Die Formel 1 braucht Charaktere. Fahrer, die ihre Meinung noch offen sagen, nicht nur ferngesteuerte PR-Phrasen dreschen. Fahrer, die den gewissen Flair versprühen, einen eigenen Stil haben, einfach anders sind. Juan Pablo Montoya und Jacques Villeneuve waren die letzten dieser Art, heißt es. Schillernde Charaktere wie Mansell, Senna, Prost, Piquet suche man in der modernen F1-Welt vergebens.

Die Saison 2007 hat bewiesen, es gibt sie doch noch: die Charakterköpfe in der Formel 1. Uncle David ist einer von ihnen. Bei McLaren war er der Gentlemanfahrer, der perfekte PR-Repräsentant, des Sponsors Liebling. Bei Red Bull blühte David Coulthard in den letzten Jahren auf. Selbst die ansonsten langweiligen Presserunden und Pressekonferenzen peppte er auf. Als Fahrer interessiere es ihn einen Dreck, wer Weltmeister werde, sprach er in Mitten der Unmengen an WM-Fragen ein ehrliches Wort. Er sprach von Altersunterschieden und Eiern. Und laut Oliver Kahn brauchen das echte Charaktere - Eier.

Selbst der brave Teddybär Felipe Massa wurde 2007 zum wilden Grizzly. In Barcelona und am Nürburgring lieferte er sich zwischen Podium und Pressekonferenz heiße Wortgefechte mit Fernando Alonso. "Versuch das mal zu lernen." - "Nein, versuch du es doch zu lernen." Sogar vor dem F-Wort machte Massa nicht Halt. Da erging es ihm nicht anders, als dem Sunnyboy der Saison. Lewis Hamilton war der Liebling der britischen Massen, Everybody's Darling. Doch auch der Rookie zeigte eine andere Seite - bei einem Boxenfunkgespräch mit seinem Chef sollen noch härtere Töne gefallen sein.

Honda musste viel Charakterstärke beweisen, um durch die Saison zu kommen., Foto: Sutton
Honda musste viel Charakterstärke beweisen, um durch die Saison zu kommen., Foto: Sutton

Hamilton war nicht der einzige Charakterkopf bei McLaren. Fernando Alonso lieferte 2007 jede Menge Beispiele für ein alles andere als PR-konformes Verhalten. Wer sonst droht seinem Teamchef damit, dass er belastendes Material auf seinem Laptop habe? Wer sonst beschuldigt das Team auf einer offiziellen FIA-Pressekonferenz der Ungleichbehandlung? Wer sonst nutzt jede Gelegenheit, dem Team in den spanischen Medien eins reinzuwürgen?

Auch in Deutschland gibt es nach Michael Schumacher noch Charaktere. Nico Rosberg pflegt sein jugendlich freches Image, hat immer einen lustigen Spruch auf den Lippen. Nick Heidfeld macht öffentlich nicht so viele Sprüche, dafür zeichnet ihn sein Murmeltierbart als echten Charakterkopf aus. Ralf Schumacher besitzt die Gabe, mit seinen sarkastischen Antworten jede Frage abzuwehren - bleibt nur die Frage, wie lange das noch muss... Adrian Sutil mag ein Rookie sein, aber bei seinen Aussagen liegt er schon weit vorne. Er stehe Hamilton in Nichts nach, sehe sich bald bei einem Top-Team und habe seinen Teamkollegen rausgeekelt - auch diese Charaktereigenschaft hat einen Namen...

Der wichtigste Charakter ist immer der Weltmeister. Bernie Ecclestone warf Fernando Alonso in den vergangenen Jahren mehrmals vor, dass er als Weltmeister zu wenig für die Formel 1 getan habe. Er nicht das leuchtende Vorbild, der Charakter war, der er hätte sein sollen. Kimi Räikkönen erfüllt das Klischee des Sprüche klopfenden, heißblütigen Südamerikaners nicht. Ein Charakter ist er trotzdem - cool, präzise in den Antworten, der einen oder anderen Feier nicht abgeneigt.

Hat er nach der Pole schon mit seiner Oma gesprochen? "Ich sitze hier, was also glaubst Du?" Was ist das Neues an seinem Arm? "Es ist ein Tattoo." Wie hat er die Tage vor dem Rennen verbracht? "Ich kam am Dienstag an. Also war ich gestern hier." Wird er auf der WM-Party bis in die Nacht tanzen? "Ich werde wohl nicht in der Verfassung sein, um zu tanzen..." Warum kam er zu spät in den Grid? "I was having a shit." Wer mit seinen Freunden Bootsrennen in Gorillakostümen bestreitet, muss einfach ein echter Charakterkopf sein, wenn auch ein haariger...