630 Grand Prix-Starts, 156 GP-Siege, 133 Pole Positions, 133 schnellste Rennrunden, 11 Fahrer Weltmeistertitel und 8 Konstrukteurstitel; Ron Dennis und Norbert Haug sehen viele Zahlen gerne mit ihrem Team im Einklang. Die Startnummern 22 und 23 gehören ganz sicher nicht dazu.

Wie ungewohnt diese Gefilde für McLaren Mercedes sind, zeigt Ron Dennis' Versuch, das Übel des Vorjahres beim Launch in etwas Positives zu wandeln: um exakt 14:23 Uhr wurde der MP4-23 am 23. Geburtstag von Lewis Hamilton vorgestellt - "und dann trägt er auch noch die Starnummer 23". Nicht ganz, Hamilton fährt mit der 22; einen Unterschied macht das weder für ihn noch für McLaren. Denn für beide Seiten zählen nur Siege und Titel. Schon 2009 sollen wieder einstellige Startnummern auf den Silberpfeilen glitzern, am liebsten die ersten zwei.

Keine Ausreden: 2008 müssen die Erfolge stimmen., Foto: Sutton
Keine Ausreden: 2008 müssen die Erfolge stimmen., Foto: Sutton

Das Team Zum ersten Mal in der Partnerschaft von McLaren und Mercedes wurde ein neuer F1-Bolide auf deutschem Boden im Mercedes Benz Museum in Stuttgart vorgestellt. Das schürte die ewig schwelenden Gerüchte und Spekulationen um eine Übernahme des Teams durch den deutschen Hersteller - mal wieder. Ebenso nahmen die Meldungen über einen Rücktritt von Ron Dennis zu - und wurden bislang dementiert; mal wieder. Das Personal blieb weitestgehend identisch, große Fluktuationen blieben dieses Jahr aus, alle Weichen sind noch aus dem Vorjahr auf Erfolg gestellt.

Nur der Chefdesigner Mike Coughlan zählt nicht mehr zum Kader, aber die Geschichte ist hinlänglich bekannt... und angeblich ist ja auch das (Design)-Team der Star. Und dieses ist immer noch groß und gut genug. Etwas Wirbel gab es im Winter dennoch. Die Ermittlungen in der Spionageaffäre wurden vor den italienischen Gerichten vorangetrieben, Teammitglieder verhört und vorgeladen. Das erzeugte etwas Unruhe, aber nichts im Vergleich zum Vorjahr - gegen den Wirbel zwischen den WMSC-Urteilen wirkte das wie ein erholsamer Winterurlaub. Es gab keine neuen Skandale, keine Inteamfeinde, keine Dokumente.

Das Auto So früh wurde ein McLaren selten präsentiert, nur Ferrari war genau einen Tag schneller. Wenn es nach den Silbernen geht, war das natürlich kein schlechtes Omen. Der Radstand des MP4-23 ist leicht verlängert, das soll eine flexiblere Gewichtsverteilung ermöglichen. Im Vergleich zum Konkurrenten aus Maranello geht McLaren damit den entgegensetzten Weg, die Roten verkürzten ihren Radstand - allerdings ist nicht bekannt, ob sie sich jetzt vielleicht nur in der Mitte getroffen haben...

Der MP4-23 soll das vollenden, was sein Vorgänger begonnen hat., Foto: Sutton
Der MP4-23 soll das vollenden, was sein Vorgänger begonnen hat., Foto: Sutton

Über der Performance hängt noch ein kleines Fragezeichen: der neue Silberpfeil ist schnell, so viel steht fest, aber ist er schnell genug, um Ferrari in Melbourne zu schlagen? Die Meinungen der Experten und Fahrer gehen teilweise weit auseinander. McLaren sah sich vor einigen Woche gleichauf mit Ferrari, am Ende der Long Runs aber etwas zurück. Dafür lief das Auto im Qualifyingtrim sehr gut. Die Zuverlässigkeit war schon letztes Jahr bombastisch, das Team hatte keinen einzigen technisch bedingten Ausfall zu verzeichnen. Die berüchtigten Öllecks der Wintertests 2006/2007 haben also nicht geschadet. Sehr wohl schaden könnte dem Team der selbstauferlegte Entwicklungsstopp einiger Systeme, die angeblich von Ferrari inspiriert worden sein sollen.

Die Fahrer Nach nur einem Jahr in der Formel 1 steigt Lewis Hamilton zum Teamleader auf. Wer im ersten Jahr Vizeweltmeister wurde und lange die WM angeführt hat, zählt ganz klar wieder zu den Favoriten - sollte sein Arbeitsgerät das zulassen, woran bei McLaren derzeit wohl nicht zu rütteln ist. Auch die wenigen Fehler, die er (und das Team) 2007 begangen hat, dürfte er in diesem Jahr nicht wiederholen. Weder seine zu forsche Herangehensweise beim Saisonfinale in Sao Paulo noch der zu späte Reifenwechsel in China.

Sein neuer Teamkollege Heikki Kovalainen ist schnell und hat sogar etwas mehr F1-Erfahrung als Hamilton. Denn während Hamilton vor seinem F1-Debüt nur einige Tests absolvieren konnte, fuhr Kovalainen ein ganzes Jahr den Weltmeisterwagen von Renault auf den Teststrecken herum. Sein Saisonstart muss dieses Jahr dennoch besser ausfallen als 2007 - da fing er extrem schwach an und steigerte sich erst im Laufe der Saison, bis er Giancarlo Fisichella im Griff hatte und mit einem Podestplatz belohnt wurde.

Lewis Hamilton ist einer der Titelanwärter., Foto: Sutton
Lewis Hamilton ist einer der Titelanwärter., Foto: Sutton

Kovalainen ist kein typischer F1-Finne wie Kimi Räikkönen und Mika Häkkinen. Er ist aufgeschlossen, spricht fließend englisch - und das gerne und viel. Er wird im Team wegen seiner Art nicht isoliert sein. Als GP2-Vizemeister hinter Nico Rosberg hat er schon bewiesen, dass er vorne mitfahren kann. Nicht umsonst hätte McLaren gerne den Deutschen an Kovalainens Stelle verpflichtet, aber Frank Williams ließ diesen für kein Geld der Mercedes-Welt ziehen. Trotzdem muss sich Kovalainen erst noch im Team einleben. Die Vergleiche bei den Tests waren noch nicht aussagekräftig. McLaren wird weiter an der Gleichbehandlung beider Fahrer festhalten, aber Kovalainen wird sich auch bei deutlichen Ergebnissen Hamilton nicht einfach unterordnen. Genauso wenig wird er aber mit E-Mailverkehr drohen oder in der Boxengasse herumtrödeln.

Das große Fragezeichen ist bei den Fahrern die Erfahrung: beide haben zusammen gerade einmal 34 Grand Prix bestritten. Das könnte die Entwicklung ins Stottern bringen. Umso wichtiger wird die Rolle der Testfahrer, allen voran Pedro de la Rosa, denn Gary Paffett fährt nicht nur DTM, sondern hat selbst noch nicht allzu viel F1-Testerfahrung. Letzten Winter will Fernando Alonso dem Team eine gute halbe Sekunde gebracht haben. Jetzt wird sich zeigen, ob diese nun fehlt oder nicht.

McLaren Mercedes - Hausaufgaben gut gemacht?*

Pluspunkte Minuspunkte
+ Personalkonstanz
+ starke technische Basis
- unerfahrene Piloten
- Spionagenachwirkungen
Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose
Das Auto läuft zuverlässig, schnell auf einer Runde und schnell auf Long Runs. Wie schnell es ist, wird sich allerdings erst noch zeigen müssen. Note: 1 McLaren will die Titel gewinnen, McLaren muss die Titel gewinnen. Das sind die Ansprüche des Teams, des Partners Mercedes und der Öffentlichkeit. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben, das Auto gehört erneut zur Weltspitze, jetzt entscheiden wieder die Kleinigkeiten: Zuverlässigkeit, Fehler und die Stärke der Konkurrenz - hoffentlich nicht wieder die Politik.

* Hausaufgaben gut gemacht ist seit 2001 die traditionelle Saisonvorschau auf motorsport-magazin.com/f1welt.com. Die vergangenen 7 Jahre ergeben noch nicht ganz 760 Seiten, aber total viele Kopien sollen dieses Jahr gesichtet worden sein...