Nick, der letzte Test des Jahres liegt hinter Dir. Diesmal ganz und gar nicht business as usual: Du hast Slicks und die Aerodynamik für 2009 getestet. Wie sind Deine ersten Eindrücke?
Nick Heidfeld: Von außen wird es recht komisch ausgesehen haben: ich war am ersten Tag Schnellster und am zweiten Tag Letzter. Das zeigt, wie stark das Reglement Einfluss auf die Autos nimmt. Am ersten Tag bin ich mit Slicks gefahren, die deutlich schneller waren als die Rillenreifen. Am zweiten Tag bin ich auch mit Slicks gefahren, aber mit dem verringerten Abtrieb für 2009. Entsprechend langsamer war das Auto. Allgemein gilt: es hat viel mehr Spaß gemacht mit den Slicks. Auch der Verringerung des Abtriebs stehe ich positiv gegenüber; wir sollten dadurch ein paar Überholmanöver mehr sehen.

Die einzige Sache, die mir ein bisschen Kopfzerbrechen bereitet, ist, dass wir bislang ein Verbot der Heizdecken für 2009 haben. Das hat beim Testen ein großes Problem dargestellt. Man fährt raus, hat gar keinen Grip, fühlt sich wie auf Schnee oder Eis. Das birgt große Gefahren in sich. Auf der ersten gezeiteten Runde war ich 14 Sekunden langsamer als auf einer schnellen Runde. Zu diesem Zeitpunkt war leider viel Verkehr auf der Strecke, was sehr gefährlich ist. Es ist aber noch etwas Zeit, vielleicht ändern sich die Reifen noch oder das Reglement wird noch einmal überdacht. In diesem Punkt sind sich die meisten Fahrer einig.

Auch ohne Michael und voraussichtlich Ralf Schumacher mangelt es der Formel 1 nicht an guten deutschen Fahrern. Wie hast Du das Testdebüt von Nico Hülkenberg gesehen
Nick Heidfeld: Ich habe bis jetzt noch kein Wort mit ihm gewechselt, aber natürlich darauf geachtet, wie er sich geschlagen hat. Wie immer bei Tests weiß ich nicht, wie viel Sprit er im Tank hatte, aber wenn er mit einer normalen Spritmenge und mit normalen Reifen unterwegs war, sah es von außen gut aus. Das dürfte auch der Grund dafür sein, warum er bei Williams einen Vertrag bekommen hat.

Die Slicks sind zurück, nur die Reifendecken sind in Gefahr., Foto: Sutton
Die Slicks sind zurück, nur die Reifendecken sind in Gefahr., Foto: Sutton

Du hattest in dieser Saison auch mit jungen deutschen Fahrern zu tun. Beide haben jetzt ein Stammcockpit bei anderen Teams bekommen. Gibt es Neues zu Eurem neuen dritten Mann?
Nick Heidfeld: Das kann ich noch nicht sagen. Beim letzten Test sind Javier Villa und Marko Asmer für uns gefahren, sie sind sicher auch im Rennen um die Testfahrerrolle, aber es gibt garantiert viele Fahrer, die diese Rolle gerne übernehmen würden. Die Entscheidung wird in den nächsten Wochen oder Monaten fallen.

Heikki Kovalainen ersetzt Fernando Alonso bei McLaren. Wird er mit Lewis Hamilton mithalten können?
Nick Heidfeld: Ob er so stark ist wie Lewis, ist zu bezweifeln, denn Lewis ist eine fantastische Saison gefahren. Andererseits hatte Kovalainen Fisichella fast permanent im Griff, nur der Saisonbeginn war etwas holprig. Und: Fisi ist kein Schlechter, das haben wir gegen Alonso gesehen. Heikki ist für Lewis ein ernstzunehmender Gegner. Ob er auch ein Gegner für mich wird, kommt darauf an wie gut der McLaren sein wird.

Blicken wir zurück auf die Saison 2007. Die begann für Euch richtig gut.
Nick Heidfeld: Der Saisonstart war besser als meine Erwartungen. Wir wurden im Winter von einigen sogar als Favoriten gehandelt, aber das war wohl eher, um den Druck etwas auf uns abzuschieben. Direkt im ersten Qualifying der Saison auf Platz 3 zu sein, war fantastisch - ein super Start in die neue Saison. In dieser hatte ich speziell von Renault mehr erwartet. Sie waren in den letzten beiden Jahren Weltmeister, deswegen hätte ich nicht gedacht, dass wir sie so konstant hinter uns halten würden. Der Saisonbeginn war fantastisch.

Wie ging es danach weiter. Was ist Dein Gesamtfazit?
Nick Heidfeld: Wir haben mehr erreicht, als wir erwartet hatten; damit können wir zufrieden sein. Andererseits: wenn wir uns die Saison anschauen, hatten wir das drittschnellste Auto, da erwartet man schon, dass man etwas öfter auf dem Podium steht. Das ist der einzige Wehrmutstropfen. Ich hoffte, öfter auf dem Podium zu stehen. Dafür waren die beiden Top-Teams aber zu dominant; McLaren ist sogar ohne technischen Defekt durch die Saison gekommen. Somit war für uns nicht mehr möglich.

Ein Highlight war für Dich in dieser Saison Deine Fahrt durch die Grüne Hölle. Wie hast Du Deine Fahrt mit einem F1-Boliden auf der Nordschleife empfunden?
Nick Heidfeld: Es ist schwierig, in Worten auszudrücken. Es war ein außergewöhnliches Erlebnis. Ich bin auf der ganzen Welt auf allen möglichen Rennstrecken unterwegs. Deshalb dachte ich, dass die Nordschleife knifflig werden würde, weil die Strecke zu alt, zu kurvig und zu gefährlich sei. Aber während der Fahrt hatte ich ein sehr positives Gefühl. Die Strecke ist wie gemacht für die Formel 1 - bis auf die Auslaufzonen. Ich war die drei Runden lang wie in einer eigenen Welt. Es war schade, dass nach drei Runden Schluss war.

Nick fuhr auf der Nordschleife in seiner eigenen Welt., Foto: BMW
Nick fuhr auf der Nordschleife in seiner eigenen Welt., Foto: BMW

Dabei spielen die Tradition der Strecke und Deine eigene Geschichte dort eine wichtige Rolle.
Nick Heidfeld: Der Mythos Nordschleife lebt für mich. Von Mönchengladbach ist es keine Stunde bis dahin. Ich habe dort angefangen Kart zu fahren, das Fahrrad fahren gelernt. Ich bin dort die ersten Runden bei meinem Vater auf dem Schoss gefahren, dann das erste Mal mit meinem eigenen kleinen Auto. Auf dieser Strecke nach 30 Jahren den ersten F1-Boliden bewegen zu dürfen, war für mich ein besonderes Erlebnis.

Welche anderen Highlights brachte die Saison 2007 für Dich?
Nick Heidfeld: Es ist schwierig, nur einen Moment auszuwählen. In den letzten Jahren war es meistens ziemlich einfach, aber dieses Jahr gab es so viele Highlights, dass es schwierig ist, eines auszuwählen. Wenn ich eines auswählen muss, dann ist es das Überholmanöver gegen Fernando Alonso in Bahrain. Wir hatten schon bei den Tests vor Saisonbeginn gesehen, dass wir in Bahrain gut dabei sein würden. Ich habe mir das Manöver hinterher noch einige Male auf youtube angeschaut und dann erst realisiert, wie perfekt es war, wie nah wir Rad an Rad waren. Die Aktion hat riesig viel Spaß gemacht. Auch die Rückmeldungen im Fahrerlager und von den Fans waren toll. Fernando ist mittlerweile mein Lieblingsgegner - in Magny Cours haben wir noch einmal gegeneinander gekämpft. Man mag über ihn denken, was man will, auf der Strecke ist er immer fair und wir hatten einige schöne, harte Zweikämpfe.

Wenn man böse wäre, könnte man sagen: Du hast Fernando den Weltmeistertitel gekostet.
Nick Heidfeld: Ich war letztens in Spanien und einige spanische Fans haben mich darauf angesprochen, dass ich Alonso in diesem Jahr öfter begegnet bin. Da sagte ich im Spaß: 'Es hat ihn ja nicht viel gekostet, nur ein paar Punkte...'

Du hast die anderen Duelle angesprochen. Brauchst Du das als Fahrer?
Nick Heidfeld: Ich brauche es nicht, aber es macht unheimlich viel Spaß, an der Spitze mitzufahren, gegen die besten Rennfahrer der Welt zu bestehen. Vorne mitfahren ist eines, aber Rad an Rad in die Duelle reinzugehen, ist etwas ganz Besonderes. Man ist voll darauf konzentriert und fixiert, wenn es dann klappt, ist das eine große Genugtuung.

Gab es auch negative Erfahrungen?
Nick Heidfeld: Ja, ich bin enttäuscht, dass wir bei den Regenrennen keine besseren Ergebnisse holen konnten. Normalerweise bin ich unter diesen Bedingungen ziemlich stark und wir hätten die Chance gehabt, mindestens auf das Podium zu fahren, aber leider haben wir das bei Regen nie ausgenutzt. Drei Regenrennen, drei Mal haben wir es nicht geschafft. In Japan hätten wir theoretisch sogar gewinnen können. Auch Indianapolis war nicht perfekt, das war eines der wenigen Rennwochenenden, an denen ich einen Fehler begangen habe.

Im nächsten Jahr will Nick die Ziellinie als Erster überfahren., Foto: Sutton
Im nächsten Jahr will Nick die Ziellinie als Erster überfahren., Foto: Sutton

Für 2008 gibt es einige Veränderungen. Werden die Rennen nächstes Jahr interessanter?
Nick Heidfeld: Ich denke schon. Ich bin selbst sehr gespannt, wie die Starts aussehen werden. Momentan arbeiten wir genau daran. In den letzten Jahren hatten wir die Launch Control oder wenigstens ein bisschen Hilfe, deshalb waren die Starts immer sehr vorhersehbar. Anfangs hatte Renault immer fantastische Starts, danach hatten wir sehr gute Starts. Vor der Rückkehr der Launch Control konnte man am Start schnell Plätze gewinnen oder verlieren. Das wird also ab nächster Saison wieder interessanter. Das Verbot der Traktionskontrolle wird auch für mehr Spannung sorgen. Es wird mehr Drifts geben, man wird schneller Fehler machen, das sollte zu mehr Überholmanövern führen - gerade unter Druck.

Sag uns abschließend: was erwartest Du Dir von 2008?
Nick Heidfeld: Es sollte für uns ein Vorteil sein, dass McLaren und Ferrari bis zum allerletzten Rennen alles geben mussten, um den Titel zu gewinnen. Wir und Renault konnten uns früher auf das nächste Jahr konzentrieren. Theoretisch sieht also alles ganz gut aus. Ich habe auch ein gutes Gefühl, aber leider habe ich in den letzten Jahren festgestellt, dass man dem Gefühl nicht immer trauen darf. In der Saison 2001 sind wir mit Sauber Vierter in der Konstrukteurswertung geworden, danach dachte ich auch, dass es noch besser werden würde. Stattdessen ging es bergab. Ich denke nicht, dass es uns genauso ergehen wird, aber das Gefühl zählt in der Formel 1 leider nichts.