Kristallkugelhersteller müsste man sein. Im Januar und Februar steigt der Absatz an diesen glänzenden kleinen Dingern überproportional an. Alle wollen wissen: Wer ist der Schnellste im F1-Land? "Ferrari ist überlegen, das muss man neidlos anerkennen", gibt Timo Glock seine Sicht durch die Kugel wieder. "Sie werden mindestens die erste Saisonhälfte dominieren." Um Kosten zu sparen, scheint auch Timos Teamkollege Jarno Trulli durch die gleiche Kristallkugel zu blicken. "Meiner Meinung nach sind sie mindestens eine halbe Sekunde pro Runde schneller, selbst als McLaren", sagt er. "Also gute Nacht, die Weltmeisterschaft ist bereits vor dem Saisonstart entschieden."

Die Kristallkugel zeigt noch Verbesserungspotenzial bei Silber., Foto: Sutton
Die Kristallkugel zeigt noch Verbesserungspotenzial bei Silber., Foto: Sutton

Bei Force India kann man sich dank der indischen Millionen von Vijay Mallya dieses Jahr wieder eine neuwertige Kristallkugel leisten und kann das Secondhandmodell aus dem Vorjahr meistbietend bei ebay verscherbeln. "Ferrari ist klar besser als der Rest", hat Giancarlo Fisichella in seinem Glas erkannt. "Es ist offensichtlich, dass sie ganz vorne liegen." Aber knapp dahinter komme schon McLaren.

Dort gibt sich Pedro de la Rosa mit dieser Aussicht nicht zufrieden. "Wir müssen unser Auto schneller machen", weiß er ohne sich die Kugel zu geben. "Wir haben noch viel Arbeit an der Aerodynamik vor uns." Mit der Zuverlässigkeit sei man jedoch zufrieden. "Das Wichtigste ist aber, schneller zu werden." Denn einige Teams haben die Karten noch nicht aufgedeckt, glaubt er. Vor allem von Renault sieht er bislang nur verschwommene Umrisse in seiner Kristallkugel.

Ferrari spielt derweil mit der Konkurrenz. In Bahrain fuhr Kimi Räikkönen eine Rekordrunde nach der anderen, meinte hinterher locker, dass er problemlos noch schneller hätte fahren können. Doch allzu unschlagbar will man doch nicht wirken, schon gar nicht, wenn man es dann vielleicht gar nicht ist. "Ehrlich gesagt, müssen wir uns noch immer sehr verbessern", sagt der Weltmeister, dem die Zuverlässigkeit noch etwas Sorgen bereitet. Felipe Massa weiß jedoch jetzt schon, dass man sich weiter verbessern werde. Der Wettlauf gegen die Zeit hat begonnen. "Erst in Melbourne werden wir sehen, wie gut wir im Vergleich mit der Konkurrenz wirklich sind", betont Räikkönen.

Bei Honda sieht nur das Auto grün aus, der Rest eher schwarz., Foto: Sutton
Bei Honda sieht nur das Auto grün aus, der Rest eher schwarz., Foto: Sutton

Denn noch sind alle Testbestzeiten eben nur Testbestzeiten. Täglich wurden die Zeiten aus Barcelona und Jerez mit jenen aus Bahrain verglichen. Timo Glock ließ sich davon nicht verrückt machen. "Es interessiert mich zwar, aber es betrifft mich nicht direkt, denn ich habe ja keinen Einfluss darauf", sagt er. "Wo wir wirklich stehen, sehen wir ohnehin erst beim Saisonauftakt in Melbourne." Ein Satz, der zu dieser Jahreszeit genauso beliebt ist wie Kristallkugeln.

"Es ist sehr schwer, Vorhersagen zu treffen", weiß selbst Neuling Nelsinho Piquet. Das liegt auch daran, dass Testzeiten bekanntlich von Reifen, Verkehr und vor allem der Spritmenge beeinflusst werden. In Jerez fuhr Mark Webber in seinem Red Bull eine Tagesbestzeit. "Klar, wir haben eine Menge Benzin herausgenommen", gestand er hinterher. Das Team nannte das offiziell so: "Mark hat das Potenzial des Autos ausgelotet." An einem Rennwochenende dürfte das Potenzial allerdings niedriger anzusiedeln sein. "Niemand sollte jemand anderes an der Spitze erwarten als McLaren und Ferrari", weiß David Coulthard auch ohne Kristallkugel. "Wir sind nicht die Schnellsten und nicht die Langsamsten, aber unser Wagen ist definitiv zuverlässiger als letztes Jahr."

Das sagt allerdings auch Honda. Beim Schlusslicht der Zeitenlisten dürfte das jedoch ernsthaft Grund zur Sorge sein. Denn für sie gilt noch nicht das BMW Sauber-Motto: "Manchmal sind wir nicht so gut, wie es die Testzeiten aussagen", so Robert Kubica. "Manchmal sind wir aber auch besser, als es die Zeiten aussagen." Egal wie gut die modernen Kristallkugeln sind: Wann welche dieser Varianten zutrifft, wird sich erst in Melbourne herausstellen.