Ich weiß nicht, wie es den geschätzten Lesern von motorsport-magazin.com geht. Aber es gibt Formel 1-Jahre, die sind trotz intensiver Beschäftigung mit der Materie nahezu gänzlich von der Festplatte gelöscht. Da fällt es mir wahnsinnig schwer, mich an den Sieger des Barcelona oder Magny Cours Grand Prix zu erinnern. Meistens saß der Sieger in einem roten Auto. Der Sonntag Nachmittag war so spannend wie ein Rosamunde Pilcher-Film. Und im Juli durfte ich Michael Schumacher dann einmal schon zum Titelgewinn gratulieren.

Ganz anders diese Saison. Da waren magische Momente dabei, über die wir auch in 20 Jahren noch reden werden. Dinge, die ihren Fixplatz im Langzeitgedächtnis haben. So wie Hill/Schumi in Adelaide 1994, oder der Startunfall von Spa, oder Gerhard Bergers letzter Sieg in Hockenheim. Die Formel 1 boomt trotz ihrer manchmal amateurhaften Sporthoheit. Oder vielleicht sogar deswegen. Denn egal ob man McLaren mag oder nicht - das 100 Millionen-Urteil war mindestens so viele Schlagzeilen wert wie eine WM.

Kimi erschließt der F1 völlig neue Zuschauergruppen., Foto: Sutton
Kimi erschließt der F1 völlig neue Zuschauergruppen., Foto: Sutton

Was sollte also 2008 passieren, damit wir wieder ähnlich gespannt am Bildschirm hängen? Zunächst sollten die Fans außerhalb Italiens mal kurz ihren Hut ziehen vor dem neuen Weltmeister. OK, er hat geschafft, woran unser aller Michael Schumacher und sein Team in seinen letzten beiden Formel 1-Jahren gescheitert sind. Er hat den Titel zurück nach Maranello geholt. Das alleine ist noch keine Überraschung. Aber: er hat die Ferrari-interne Hackordnung völlig aus den Angeln gehoben. Denn die Spielregeln waren von Anfang an klar definiert: Kimi ist weg engagiert worden, um nicht bei einem anderen Team GEGEN Ferrari zu fahren. Dass er FÜR Ferrari (und damit GEGEN den Todt-Clan) die WM holt, das stand nicht im Drehbuch.

Mich persönlich freut es, dass er gewonnen hat. Ich hätte es auch beiden (ja, beiden) anderen vergönnt. Aber dass einer, der im Gorillakostüm herumgeistern darf und leicht illuminiert von irgendwelchen Booten fallen kann, der neue König der Formel 1 wird, das ist ein Riesenschlag ins Gesicht der aalglatten, sterilen Konzern-F1 der Neuzeit.

Je mehr ich drüber nachdenke, desto besser gefällt mir die Sache. Nicht, dass es eine Leistung wäre zu saufen bis man umkippt. Aber Kimi macht seine eigenen Regeln. Und das macht ihn so stark. Zu einem James Hunt des dritten Jahrtausends fehlt ihm noch ein bisschen Extrovertiertheit. Er nimmt es mit dem Feiern und dem Arbeiten ernst. Und das sollte der Formel 1 frisches Fan-Blut zuführen. Und irgendwann wird vermutlich das unvermeidliche passieren und Kimi der erste Grand Prix-Sieger für Red Bull werden. In einem Finlandia-Red Bull-lackierten Auto. Dass da noch keiner draufgekommen ist...

Schluss mit dem Unfug, Max., Foto: Sutton
Schluss mit dem Unfug, Max., Foto: Sutton

Was muss 2008 noch passieren? Die FIA muss sich endlich mal dazu durchringen, eine klare Trennlinie zwischen Sport und nur allzu durchsichtigen Konzerninteressen zu ziehen. Und sie muss endlich mal in ihrem eigenen legistischen Schweinestall aufräumen. Denn dass man am Ende des letzten Rennens nicht sicher weiß, wer Weltmeister geworden ist, ist peinlich. Und wenn dann gescheite Köpfe in aller Öffentlichkeit diskutieren, ob die Außentemperatur auf diese oder jene Weise gemessen werden muss, dann ist das hochnotpeinlich. Die FIA und ihre Funktionäre regieren ein Milliarden-Geschäft. Sie logieren an feinster Adresse in Paris. Viele der Top-Leute verfliegen im Jahr auf First Class-Flügen den Preis einer Eigentumswohnung. Und was dabei manchmal rauskommt ist nicht viel besser als beim Kartrennen in der Kreisklasse.

Max Mosley ist ein schlauer Mann. Mit viel politischem Geschick hat er seinen Vorgänger Balestre aus dem Amt gehebelt. Dadurch hat er die FIA grundlegend reformiert und vom Filz befreit. Manchmal wäre dem Sport aber mit einem selbstherrlichen und patriarchischen Schiedsrichter wie Balestre besser gedient. Ein Unsinn muss sich auch irgendwann aufhören: Dass drei Rennkommissäre am Sonntag vor Ort entscheiden, wie ein Protest zu behandeln ist, und am Montag rennen die Anwälte aller Teams zur FIA und berufen dagegen. Das ist die Formel 1 ihren Fans schuldig. Man traut diesen drei Funktionären nicht einmal die Entscheidung zu, ob ein Crash ein Rennunfall war. Und dann sollen sie über den Ausgang einer WM entscheiden? Und damit kein Missverständnis aufkommt: da sind sehr fähige Leute drunter, die dem Sport große Dienste leisten. Nur muss man die richtigen auswählen und sie dann auch arbeiten lassen.

Hier soll bitte nicht mehr so oft getagt werden..., Foto: FIA
Hier soll bitte nicht mehr so oft getagt werden..., Foto: FIA

Daran schließt sich die nächste Wunschvorstellung: Schmeißt die Anwälte raus aus der Formel 1. Sie sind das Sinnbild dessen, was der Fan nicht will. Nämlich durch Winkeladvokatentum den Ausgang eines Rennens doch noch irgendwie umzudrehen. Motorsport läuft nie ohne Schummeleien ab. Daher braucht er auch klare Regeln. Doch anstatt zwischen irgendwelche Zeilen noch Lücken hinein zu interpretieren, muss man sich endlich dazu bekennen, das es auch einen "Geist der Regel" gibt. In vielen anderen Sportarten ist das sogar oberstes Gebot - wenn ein Szenario durch keinen Regelwortlaut geklärt werden kann, dann muss man sich fragen: "Welchen Zweck hat die Regel allgemein?" Und damit ist dann auch Schluss. So funktioniert übrigens jedes moderne Rechtssystem. Und sogar im Land mit den meisten Rechtsanwälten pro Kopf (sogar mehr als Ärzte pro Kopf!!) funktioniert der Rennsport nach diesem Prinzip bestens, nämlich in den USA. Da werden Vernichtungskriege nur auf kommerzieller Ebene geführt - wie z.B. Champcar gegen IRL - aber nicht über die Sporthoheit.

Im übrigen imponiert mir am meisten, dass ein Lewis Hamilton ganz offen sagt, dass er diesen Titel gar nicht mehr haben möchte. Respekt! Womit wir bei den abschließenden Wünschen für 2008 wären: Alonso muss unbedingt fahren. Denn das Duell Alonso vs. Dennis lässt mich jetzt schon mit der Zunge schnalzen. Am liebsten wäre mir ja Toyota, denn vielleicht bringt er den Laden ja auf Vordermann. Hamilton sollte am besten einen Teamkollegen haben, der ihn zu weiteren Spitzenleistungen treibt. Vielleicht sogar einen Deutschen, gegen den er in der GP2 schon viel Mühe hatte?

Vielleicht erfüllt der Weihnachtsbernie ja den einen oder anderen Wunsch..., Foto: adrivo Sportpresse
Vielleicht erfüllt der Weihnachtsbernie ja den einen oder anderen Wunsch..., Foto: adrivo Sportpresse

Dann wäre es wünschenswert, der jungen Garde ein paar weitere brauchbare Autos unter den Hintern zu stellen. Ich wäre wahnsinnig neugierig, was ein Sutil, Kubica, Nakajima oder Glock in einem vernünftigen Auto anstellen können. Den älteren Herrschaften wünsche ich einen ehrenvollen Abgang. Ich fürchte die Zeit der Barrichellos, Fisichellas und Coulthards ist demnächst wirklich vorbei.

Natürlich sollte man nicht ganz auf den Entertainment-Faktor vergessen. Einen Holländer, der mitsamt Tankschlauch aus der Box fährt oder einen Rookie, der im ersten Rennen im strömenden Regen gleich im Spyker das Feld anführt - so etwas sieht man immer gerne. Für den Rest sorgt Bernie schon: das erste Nachtrennen, ein paar Exoten (vielleicht aus Indien, China oder Russland?) und so weiter. Und wenn er mich erhört, dann fährt demnächst auch irgendwann mal wieder ein schnelles Mädchen mit.

Ich weiß, das sind viele Wünsche auf einmal.
Aber ein bisschen träumen wird man ja noch dürfen, oder?