Winterpause, Vorweihnachtszeit? Fehlanzeige: in der vergangenen Woche war fast mehr los als während der Saison. Die letzten Testfahrten des Jahres in Jerez, das Motor Sport Business Forum in Monaco, neue Regeln von der FIA, die Entscheidung in der Renault-Affäre und die unerwartete Vertragsverlängerung von Nico Rosberg. Nur Fernando Alonso und McLaren Mercedes blieben weiter still - dafür gab es um beide neue Spekulationen.

Selbst bei der BMW-Abschlussparty vor einer Woche war Fernando Alonso das große Thema. Im Scherz einigten wir uns im Gespräch schnell darauf: das einzige freie Cockpit für einen Doppelweltmeister hat Alonso gerade verlassen. Das dachten sich auch spanische Medien und schrieben ihn für ein Jahr zurück zu McLaren. Was sie übersahen: bald ist Weihnachten, nicht der 1. April.

Noch undurchsichtiger als die spanischen Gedankengänge waren die Zeitenlisten in Jerez. Einige Autos waren mit der neuen Einheitselektronik bestückt, einige mit der alten Elektronik mit abgeschalteter Traktionskontrolle, einige fuhren auf den 2009er Slick-Experimentalreifen, einige mit den gewohnten harten und weichen Rillenreifen, einige mit mehr Sprit auf Long Runs, einige mit weniger Sprit auf Short Runs, einige mit gebrauchten Reifen, einige mit neuen Reifen, einige mit der neuen 2009er Aerodynamik, einige mit der 2007er Aerodynamik und wiederum einige mit ersten Teilen der 2008er Aerodynamik - was sind die Zeiten da noch wert?

Schumacher fuhr mit Slicks und neuer Aerodynamik schneller als mancher mit Rillenreifen und alter Aerodynamik., Foto: Hartley/Sutton
Schumacher fuhr mit Slicks und neuer Aerodynamik schneller als mancher mit Rillenreifen und alter Aerodynamik., Foto: Hartley/Sutton

Vielleicht so viel wie die langen Reden von Max Mosley. Die neueste hielt er am Mittwoch in Monaco. Dabei kündigte er weitere Regeländerungen an, die am Freitag vom WMSC teilweise schon bestätigt wurden. Das Ziel lautet mal wieder die Kosten brutal zu senken. Diesmal allerdings nicht mehr durch Änderungen des Technischen Reglements, auch nicht durch Eingriffe ins Sportliche Reglement, sondern durch Vorschriften und Einschränkungen im Arbeitsalltag der Teams. Weniger Windkanalstunden, weniger Personal, weniger Kosten - so könnte man den roten Faden auf dem Weg zu grünen Zahlen bezeichnen. Wie all das überprüft werden soll steht genauso wenig fest, wie die Tatsache, ob die FIA das den Teams und Automobilherstellern überhaupt vorschreiben darf. Uli Hoeneß würde sich garantiert freuen, wenn die FIFA plötzlich sagen würde, dass seine Mannschaft nur noch an 4 Stunden pro Tag trainieren, nicht mehr als auf zwei Trainingsplätze benutzen und nur noch drei Stürmer im Kader haben dürfte.

Angesichts der Kostensenkungsmaßnahmen erscheint die Motoreneinfrierung bis 2017 geradezu als Nebenschauplatz. Die Idee das Geld lieber für nützliche Straßenrelevante Technologien wie die Energierückgewinnung einzusetzen, ist löblich - billiger wird es dadurch aber nicht. Doch das ist Zukunftsmusik, wirklich undurchsichtig ist es heute schon - nämlich immer dann, wenn es um die FIA-Urteilsfindung und Begründung geht.

Zur Erinnerung: McLaren Mercedes wurde bei der ersten WMSC-Verhandlung für schuldig befunden, aber nicht bestraft. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Ferrari-Informationen Einfluss auf das Auto und die WM hatten. Beim zweiten WMSC-Meeting führten weitere Informationen dazu, dass McLaren die mittlerweile viel diskutierte Rekordstrafe erhielt. Ein Nachweis dafür, dass die Ferrari-Daten wirklich Einfluss auf den McLaren hatten, war damals nicht nötig, da dies der WMSC nicht nachzuweisen habe, die Annahme respektive die starke Vermutung reichte aus - im Zweifel gegen den Angeklagten.

Zum Vergleich: Renault hatte bislang nur eine WMSC-Verhandlung. Wie McLaren wurden sie schuldig gesprochen, aber nicht bestraft. Eine weitere Verhandlung bei Aufkommen weiterer Beweise ist nicht ausgeschlossen. Das Mitwissen hochrangiger Renault-Ingenieure wurde in einem Nebensatz gerügt, im Gegensatz zu der negativen Auslegung bei McLaren und Mike Coughlan (die mit als Urteilsbegründung diente) aber nicht bestraft. Von den vier Zeichnungen, die als einzige berücksichtigt wurden, wurden drei als nutzlos bezeichnet (da diese Systeme bei Renault fundamental anders seien beziehungsweise der Massedämpfer verboten ist) und eine von Renault falsch interpretiert wurde. 'Dummheit' schützt anscheinend doch vor Strafe. Ein Einfluss auf das Auto respektive die WM konnte laut dem WMSC nicht nachgewiesen werden - im Zweifel für den Angeklagten.

Max Mosley ist sich seiner Sachen sicher., Foto: Sutton
Max Mosley ist sich seiner Sachen sicher., Foto: Sutton

Ob nun beide Urteile falsch, richtig oder umgekehrt sein müssten, lässt sich genauso trefflich diskutieren, wie die vielen Regeländerungen der letzten Jahre. Gegen die Regeln haben beide verstoßen. Glasklar ist jedoch: die undurchsichtige, untransparente Rechtsprechung sollte einem klaren Strafenkatalog weichen. Oder ist es normal, dass Strafversetzungen um Mitternacht verkündet werden, Fahrer mal mit Abzug der schnellsten Runde, mal einer Strafversetzung um drei Plätze und mal mit einer Strafversetzung ans Ende des Feldes bestraft werden?

Vorerst bleibt es undurchsichtig: McLaren muss weiter zittern, noch immer droht eine weitere Bestrafung wegen der laufenden Untersuchung des 2008er Boliden. Eigentlich sollte das Urteil am Freitag fallen, doch die FIA verschob es auf ein Meeting vier Wochen vor dem Saisonstart 2008, damit auch alle anderen Teams ihre Sicht der Dinge einreichen könnten. Die Aussagen von Max Mosley hörten sich so an, als ob er sein Ziel erreicht hätte, etwas am MP4-23 gefunden wurde, so dass McLaren noch einmal bestraft würde.

"Wir hätten dieses leidige Kapitel gerne heute beendet, aber es gibt einen Report der Untersuchungskommission, der eine zweite Anhörung nötig macht", sagte er der auto, motor und sport. "Glauben Sie mir: Wenn wir 26 Leute aus der ganzen Welt einfliegen lassen, dann haben wir gute Gründe dafür. McLaren wurde über unsere Zweifel früh informiert. Sie haben genügend Zeit zu reagieren, sollte sich der Zweifel bestätigen."

Der große schatten über der Saison 2007 wird also ins neue Jahr mitgenommen. Da die FIA dem MP4-22 schon nichts nachweisen konnte, dürfte sie auch beim MP4-23 nur eine starke Vermutung haben - die könnte man sich zum Wohle des Sports sparen. Sonst verstieße man ja selbst gegen den Artikel 151c des International Sporting Codes, der besagt: "Jedes arglistige oder betrügerische Vergehen gegen den Wettbewerb oder die Interessen des Motorsports kann bestraft werden." Welche Strafe der WMSC wohl gegen Max und sich selbst aussprechen würde?