Das Urteil ist gefällt, doch die Begründung lässt noch auf sich warten. So ist es wenig überraschend, dass Renaults Freispruch zweiter Klasse (schuldig, aber keine Strafe) in der Spioangeaffäre um den Ex-Renault- und McLaren-Ingenieur Phil Mackereth kontrovers diskutiert wird. Vor allem die britischen Medien klagen die FIA an mit zweierlei Maß zu messen. Im September wurde McLaren für ein ähnliches Vergehen zu der Rekordstrafe von 100 Millionen Dollar und dem Ausschluss aus der Konstrukteurswertung für 2007 verurteilt. Vor diesem Hintergrund kam die Verschonung von Renault überraschend.

Andererseits kam damals auch McLaren in einem ersten Verfahren mit einem blauen Auge davon. Erst als in Form eines ominösen Emailverkehrs der Fahrer Fernando Alonso und Pedro de la Rosa neue Beweise auftauchten, zeigte der Weltmotorsportrat (WMSC) keine Gnade mehr. So verteidigten die beiden mächtigsten Männer des Motorsports das Urteil nach der Verkündung. "Wir sind immer fair", meinte Formel 1-Boss Bernie Ecclestone gestern in Monaco. FIA-Präsident Max Mosley sagte: "Keine Entscheidung ist einfach. Aber mit dieser Entscheidung bin ich absolut einverstanden."

Auch McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh, der gestern vor dem Weltmotorsportrat den britischen Rennstall vertrat, wollte sich mit Kommentaren zum Urteil zurückhalten, solange keine Begründung vorliege. McLaren verzichtete sogar bisher auf das Versenden einer offiziellen Pressemitteilung. Immerhin betonte Whitmarsh, dass man während der Sitzung des WMSC nicht auf eine harte Bestrafung von Renault gedrängt habe. "Wir wünschen keinem Konkurrenten die selbe Strafe, die gegen uns verhängt wurde", sagte er zum Guardian. In der ersten Spionageaffäre hatte Ferrari in der Rolle des Geschädigten mit aller Vehemenz auf härteste Sanktionen gegen McLaren gepocht.

Und dieser Spionagefall holt das britisch-deutsche Team wieder ein. Heute muss McLaren noch einmal auf die Anklagebank. Der Motorsportrat überprüft, ob in die Entwicklung des Silberpfeils für 2008 geistiges Eigentum von Ferrari geflossen ist. Sollte McLaren abermals schuldig gesprochen werden, müsste das Team aller Voraussicht nach mit Minuspunkten in die kommende Saison starten. Mit der heutigen Entscheidung sollte das Kapitel Spionage in der Formel 1 jedoch abgeschlossen sein - zumindest vorerst.