Das neue Jahr begann mit einem Donnerwetter. Nico Hülkenberg hatte den neuen FW30 bei der Jungfernfahrt ins Kiesbett gesetzt, den Unterboden beschädigt. Technikchef Sam Michael gefiel dies ganz und gar nicht, das machte er vor versammelter Mannschaft deutlich. Ein Shakedown ist eben zum einfahren, nicht zum schnell fahren gedacht. Schon einen Tag später sah die Williams-Welt wieder freundlicher aus: Platz 3 für Nico Rosberg am ersten richtigen Testtag mit dem neuen Auto; fast noch wichtiger: Rosberg fuhr schon zu diesem frühen Zeitpunkt 80 Runden in Valencia. Der FW30 hatte einen fliegenden Start, der sich an den folgenden Testtagen fortsetzte - bis zum nächsten Knall.

Nico Rosberg hilft, das Williams-Schiff wieder auf Kurs zu bringen., Foto: Sutton
Nico Rosberg hilft, das Williams-Schiff wieder auf Kurs zu bringen., Foto: Sutton

Der F1-Testzirkus war mittlerweile 300 Kilometer weiter nördlich zum ersten Barcelona-Test des Jahres angekommen. Um kurz vor halb zwölft raste Kazuki Nakajima in der ersten Kurve geradeaus in die Reifenstapel. Zuerst hieß es, die Steuerung habe versagt, später wiederholte das Team immer wieder, dass es ein Problem mit der Frontflügelbefestigung gegeben habe. Fehlende Ersatzteile und die Gefahr einer Wiederholung führten zum Unvermeidlichen: Williams brach den Test am zweiten Tag ab, flog verfrüht zurück in die Fabrik, wo die Frontflügelprobleme bis zum nächsten Test in Jerez behoben werden sollen.

Trotzdem: Williams hat seine Ansprüche auf WM-Rang 4 bei den Konstrukteuren bei den ersten Wintertests untermauert, auch wenn Testzeiten immer mit Vorsicht zu genießen sind. "Um Platz 4 zu erreichen, müssen wir Renault oder BMW Sauber hinter uns lassen", weiß Nico Rosberg. "Ich glaube, dass das möglich ist." Der Anfang ist gemacht. Das nervöse Heck des FW29 wurde für den neuen Wagen kuriert, die Heckpartie des FW30 reagiert weniger unvorhersehbar. Das hatte Rosberg im letzten Jahr einige Male Probleme bereitet. Der Grip und die Performance sind noch ausbaufähig, aber das ist Anfang Februar normal, dafür stehen die vielen Tests auf dem Programm. Das Setup des neuen Autos ist jenem des Vorgängers nicht unähnlich, es verlangt keine gänzlich anderen Parameter, was die Eingewöhnung beschleunigt, dennoch gibt es noch viel über den FW30 zu lernen.

Williams-Teilhaber Patrick Head ist niemals happy, jedenfalls so lange sein Team nicht an der Spitze des Feldes steht, Rennen und Titel gewinnt. "Bislang lief es okay", sagte Head am Ende der Valencia-Testwoche. "Das Auto ist schneller und besser als das letztjährige Auto." Aber er sah noch eine deutliche Lücke zu Ferrari. "Es ist noch nicht schnell genug." Wie alle anderen Teams wird auch Williams das Auto bis zum Saisonstart in Melbourne weiter verbessern. "Aber ich bezweifle, dass wir dort in der ersten Reihe stehen werden." Noch gibt es viel zu tun. In der Saison 2007 hielt Williams bei der Entwicklungsgeschwindigkeit mit den beiden Top-Teams Ferrari und McLaren Schritt, der Rückstand betrug von Anfang bis Ende der Saison eine Sekunde. "Das wäre okay, wenn wir vorne mitfahren würden", sagt Head, "aber da wir aufholen müssen, ist es zu langsam."

Die Fortschritte seit dem enttäuschenden Jahr 2006 basieren auf mehreren Säulen. Eine ist die Umstrukturierung der Technikabteilung. Dort erhielt Sam Michael eine neue Rolle, mehr Freiheiten. Der Brite hatte sich zu viele Aufgaben gleichzeitig aufgeladen. Neue Leute nahmen ihm Arbeit ab, neue Leute, deren Entscheidungen er vertrauen kann. Dadurch erhielt Michael mehr Zeit, sich auf die Details und die Projektplanung zu konzentrieren. Gleichzeitig stellte Williams die extremen Zuverlässigkeitsprobleme des Jahres 2006 ab. "2007 waren wir besser, aber noch nicht gut genug", erinnert sich Head.

Williams ist wieder auf dem Weg nach oben., Foto: Sutton
Williams ist wieder auf dem Weg nach oben., Foto: Sutton

Für die verbesserte Qualitätskontrolle ist John Russel verantwortlich. Schon vor seinem Engagement achtete Williams auf Fehler an den Teilen, "aber jetzt haben wir jemanden, der sich ausschließlich darum kümmert", weiß Head das zu schätzen. "Unsere Fehler aus dem Jahr 2006 waren vielfach wirklich albern", sagte er der Motorsport aktuell. Manchmal habe es nur daran gelegen, dass alt gediente Mitarbeiter in Rente gingen, ihre jungen Nachfolger jedoch nicht richtig eingearbeitet waren, die Kniffe beim Fahrzeugbau einfach nicht kannten.

Den größten Reifeprozess durchläuft die neue Nummer 1 des Teams. "Man bekommt relativ wenig geschenkt", verriet Nico Rosberg im Gespräch mit motorsport-magazin.com. "Man muss sich das erarbeiten und ich habe mir jetzt zwei Jahre lang das Vertrauen und den Respekt Stück für Stück erarbeitet. Wenn du sagst, dass muss so sein, sie bauen das so und du bist damit dann auf der Strecke schnell, dann sehen sie, dass man weiß, was man macht." Daher komme das Vertrauen. Dieses musste genauso wachsen wie Rosbergs Fähigkeiten. Seine Aussagen an die Ingenieure sind laut Sam Michael nicht von einem Moment auf den nächsten besser geworden, sondern in einem ständigen Lernprozess gewachsen. "Er ist ein Denker", sagt Head. "Er hinterfragt sich ständig, wie er sich steigern kann."

Das motiviert Rosberg. "Das Team erwartet viel von mir. Ich soll ihnen bei der Entwicklung weiterhelfen." Denn der erfahrene Alexander Wurz ist weg, Teamkollege Kazuki Nakajima fehlt die nötige Erfahrung. "Im Vergleich zur Konstellation voriges Jahr ist das nicht ideal", weiß Rosberg. "Aber ich habe vergangenes Jahr große Schritte gemacht und würde nicht sagen, dass ich Alex technisch unterlegen war." Es ist Rosbergs Ziel, die technische Seite zu einer seiner Stärken zu machen. "Damit ich in sehr naher Zukunft auch ein Technik-Guru werde." Mit seiner Hilfe könnte das nächste Donnerwetter in Melbourne erfolgen - allerdings für die Konkurrenz.