Die Bilanz - Auto & Team: Es war wie die Wiederholung der Gerichtssendung vom Vorjahr. Nur mischte diesmal keine rothaarige Fernsehrichterin mit, sondern ein ehemaliger Zahnarzt. Vor der Saison 2006 wetterten Colin Kolles und Spyker über die seiner Meinung nach zu wenig gedrosselten V10-Motoren der Scuderia. Ein Jahr später das gleiche Spiel: Vor der Saison 2007 beschwerten sich die gleichen Gegner über das gleiche Team - diesmal schmeckte Kolles & Co der Einsatz eines Kundenautos nicht. Eine Lösung gibt es bis heute nicht.

Vettel brachte neuen Schwung ins Team., Foto: Sutton
Vettel brachte neuen Schwung ins Team., Foto: Sutton

Die schwelende Kundenautodiskussion war einer der Gründe, warum der STR2 (oder umlackierte RBR3 oder wie auch immer man ihn nennen möchte) erst Mitte Februar debütierte. Der daraus resultierende Test- und Erfahrungsrückstand verfolgte das Team im ersten Saisondrittel. Sie mussten das Auto verstehen lernen, sich mit dem Setup anfreunden, den neuen Ferrari-Motor austesten. Auch der Nachschub vom Schwesterteam kam manchmal verspätet. Während Red Bull neue Flügel zuerst ausprobierte, musste sich Toro Rosso meistens etwas länger gedulden, bis sie die Teile ans Auto schrauben durften.

Aber auch etwas anderes teilten sie mit dem Schwesterteam: die Leistungskurve zeigte gegen Saisonende eindeutig nach oben. Teilweise konnte man sogar mit Red Bull mithalten, vor allem dann, wenn die Reifen bei den zwei Red Bull Teams gut funktionierten und bei der Konkurrenz nicht. Dann ging es wie in Japan und China weit nach vorne. Trotzdem wurde Fuji zum Desaster: Sebastian Vettel kollidierte auf Podestkurs liegend mit Mark Webber, Tonio Liuzzi überholte Adrian Sutil unter Gelb, wurde später dafür bestraft und verlor so den eigentlich ersten Saisonpunkt ausgerechnet an den großen Rivalen Spyker. Die Rache folgte nur eine Woche später in Shanghai - mit einer doppelten Punkteankunft; der ersten in der Teamgeschichte, die vorher aber auch erst eine Punkteankunft gesehen hatte.

Die Bilanz - Fahrer: Es war wie in einem Krimi. Jeder erwartete gleich den Kommissar um die Ecke biegen oder wenigstens die neumodischen CSI-Ermittler, die alles von oben bis unten auseinandernehmen, jedes noch so kleine Haar und jeden noch so kleinen Temperaturunterschied im Tank identifizieren. Für kein Geld der Welt wollte Scott Speed mehr für Gerhard Berger und Franz Tost fahren - so die offenen Worte des ansonsten eher wenig gesprächigen Amerikaners.

Der STR2 hing zu oft am Haken - und wurde nie wieder auf der Strecke abgesetzt., Foto: Sutton
Der STR2 hing zu oft am Haken - und wurde nie wieder auf der Strecke abgesetzt., Foto: Sutton

Sein Teamchef Franz soll nach Speeds Ausfall am Nürburgring außer Kontrolle geraten sein und seinem Fahrer mit der geschlossenen Faust in den Rücken geschlagen haben. Danach soll Tost ihn am Shirt gegriffen, herumgeschubst und gegen die Wand gedrückt haben. Soweit die Version des Piloten. Tost dementierte die Tätlichkeiten. Er habe Speed nur an der Schulter gepackt, ihn nicht angegriffen, sei aber von dessen Einstellung genervt gewesen, weil dieser das Team schlecht gemacht habe.

Zuvor waren Speeds Leistungen in dieser Saison mehr als mäßig. Der Abflug im Regenchaos zu Füßen der Nürburg mag verzeihbar gewesen zu sein, doch er brachte das Fass zum überlaufen - bei dem Regen kein Wunder... Trotz der schwachen Ergebnisse sollte man nicht vergessen, dass Speed von 10 Rennen nur drei beendete. Zwei Reifenschäden und ein Getriebedefekt lagen nicht in seiner Macht, drei Kollisionen und ein Dreher schon eher. Gepaart mit der uneinsichtigen, leicht arroganten Art ergab das nur wenig Fürsprache für den einzigen Amerikaner im GP-Sport.

Die Saison von Tonio Liuzzi verlief bis zu Speeds Abgang nicht viel besser. Auch der Italiener erlebte eine lange Pechsträhne: zwischen Bahrain und Ungarn kam er neun Rennen in Serie nicht ins Ziel. Technische Defekte, Kollisionen und Fehler wechselten sich munter ab. Doch mit Speeds Abgang war Liuzzi plötzlich voll da. Er fuhr ganz anders, viel besser, seine Laune war besser, die Motivation erhöht. Der neue Teamkollege Sebastian Vettel, die Herausforderung den hoch gelobten Jungpiloten zu schlagen, beflügelte den vorher trägen Liuzzi.

Speed und Liuzzi hatten keine Zukunft bei Toro Rosso., Foto: Sutton
Speed und Liuzzi hatten keine Zukunft bei Toro Rosso., Foto: Sutton

Beride Fahrer wurden als eine Art Erziehungsmaßnahme erst extrem spät bestätigt, ihr Einsatz, ihre Einstellung wurden im Winter öffentlich von der Teamführung kritisiert. Das sollten sie 2007 verbessern. Der Wink mit dem Zaunpfahl wurde nicht wahrgenommen, Speed musste dafür zahlen, Liuzzi kapierte es zu spät. Die richtige Entscheidung wäre es wohl gewesen, schon vor Saisonbeginn einen Fahrer auszutauschen, um frisches Blut reinzubringen und dem anderen Fahrer Feuer unter dem Hintern zu machen. Sebastian Vettel ist das bei Liuzzi gelungen - für den Italiener allerdings zu spät.

Das beste Lob für Vettels Leistung ist, wenn sein Teamchef und Teambesitzer ständig wiederholen, dass er das Team aufgeweckt, neunen Schwung reingebracht, das Team neu motiviert habe. Bei so guten Leistungen kann man auch über einen tragischen Moment wie in Fuji hinwegsehen. Schon eine Woche später waren die Tränen vergessen, Platz 4 die Wiedergutmachung für den Ausfall. Das Erfolgserlebnis von Shanghai war somit viel mehr wert, als Vettels Punktgewinn im viel gehypten ersten Rennen in Indianapolis für BMW Sauber. Denn dort hatte er ein konkurrenzfähiges Auto, immerhin war man die dritte Kraft, Toro Rosso war hingegen nur die viertletzte.

Toro Rosso

Saisonziel 2007 Die Ausbeute
WM-Punkte 7. Platz (8 WM-Punkte)
Saisonziel erreicht? Saisonbilanz 2007
Ja. Sie mussten lange auf die ersten Punkte warten, dafür gab es gleich acht auf einmal. Nach dem Fahrerwechsel lebte das Team auf. Gleichzeitig spielten ihnen die Bedingungen in die Hände. Das Minardi-Image konnte man endgültig abstreifen.