Karun, Dein erster Formel 1-Testtag liegt hinter Dir - was sind Deine Eindrücke?
Karun Chandhok: Ein Formel 1-Auto ist etwas ganz Besonderes. Dieser Test ist eine tolle Chance für mich. Sébastien [Buemi] fährt in Macau, so bekam ich die Gelegenheit dazu. Durch die neue Einheitselektronik von MES gab es einige Kinderkrankheiten, deshalb konnten wir nicht viele Runde fahren. Aber damit hatten wir gerechnet. So konnten wir gleich an der Zuverlässigkeit arbeiten. Insgesamt war es nicht schlecht. Ich bin jedenfalls zufrieden.

Du hast also schon voll am Testprogramm teilgenommen und Dich nicht nur an das Auto gewöhnt...
Karun Chandhok: Genau. In der Formel 1 verschwendet niemand Zeit. Es gibt nicht genug davon für eine lange Eingewöhnungsphase. Wir haben ab der ersten Ausfahrt an der Elektronik gearbeitet. Dabei half mir meine Erfahrung aus der GP2; auch dort wird ohne Traktionskontrolle gefahren.

War es ein großer Unterschied hier mit einem F1-Auto anstatt eines GP2-Autos zu fahren?
Karun Chandhok: Im Hinblick auf die PS ist es kein allzu großer Unterschied. Das GP2-Auto ist einem F1-Auto näher als jeder andere Rennwagen. Der Unterschied liegt in der Aerodynamik, beim Bremsen, der Elektronik und einigen anderen Gebieten. Die Servolenkung macht einen großen Unterschied. Mit ihr ist es viel einfacher zu fahren. Ein F1-Auto zu fahren, ist sehr beeindruckend, aber letztlich genauso, wie ich es erwartet hatte.

Hast Du ein besonderes Fitnesstraining für den Test absolviert?
Karun Chandhok: Natürlich. Das Genick muss viel höhere Kräfte aushalten. Deshalb ist es normal, dass jeder Rennfahrer bei seinem ersten F1-Test etwas Probleme damit hat. Ich bin nicht so viele Runden gefahren, also ist noch alles okay. Hoffentlich wird das nach dem zweiten Tag noch genauso sein. Aber jeder, der sagt, dass er keine Probleme hat, sagt nicht die Wahrheit.

Chandhok hatte nicht viel Zeit, sich einzufahren., Foto: GEPA
Chandhok hatte nicht viel Zeit, sich einzufahren., Foto: GEPA

Wie hast du erfahren, dass Du ein F1-Auto testen darfst? Wusstest du, dass im Hintergrund etwas läuft oder war es eine Überraschung?
Karun Chandhok: Christian Horner rief mich beim GP2-Test in Le Castellet an. Er fragte mich, ob ich zur Fabrik kommen und mir einen Sitz anpassen lassen könnte. Also bin ich zur Fabrik gefahren und habe mir einen Sitz anpassen lassen. Etwas überrascht war ich schon.

Sprechen wir über die Formel 1 und Indien. Wie gehen Deine Landsleute mit Motorsport um? Schließlich hat er dort nicht so eine Tradition.
Karun Chandhok: Nein, es ist eine sehr neue Sportart, die in Indien noch in den Kinderschuhen steckt. Allerdings wächst sie ständig. Indien ist ein wachsender Wirtschaftsmarkt. In den letzten fünf Jahren gehörten 400 Millionen Menschen der Mittelklasse an - das ist mehr, als die Einwohner etlicher europäischer Länder zusammengenommen. Das macht Indien für die Automobilhersteller sehr interessant. Bislang sind diese Leute nur Motorrad oder Motorroller gefahren, aber jetzt können sie sich Autos leisten. Wer also Fan von Red Bull Renault ist, kauft sich einen Renault. Letztlich geht es in der Formel 1 aber um Menschen. Wo war die F1 in Spanien, bevor Fernando Alonso kam? Das gleiche gilt für Deutschland vor Michael Schumacher. Wenn ein indischer Fahrer vorne mitfährt, wird der Sport noch beliebter werden - hoffentlich werde ich eines Tages dieser Fahrer sein.

Es bewegt sich momentan viel in Indien. Man plant einen Grand Prix, hat ein eigenes F1-Team, mit Narain Karthikeyan und Dir auch schon zwei Piloten, die Formel 1 gefahren sind...
Karun Chandhok: Ja, es ist viel los. Narain fährt momentan A1GP, also weiß ich nicht, wie es bei ihm mit der Formel 1 aussieht. Aber mit Force India macht der indische Motorsport einen weiteren großen Schritt. Und ich bin natürlich sehr glücklich bei Red Bull zu sein. Es bekommt nicht jeden Tag ein Fahrer die Gelegenheit, für ein starkes Mittelfeldteam wie Red Bull zu testen, dessen Auto von einem der besten Designer in der Geschichte des Motorsports designt wurde - und all das an der Seite eines so erfahrenen Piloten wie David Coulthard. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich das wiederholen dürfte.

Hast Du Dich schon immer für Motorsport interessiert?
Karun Chandhok: Ja, klar. Das liegt in der Familie: mein Vater fuhr Rennen, mein Großvater fuhr Rennen, sogar meine Großmutter fuhr Rennen. Für mich führte also fast kein Weg daran vorbei.

In diesem Jahr bist Du in der GP2 gefahren. Wie lautet Dein Fazit?
Karun Chandhok: Für meine erste Saison war es ziemlich gut. Ich habe als einer der letzten Fahrer einen Vertrag unterschrieben. Es war also schon sehr spät in der Saisonvorbereitung. Durango ist ein gutes Team, kein Top-Team, aber ein gutes Mittelfeldteam. Leider hatten wir viele Probleme im Qualifying und standen deshalb oft weit hinten.

GP2 und F1-Tests - so stellt sich Karun die Zukunft vor., Foto: Sutton
GP2 und F1-Tests - so stellt sich Karun die Zukunft vor., Foto: Sutton

Wie wichtig war Dein Sieg in Spa-Francorchamps?
Karun Chandhok: Das war sehr gut für mich. Auf gewisse Weise hat es mir sicher geholfen, heute hier zu sein. Ich war der einzige Red Bull-Fahrer, der in diesem Jahr ein GP2-Rennen gewonnen hat. Es war aber auch für Indien eine tolle Sache; der größte Erfolg eines indischen Rennfahrers. Zudem ist es immer etwas Besonderes, in Spa zu gewinnen. Speziell weil es in jener Phase des Jahres geschah, in der die Vertragsverhandlungen für das nächste Jahr stattfinden.

Für nächstes Jahr hast Du Dir also weitere Siege zum Ziel gesetzt?
Karun Chandhok: Ja, ich hoffe, bei einem Top-Team zu fahren, mehr Rennen zu gewinnen und vielleicht nebenher ein paar F1-Tests zu bestreiten - das wäre ideal.