Was ist neu am TF108?
Dieter Gass: Das aerodynamische Konzept ist komplett anders. Ansonsten haben wir auch dieses Jahr wieder ein hundert Prozent eigenes Getriebe. Hier gab es ja auch eine Regeländerung [die Getriebe müssen jetzt vier Rennwochenenden halten]. Die Aufhängung ist vom Konzept her gleich geblieben, aber es hat natürlich Detailveränderungen gegeben.

Pascal Vasselon hat gesagt, dass bei der Aerodynamik mehr Stabilität und ein besseres Fahrverhalten im Vordergrund standen - wie erreicht man das?
Dieter Gass: Das ist die Feinarbeit im Windkanal; Detailveränderungen am Diffusor, am Frontflügel und anderen Anbauteilen hinter der Hinterachse. Dieser Bereich hat sich in der Zielsetzung vom letzten Jahr zu diesem geändert. Letztes Jahr war das Auto hauptsächlich auf Abtrieb und Effizienz entwickelt. Das war überwiegend bei Geradeausfahrt betrachtet. Jetzt ist die Zielsetzung, ein konstantes Auto bei allen Fahrbedingungen zu haben.

Interessant ist auch der Radstand. Zwei Teams machen den Radstand länger - McLaren und Toyota. Dafür macht Ferrari seinen kürzer.
Dieter Gass: Das bringt Spannung ins Haus.

Trifft man sich jetzt irgendwo in der Mitte?
Dieter Gass: Ferrari ist vorwärts und rückwärts gegangen. Letztes Jahr haben sie den Radstand länger gemacht, jetzt wieder kürzer. Ich kenne nicht die genauen Werte. Man weiß ja nicht, ob die veröffentlichen Zahlen genau stimmen. Es ist also schwierig zu sagen, ob alle auf dem gleichen Niveau sind. Es wäre aber möglich.

Dieter Gass erwartet keinen Nachteil aus dem längeren Radstand., Foto: Sutton
Dieter Gass erwartet keinen Nachteil aus dem längeren Radstand., Foto: Sutton

Warum haben Sie den Radstand verlängert?
Dieter Gass: In erster Linie um die Stabilität zu verbessern.

Es kommen in Singapur und Valencia zwei Strecken dazu, die eher eng sind. Wäre da nicht ein kürzerer Radstand besser?
Dieter Gass: Das würde ich nicht unbedingt sagen. So wie wir es momentan sehen, sollten wir nicht unter der Veränderung leiden. Es ist kein extremer Schritt.

In welchen Dimensionen bewegen wir uns da?
Dieter Gass: Zahlen haben wir bewusst keine bekannt gegeben. Deswegen werde ich den Teufel tun und das jetzt hier machen. [lacht]

Wieviel von dem Auto wird in Melbourne noch übrig sein?
Dieter Gass: Relativ wenig. Wir erwarten in Melbourne ein größeres Update mit einem neuen Front- und Heckflügel, was das Fahrzeugbild immer recht stark beeinflusst.

Sie haben jetzt schon etwas mit Timo Glock zusammengearbeitet. Ist das anders als mit Ralf Schumacher?
Dieter Gass: Es sind zwei ganz unterschiedliche Charaktere. Man sieht die unterschiedliche Erfahrung. Als Ralf bei Toyota angefangen hat, kam er aus einer sehr starken Position zu einem Team, das zu dieser Zeit noch ziemlich unerfahren war. Er war von Anfang an in einer ganz anderen Position. Timo geht den umgekehrten Weg: wir haben etwas mehr Jahre auf dem Buckel und er kommt aus der nächst niedrigeren Kategorie. Seine Herangehensweise ist anders, auch sein Fahrstil ist leicht anders. Aber sein Feedback ist gut. Es war für uns wichtig, dass er das alte Auto noch gefahren ist. Wir hatten drei Jahre lang keine Änderung bei der Fahrerpaarung, dass heißt es spielte sich alles ein - das hat Vor- und Nachteile. Vorteile in der Zusammenarbeit, man weiß genau, was der andere will. Nachteile darin, dass der Impuls für etwas Neues nicht so leicht kommt. Den haben wir von Timo erhalten, weil er auch andere aktuelle F1-Autos kennt und mit neuen Ansätzen kommt.

Passt sein Fahrstil besser zu dem von Jarno? Das war ja bei Ralf und Jarno ein Dauerproblem.
Dieter Gass: Persönlich fand ich dieses Thema ein bisschen hochgespielt. Das war intern für uns kein so großes Problem. Das konnte man mit dem Setup überwiegend in den Griff bekommen. Wie es sich mit Jarno und Timo entwickelt, müssen wir abwarten. Ohne Traktionskontrolle wird sich auch beim Fahrstil etwas ändern. Daran wird sich Jarno erst gewöhnen müssen, Timo hat den Vorteil, dass er aus der GP2 kommt, wo es das eh nicht gab.

Der TF108 soll Toyota wieder in Podestnähe bringen., Foto: Sutton
Der TF108 soll Toyota wieder in Podestnähe bringen., Foto: Sutton

Kann das generell ein Vorteil für die jüngeren Fahrer sein?
Dieter Gass: Ich denke schon. Für Timo erleichtert es den Einstieg. Generell sollten es die Fahrer etwas leichter haben, die in den letzten Jahren mal ohne Traktionskontrolle gefahren sind.

Was wird das größere Problem: die Reifenabnutzung oder die Fehlerquote der Fahrer?
Dieter Gass: Ich rechne nicht mit zu vielen Problemen bei der Reifenabnutzung. Nur weil wir ohne Traktionskontrolle fahren, heißt das nicht, dass wir Rallyestyle sehen werden. Die Fahrer werden an der Grenze und leicht darunter fahren; ich erwarte keine wilden Powerslides wie in den 70ern und 80ern. Deswegen rechne ich nicht damit, dass der Reifenverschleiß eine besondere Rolle spielen wird. Auch bei der Fehlerquote muss man abwarten. Im Qualifying wird man mit neuen Reifen keinen großen Unterschied sehen. Im Rennen wird es davon abhängen, dass der Fahrer wirklich fit ist und das Level an Konzentration von Anfang bis Ende durchtragen kann.

Ein Problem bei Jarno?
Dieter Gass: Jarno ist fit, er ist physikalisch nicht stark, aber er ist fit.

Er hatte immer Schwankungen drin...
Dieter Gass: Er ist dann nicht schnell, wenn das Auto nicht 100% nach seinem Geschmack ist. Erinnern wir uns an Bahrain 2007, da ist er ein wahnsinnig starkes Rennen gefahren. Er hat zweimal Renault auf der Strecke überholt und ist von Anfang bis Ende ein starkes Rennen gefahren - unter heißen Bedingungen. Die Fitness ist also da. Wenn das Auto konstant ist, so wie er es über die Renndistanz haben will, dann werden wir von ihm gute Rennen sehen.

Stimmt es, dass bei den ersten Tests die meisten Fehler am Kurveneingang und nicht am Ausgang passiert sind?
Dieter Gass: Es fehlt ja nicht nur die Traktionskontrolle, sondern auch die Motorbemse. Das hat mit Sicherheit einen Einfluss. Aber generell würde ich das nicht so sagen. Es gab insgesamt relativ wenige Fehler.

Am Motor durfte nicht viel geändert werden., Foto: Toyota
Am Motor durfte nicht viel geändert werden., Foto: Toyota

Wie sieht die Zielsetzung für diese Saison aus? In den letzten Jahren war immer vom ersten Sieg die Rede...
Dieter Gass: Nach 2005 konnte es kein anderes Ziel geben, als Rennen zu gewinnen. Das war ganz logisch. Jeder, der sich nach mehreren Podestplätzen nicht Siege zum Ziel setzt, ist im falschen Business. 2006 war das Auto relativ schnell, nicht für das Podium gut, aber schneller als 2007. Dafür allerdings unzuverlässig, wir hatten viele Ausfälle. Deswegen war es logisch, auch 2007 Siege als Ziel zu haben. Doch letztes Jahr haben wir das Ziel deutlich verfehlt, wir waren schlechter als erwartet, sogar langsamer als 2006. In so einer Situation ist es schwierig, sich direkt einen Sieg zum Ziel zu setzen. Da müssen wir kleinere Brötchen backen. Wir wollen regelmäßig in die Punkte fahren und das Podium anstreben. Das muss der erste Schritt sein.

Beunruhigen Sie die Ambitionen der FIA die Windkanaltests und Simulationen und alles andere zu beschränken?
Dieter Gass: Das sollte ich lieber nicht kommentieren. Im Endeffekt ist es für jeden dasselbe.

Ist es noch Formel 1?
Dieter Gass: Das ist eine andere Frage. Persönlich sehe ich das mit ein bisschen Distanz. Wenn man 10 Jahre das Motorkonzept einfriert, die aerodynamische Entwicklung bremst und offensichtlich auch weitere Entwicklungen am Fahrzeug bremsen will, wird es möglicherweise irgendwann andere Rennserien geben, die technologisch weiter vorne sind.