Jeder will gewinnen, niemand gönnt dem anderen den Sieg. 22 Freunde sollt ihr sein? Nicht in der Formel 1. Oder doch? Adrian Sutil, Lewis Hamilton und Nico Rosberg bewiesen in ihrer ersten gemeinsamen Formel 1-Saison das Gegenteil. Es gibt ihn doch, den Freund im anderen Team. Nach den ersten Rennen flogen die drei ehemaligen Formel 3-Kollegen zusammen in den Urlaub.

"Es kann Freundschaften in der F1 geben", sagte Sutil damals. Im Titelkampf, im direkten Zweikampf auf der Strecke kenne man keine Freunde, könne niemanden absichtlich vorbeilassen, "aber man kann sich trotzdem abseits der Strecke mit ein paar Fahrern gut verstehen." In den folgenden Monaten seiner ersten Formel 1-Saison als Stammfahrer erlebte Sutil vieles, nur die ganz großen Freundschaften gehörten nicht dazu. "Es ist nichts Familiäres mehr drin, es ist nichts Freundschaftliches dabei", sagte ein gereifter Sutil vor dem Beginn seiner zweiten Saison.

Die Lockerheit des Formel 3-Fahrerlagers ist im Haifischbecken F1-Paddock vollkommen unbekannt. Sutil vermisst es, von einem Team zum anderen zu gehen, mit den anderen Fahrern und Teammitgliedern zu sprechen. Zum einen fehlt ihm in der F1 schlichtweg die Zeit dafür. Der straffe Zeitplan mit Fahren, Debriefen und PR-Terminen lässt ihm kaum Raum für andere Aktivitäten. Zum anderen würden die Spekulationen der Gerüchteköche schnell hochkochen, wenn Sutil bei Renault oder Ferrari ein- und ausgehen würde.

Freunde im Leben, aber auf der Strecke gibts Saures., Foto: Sutton
Freunde im Leben, aber auf der Strecke gibts Saures., Foto: Sutton

In seiner F3-Zeit konnte er eine Stunde am Setup basteln und sich danach mit den anderen Fahrern treffen, "eine gute Zeit" haben. Jetzt ist er in der harten F1-Welt. "Man muss extrem aufpassen, was man sagt", hat Sutil gelernt. Und: "Freunde hat man keine hier. Vertrauen kann man hier Wenigen." Stattdessen müsse man selbst seinen Weg gehen, dürfe sich nicht ablenken lassen. Die F1 eine Welt nur für Egoisten? "Jeder will nur das Beste für sich herausholen", sagt Sutil. "Keiner wird versuchen, einem anderen großartig zu helfen. Jeder schaut zunächst auf seine Sachen, das habe ich gelernt." Dann wiederholt er Fox Mulders Lebensmotto: "Vertrauen kann man fast niemandem; richtige Freunde findet man hier nicht."

Den nötigen Rückhalt bekommt er zuhause durch seine Familie und Freunde. "Richtige Freunde", betont er. Seinem Team, seinen Mechanikern und Ingenieuren vertraut er natürlich, "sie arbeiten für mich, wir wollen gemeinsam Erfolg haben, haben das gleiche Ziel", sagt er. "Sie haben also auch etwas davon." Richtige Freundschaft definiert er allerdings anders.

Nick Heidfeld und Robert Kubica wird gerne von manchen Medien ein gestörtes Verhältnis angedichtet. Trotz einiger harter Zweikämpfe zwischen den beiden Teamkollegen wiegelt Heidfeld ab: Natürlich störe es ihn, wenn sein Teamkollege schneller sei als er, denn auf der Rennstrecke möchte jeder selbst der Bessere, der Beste sein. Dann könne es schon einmal zu harten Duelle kommen, wie zum Beispiel im letzten Jahr am Nürburgring. Neben der Strecke verstehen sich Kubica und Heidfeld aber sehr gut, das betonen beide immer wieder - sogar glaubwürdig. Auch wenn Heidfeld nicht weiß, welchen Drink er dem Polen in einer Bar spendieren müsste. So weit geht die Freundschaft dann doch nicht. Das ist wohl aber auch eher das Metier des amtierenden Weltmeisters.

Ralf Schumacher gegen Juan Pablo Montoya, Jenson Button gegen Jacques Villeneuve, Lewis Hamilton gegen Fernando Alonso, in der jüngeren Vergangenheit gibt es viele Beispiele von Inteamfeinden. Doch es gibt auch das genaue Gegenteil: Jarno Trulli und Fernando Alonso verband bei Renault eine echte Freundschaft. "Zwischen mir und Fernando klappte es auf Anhieb", erinnert sich der Italiener. "Er verbrachte viel Zeit mit mir, wahrscheinlich weil er wie ich ein Südländer ist. Wir hatten viel Spaß zusammen, vor allem aber wurden wir Freunde." - "Echte Freunde", betonte Alonso damals.

Im Cockpit gibt es keine Freunde., Foto: Sutton
Im Cockpit gibt es keine Freunde., Foto: Sutton

Aber wie kam es dazu? "Ich denke, vor allem weil wir so viel Ärger mit dem Auto hatten", begründete Trulli seinerzeit. "Das klingt jetzt paradox, aber es stimmt." Selbst als es besser lief, verspürten die beiden nicht jene Rivalität wie andere Stallgefährten. "Um ehrlich zu sein, fühle ich mich manchmal wie sein großer Bruder", sagte Trulli. "Es gibt keine Gerüchte, abfälligen Bemerkungen und Psychospielchen", freute sich Alonso damals. "Das respektiere ich an Jarno." Das sollte einige Jahre später bei einem anderen Team, mit einem anderen Teamkollegen ganz anders sein.

Beim Renault-Launch Ende Januar wollte Alonso nichts mehr zu seiner McLaren-Zeit und Lewis Hamilton sagen. Nach einigen Wochen des Nachhakens gab er dennoch nach: die Beziehung zu Hamilton sei genauso wie vorher - "nicht existent." Er glaube nicht, dass es viele Freunde unter den F1-Fahrern gebe. "Wir haben viel Respekt füreinander. Manchmal sagen wir hallo, wir schütteln uns die Hände oder sprechen über Rennen, wenn wir uns treffen. Wir gehen aber nicht gemeinsam Abendessen oder ins Kino; nicht mit Kimi, nicht mit Massa, nicht einmal mit Piquet."

Das Verhältnis zu seinem Teamboss ist ganz anders. "Flavio liebt Fernando", gesteht Nelsinho Piquet. Briatore selbst hat aber nicht nur seinen Zögling als Freund. "In den vergangenen 20 Jahren sprach ich zumindest fünf oder sechs Mal am Tag mit Bernie." Nicht nur über den Fußballclub, den Ecclestone und Briatore gemeinsam gekauft haben. "Wir sind im gleichen Geschäft, wir reisen gemeinsam, er ist mein bester Freund. Was auch immer ich mache, Bernie ist immer ein Teil davon. Wir haben ein gutes Verständnis füreinander."

Mit den Bigbosses lebt es sich also leichter. Fernando und Flavio, Ralf Schumacher und Vijay Mallya, dem Ralf sogar den "Freundschaftsdienst" erwies und ein nicht wirklich verlockendes Auto testete - oder wollte er etwa doch das Cockpit haben? Sein Bruder Michael wollte es ganz bestimmt nicht. Schließlich darf der einen Ferrari testen, wann immer es ihm danach gelüstet. Unter anderem weil auch er ein fast schon väterliches Verhältnis zu seinem Ex-Teamboss besitzt. "Du bist ein treuer Freund. Es gibt Menschen, die sagen, du seist kalt, distanziert. Ich kenne dich anders. Als jemanden, der Menschen respektiert. Der da ist, wenn er gebraucht wird. Meist im Stillen", sagte Jean Todt einmal über Michael Schumacher. Wenn also heute Michael Schumacher einer Zeichentrickfigur die Rennfahrerstimme leiht, ist auch die Stimme seines Freundes Jean an der Boxenmauer nicht weit - gute Freunde kann eben niemand trennen.