Eddie Jordan, Alex Shnaider, Spyker Cars, Vijay Mallya - die Besitzer kamen und gingen in Silverstone, jedes Jahr ein anderer. Doch einer hat alle vier Phasen von Jordan über Midland und Spyker zu Force India mitgemacht: Teamchef Colin Kolles. Trotzdem ist 2008 etwas anders für ihn: zum ersten Mal hat Kolles die finanziellen Ressourcen, um mit seinem Team nicht nur um das nackte F1-Überleben zu fahren.

Mal wieder strahlt ein neues Logo in Silverstone - es soll für lange Zeit das einzige bleiben., Foto: Sutton
Mal wieder strahlt ein neues Logo in Silverstone - es soll für lange Zeit das einzige bleiben., Foto: Sutton

Einfach wird es aber auch mit der Unterstützung aus Indien nicht. Denn die Konkurrenz ist immer noch stärker und die Milchmädchenrechnungen hören sich nur auf dem Papier gut an: Jordan hat einst Grand Prix gewonnen, war Best of the Rest, erster Verfolger der Topteams, also müsste das mit genügend Input finanzieller, technischer und personeller Art auch wieder möglich sein. Immerhin sind 90% des Teams noch immer die gleichen wie in den erfolgreichen gelben Zeiten, als noch Rock'n'Roll, Boxenluder und Tierlackierungen den Takt angaben. Die erneuten Rebranding-Maßnahmen stellten für Kolles und seine Truppe keine unüberwindbare Herausforderung mehr dar oder wie er mit seinem typischen Humor sagt: "Wir sind das ja mittlerweile gewohnt."

Die Ziele für das Premierenjahr des ersten indischen F1-Teams sind dennoch nicht tief angesetzt: Super Aguri, so sie denn mitfahren sollten, Honda und mittelfristig auch Toro Rosso wurden ins Visier genommen. Vor allem ein Sieg über das Honda-Werksteam würde dem Team noch mehr Aufschwung und Ansehen verschaffen. Der große Traum ist ein Podestplatz beim ersten Indien GP 2010. Aber auch Spyker sprach einmal von Podestplätzen und der niederländischen Nationalhymne.

Ein ganzes Land steht hinter Force India., Foto: Force India
Ein ganzes Land steht hinter Force India., Foto: Force India

Das Team Die Voraussetzungen vor der Saison 2008 sind so gut wie schon lange nicht mehr, vielleicht sogar so gut wie noch nie; auf jeden Fall vergleichbar mit den besten Jordan-Zeiten Ende der 90er Jahre. Das Budget wurde für diese Saison verdoppelt, wenn es an einer Stelle Sinn machen sollte, wird Vijay Mallya sicher auch noch ein bisschen nachlegen. In bis zu drei Windkanälen arbeitet das aufgestockte Technikerteam am aktuellen Auto sowie dem Wagen für 2009. Mit Mark Smith und Ian Hall bekam Mike Gascoyne zwei alte Bekannte an seine Seite gestellt, die nun auch Leistung abliefern müssen.

Angetrieben werden sie von der Begeisterung eines riesigen Landes und den Motivationsfähigkeiten eines neuen Besitzers, der Force India nicht als Hobby, sondern als nächsten Teil seiner Selbstverwirklichung sieht. Mallya will die Formel 1 und Force India in seinem Heimatland genauso erfolgreich machen wie seine anderen Unternehmen. Misserfolg fast ausgeschlossen.

Das Auto Der VJM01 basiert auf der mechanischen Basis und dem Chassis des B-Spykers, der in Monza 2007 debütierte. Das Aerodynamikleid des umlackierten Boliden ist jedoch komplett neu und wird vor dem Saisonauftakt noch einmal ergänzt. Bislang will das Team drei bis vier Zehntel gewonnen haben, das nächste Update soll noch einmal drei Zehntel draufpacken. Mit sieben Zehnteln hätte man dann einen riesigen Sprung in Richtung Mittelfeld gemacht. Das bewiesen die überraschend starken Testzeiten, die Giancarlo Fisichella, Tonio Liuzzi und Adrian Sutil gleich bei mehreren Gelegenheiten auf den Asphalt legten. Die beiden Grand Prix erfahrenen Italiener sollen mit ihrem Entwicklungsinput bei der Setuparbeit einen großen Teil zu den Fortschritten beigetragen haben.

Bis zu sieben Zehntel soll die neue Aerodynamik bringen., Foto: Sutton
Bis zu sieben Zehntel soll die neue Aerodynamik bringen., Foto: Sutton

Die Fahrer Für Giancarlo Fisichella ist Force India die letzte Chance. Nach dem Abstieg vom Weltmeisterteam Renault zum Schlusslicht Force India muss er sich auf allen Gebieten beweisen: als Racer, Entwickler und Motivator. Bislang galt Fisichella als konstanter Fahrer, als gute Nummer 2, aber nicht als Teamleader. Auch seine Motivation im schweren Renault-Jahr 2007 wurde in Frage gestellt. Bei Force India scheint all das wie weggeblasen: Mike Gascoyne schwärmt in den höchsten Tönen von Fisichella und dessen Feedback an die Ingenieure.

Der Fahrzeugentwickler Fisichella soll aus dem strauchelnden F8-VII B einen viel besseren VJM01 gemacht haben. Selbst aus dem alten Aeropaket holte er erstaunliche Rundenzeiten heraus. Trotzdem muss Fisichella dieses Jahr beweisen, dass er an 18 Rennwochenenden Vollgas geben kann, selbst wenn es an einigen oder allen nur um die letzten Plätze gehen wird.

Auch für Adrian Sutil wird 2008 ein entscheidendes Jahr. Der Deutsche fiel in seinem Debütjahr entweder durch starke Leistungen und interne Erfolge gegen seine Teamkollegen auf - oder durch Fehler. Diese dürfen sich 2008 nicht wiederholen. Sein Lehrjahr ist vorbei. Mit Fisichella hat er einen erfahrenen Teamkollegen, von dem er lernen kann, den er aber auch ab spätestens Mitte der Saison schlagen muss. Sollte ihn Fisichella klar beherrschen, könnte Sutils Karriere nicht den Verlauf nehmen, den er und sein Management sich für die Zukunft vorstellen. Andersherum könnte ein teaminterner Erfolg über den ehemaligen Konstrukteursweltmeister Fisichella das genaue Gegenteil bewirken.

Liuzzi soll den Stammfahrern Dampf machen., Foto: Sutton
Liuzzi soll den Stammfahrern Dampf machen., Foto: Sutton

Neu bei Force India ist, dass das Team erstmals seit Jahren nicht mehr auf die berüchtigten Pay Driver setzen muss. Es gibt keinen Sakon Yamamoto, keinen Ernesto Viso, keinen Giedo van der Garde, keinen Tiago Monteiro, keinen Ralph Firman. Die beiden Stammpiloten wurden wegen ihres Könnens und Speeds ausgewählt - aus einer großen Anzahl an Fahrern. Sogar der dritte Mann ist ein erfahrener GP-Pilot: Tonio Liuzzi fuhr schon für Red Bull und Toro Rosso. Liuzzi soll jedoch nicht nur der unglückliche Testfahrer sein, der aufgrund der Testlimitierung kaum zum Einsatz kommt. Der Italiener besitzt einen langfristigen Vertrag, könnte also entweder Fisichella beerben, sollte dieser wegen unzureichender Leistungen in den endgültigen F1-Ruhestand verabschiedet werden, oder aber Sutil unter Druck setzen, da mit ihm ein erfahrener, schneller Mann im Hintergrund lauert.

Force India - Hausaufgaben gut gemacht?*

Pluspunkte Minuspunkte
+ höheres Budget
+ Mallya-Effekt
+ erfahrene Neuzugänge (Fahrer/Technik)
- noch immer zu geringes Budget
- kein komplett neues Auto
Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose
Überraschend starke Testzeiten, ein starkes Fahrertrio, eine gute Technikerriege samt besserer finanzieller und technischer Ressourcen. Aus Sicht eines WM-Vorletzten (dank der McLaren-Strafe) hätte der Winter kaum besser laufen können. Note: 3 Mehr Punkte als 2008 und wenn möglich eine Platzierung vor den beiden Honda-Teams sollen her. Wenn diese weiter so schwächeln wie bei den Wintertests, könnte das sogar drin sein - und wäre eine kleine Sensation. Toro Rosso scheint derzeit aber klar außer Reichweite zu sein. Die Basis für die Zukunft könnte aber stimmen.

* Hausaufgaben gut gemacht ist seit 2001 die traditionelle Saisonvorschau auf motorsport-magazin.com/f1welt.com. Die vergangenen 7 Jahre ergeben noch nicht ganz 760 Seiten, aber total viele Kopien sollen dieses Jahr gesichtet worden sein...