auf alle Fälle drin.

* Hausaufgaben gut gemacht ist seit 2001 die traditionelle Saisonvorschau auf motorsport-magazin.com/f1welt.com. Die vergangenen 7 Jahre ergeben noch nicht ganz 760 Seiten, aber total viele Kopien sollen dieses Jahr gesichtet worden sein...