Takuma Sato hängt im Getriebe von Fernando Alonso. Auf der langen Geraden zieht er links aus dem Windschatten des McLaren heraus, bremst sich außen in der Schikane am Silberpfeil vorbei und fährt als Sechster schon mit einem kleinen Vorsprung an der Wall of Champions vorbei in Richtung Ziellinie. Nicht nur auf den Tribünen in Montreal riss diese Szene die Fans von den Sitzen. Natürlich waren die Reifen des Spaniers im Gegensatz zu jenen des Japaners am Ende, doch für die begeisternden Zuschauer zählte nur eins: Super Aguri hatte McLaren geschlagen, Sato hatte den Doppelweltmeister Alonso überholt.

Aguri Suzukis Team kämpft mal wieder ums Überleben., Foto: Sutton
Aguri Suzukis Team kämpft mal wieder ums Überleben., Foto: Sutton

Nach diesem Meisterstück wiederholte Geschäftsführer Daniele Audetto eine seiner Aussagen aus der Winterpause: "Wir können 2008 Rennen gewinnen." Das hatte er bereits im Dezember 2006 prophezeit. Satos sechster Platz in Kanada sollte seine Prognose untermauern, Super Aguri machte schon im zweiten Jahr riesige Schritte nach vorne. Doch spätestens Ende 2007 holte sie die Vergangenheit ein, vor der Saison 2008 wird niemand bei Super Aguri von Siegen sprechen, stattdessen werden alle froh sein, wenn das Team überhaupt am Start sein sollte. Der Hauptgegner sind die Finanzen, erst in zweiter Linie Force India und vielleicht auch wieder das Schwesterteam Honda. Aber dafür muss Super Aguri erst einmal mitfahren...

Dabei könnte alles so schön sein. Super Aguri ist das letzte kleine, sympathische Privatteam vom Schlage des heiß geliebten Minardi Rennstalls. Super Aguri hat zwei Jahre lang bewiesen, dass man in der Formel 1 doch noch etwas mit eisernem Willen, unendlichem Einsatz und einer ebenso talentierten wie motivierten Truppe erreichen kann. In der letzten Saison waren das vier WM-Punkte. Das sind immerhin viermal so viele Punkte wie sie Midland, Spyker und Force India in zwei Saisons eingefahren haben.

Die Transporter reisten meist unverrichteter Dinge wieder ab., Foto: Sutton
Die Transporter reisten meist unverrichteter Dinge wieder ab., Foto: Sutton

Das Team Bei den Entscheidungsträgern hat sich über den Winter nichts verändert, aber im Hintergrund machte Super Aguri mit Entlassungen in der ohnehin nicht gerade üppig besetzten Fabrikbelegschaft Negativschlagzeilen. Zudem verlor man wichtige Sponsoren (wozu bei ihnen jeder zählt) und fand bislang keinen Ersatz. Keine Sponsoren, kein Geld, eine ungewisse Zukunft - so sieht die Welt des kleinen japanischen Teams zwei Wochen vor Saisonbeginn aus. Angesichts dieser Probleme erscheinen die weiter andauernden Streitereien wegen der Kundenautothematik wie eine unwichtige Kleinigkeit. Derzeit verhandelt Teambesitzer Aguri Suzuki mit Partner Honda und drei potenziellen Investorengruppen, sogar ein kompletter Verkauf des Teams wird nicht ausgeschlossen.

Das Auto Erst wurde die Präsentation des neuen Autos abgesagt, dann der gesamte Test - und nicht nur dieser. Insgesamt absolvierte Super Aguri zwischen November und Februar gerade einmal elf Testtage. Sieben davon agierte das Team als Hondas Nachwuchstestteam. Um das Testkilometerlimit zu umgehen, testete Honda seine drei Nachwuchspiloten Zuber, Filippi und Conway nicht im Werksteam, sondern in einem von Super Aguri eingesetzten RA107. Den ersten Test unter eigener Flagge brach Super Aguri Mitte Januar nach nur einem Tag ab, weil Ersatzteile nicht rechtzeitig eingeflogen werden konnten. Einen Monat später absolvierte das Team den einzigen kompletten Dreitagestest der Saisonvorbereitung. Die abschließenden beiden Testfahrten in Barcelona sagte man mangels Finanzen ab.

Die Zukunft sieht düster aus., Foto: Sutton
Die Zukunft sieht düster aus., Foto: Sutton

Der neue SA08 wird also, wenn überhaupt, zum ersten Mal in Melbourne zu sehen sein. Das war schon bei seinem Vorgänger so, wenn auch damals so geplant, um einem möglichen Einspruch im Kundenautostreit seitens Spyker zu entgehen. Auch diesmal wird das Auto auf dem Vorjahres-Honda basieren, was im Falle des RA107 nur wenig Spaß versprechen dürfte - immerhin war dieser nur in den letzten Saisonrennen etwas besser als der SA07 alias RA106. Selbst die massiven Ressourcen des Werksteams konnten aus dem RA107 nicht mehr herausholen, was soll also Super Aguri ohne jegliche Ressourcen und Tests damit erreichen?

Die Fahrer Takuma Sato und Anthony Davidson sollen es werden, doch noch sind beide nicht bestätigt. Sato gilt als gesetzt, weil er überhaupt erst der Grund dafür war, dass Honda einst das Projekt Super Aguri unterstützte. Er wird dabei sein, wenn es etwas geben sollte, um dabei zu sein. Davidson ist die logische Wahl als Teamkollege. Er ist schnell, hat viel Testerfahrung und nun auch ein Jahr GP-Erfahrung. In der zweiten Saisonhälfte 2007 konnte Davidson seinem Teamkollegen immer stärker zusetzen und immer bessere Ergebnisse einfahren. Zudem besteht Honda auf den Einsatz des Protegés. Doch ein möglicher neuer Investor könnte auf einen Paydriver bestehen. Narain Karthikeyan und ein indisches Konsortium haben bereits angeklopft. So oder so wird es schwer: die Piloten konnten weder ihr neues Auto testen, noch sich im alten an das Verbot der Traktionskontrolle gewöhnen; ganz zu schweigen von der fehlenden Abstimmungsarbeit und den wenigen Daten zur Integration der MES-Einheitselektronik.

Super Aguri - Hausaufgaben gut gemacht?*

Pluspunkte Minuspunkte
+ Motivation
+ Sympathiebonus
- kein Geld
- keine Tests
- keine Chance
Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose
Die Wintertestbilanz sieht grausig aus: Entlassungen, kein Geld, keine neuen Sponsoren, keine Testerfahrung mit dem neuen Auto, kaum Tests mit dem altem Auto. Erst Mitte Februar konnten sich die Fahrer und das Team an die neue Einheitselektronik und das Fahrhilfenverbot gewöhnen. Erfahrungswerte fehlen fast vollständig. Note: 6 Letzter - wenn sie überhaupt am Start sein sollten. Ein Anknüpfen an die Erfolge der ersten Saisonhälfte 2007 erscheint unmöglich, eher ein Rückfall in das Debütjahr 2006; ein Kampf ums Überleben, abseits und auf der Strecke.

* Hausaufgaben gut gemacht ist seit 2001 die traditionelle Saisonvorschau auf motorsport-magazin.com/f1welt.com. Die vergangenen 7 Jahre ergeben noch nicht ganz 760 Seiten, aber total viele Kopien sollen dieses Jahr gesichtet worden sein...