Als Kimi Räikkönen am Morgen des 21. Oktober aufwachte, erwartete er ein Rennen wie jedes andere. Einige Leute prophezeiten ihm einen Sieg, die Chance auf das Wunder, den Gewinn des WM-Titels, trotz sieben WM-Zählern Rückstand, doch er nahm sie nicht ernst. Dafür mussten so viele Dinge passieren, so viele Dinge, die weder in seiner Hand noch in der seines Teams lagen. "Aber dann geschah all das in der ersten Runde", konnte es der neue Weltmeister selbst kaum glauben.

Für ihn, sein Team und seine Manager Dave und Steve Robertson wurde ein Traum wahr. "Ich bin mir sicher, ich werde mich an das Ende der Nacht nicht erinnern", kündigte Steve Robertson nach der Zieldurchfahrt vorschnell an. Wenige Stunden später sollte er diese Aussage korrigieren müssen: die Rennkommissare machten die Party-Nacht zum Tage. Erst kurz vor 22:00 Uhr Ortszeit wurde das Ergebnis des Brasilien GP offiziell bestätigt. Zwischenzeitlich war Räikkönens erster WM-Titel ernsthaft in Frage.

Das Nachspiel

Es begann mit einem Blick auf die Messwerte: Laut Artikel 6.5.5 des Technischen Reglement darf der Sprit in den Autos nie mehr als zehn Grad unter der Umgebungstemperatur liegen. Bei der Untersuchung nach dem Rennen stellten die Rennkommissare an den Autos von Nico Rosberg, Robert Kubica und Nick Heidfeld mehrere Abweichungen fest. Bei jedem der zwei respektive drei Boxenstopps wurden bei jedem der drei Fahrer höhere Werte gemessen, als erlaubt sind. Kühlerer Sprit kann schneller und somit in größeren Mengen ins Auto gepumpt werden und bringt kurzfristig einen Leistungszuwachs. Diesen bezifferten F1-Techniker auf maximal 0,7 PS, nur Spyker-Technikchef Mike Gascoyne sprach von 5-10 PS.

Ferrari fuhr in Interlagos in einer eigenen Welt., Foto: Sutton
Ferrari fuhr in Interlagos in einer eigenen Welt., Foto: Sutton

Nicht regelkonformer Sprit hätte für die drei genannten Piloten eine Disqualifikation nach sich ziehen können, wodurch Lewis Hamilton drei Plätze gewonnen und Position 4 im Endklassement eingenommen hätte. Damit wäre er und nicht Räikkönen Weltmeister gewesen. Nach dem Gewinn der Konstrukteurs-WM am grünen Tisch drohte Ferrari nun ein Verlust der Fahrer-WM am selbigen. Doch nachdem die WM-Feierlichkeiten schon längst begonnen hatten, kam die Entwarnung: Es gab zu viele Zweifel an den gemessenen Temperaturen, um eine Strafe zu rechtfertigen. Für eine genaue Beurteilung fehlten den Kommissaren die exakten Temperaturen des Sprits im Auto (es lagen nur jene aus der Tankanlage vor) und eine Regel, die den Referenzwert für die Umgebungstemperatur vorgibt. Denn die Temperaturmesswerte des offiziellen FIA-Metereologen und jene der Teams unterschieden sich teils erheblich. McLaren Mercedes erwägt gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Nach dem Rennen hatte Ron Dennis die Niederlage noch besser weggesteckt. "Wir nehmen es sportlich und greifen 2008 wieder an", hatte er angekündigt.

Das Vorspiel

Niemand glaubte so richtig an ein rotes Wunder. "Es war die unwahrscheinlichste Variante", bestätigte Christian Danner. Nach nur wenigen Runden sah das anders aus. "Ich habe erwartet, am Start an Hamilton vorbeizukommen", verriet Räikkönen. "Beinahe wäre ich sogar Erster gewesen, aber ich wollte nicht zu viel Risiko gegen Felipe eingehen." Für ihn war es am wichtigsten, vor Hamilton zu sein. "Das hat geklappt." Noch besser: auch Alonso schlüpfte am Briten vorbei. Der versuchte zu kontern und kam von der Strecke ab.

"Ich hatte keinen guten Start", gestand er. "Danach blockierte ich die Räder, damit ich Fernando nicht treffe und kam nach draußen." Zu diesem Zeitpunkt hätte er sich aber von Platz 8 noch problemlos bis auf den notwendigen 5. Platz vorarbeiten können. Dann der Schock: "Als ich in Kurve 4 heruntergeschaltet habe, ging das Auto einfach in den Leerlauf. Für einige Zeit rollte ich nur." Irgendwann fand er doch wieder einen Gang und konnte weiterfahren, musste allerdings auf den Motor aufpassen, weswegen er mit weniger Umdrehungen fuhr. Seine Aufholjagd von Position 18 brachte ihn mit einer umgestellten Dreistoppstrategie noch bis auf Rang 7 nach vorne, zum Titelgewinn reichte das nicht.

Die Ferrari fuhren in einer eigenen Welt. "Wenn wir gewollt hätten, hätten wir eine Sekunde schneller fahren können", betonte Räikkönen. "In den ersten Runden konnte ich ihre Pace mitgehen", sagte Fernando Alonso. "Aber als sie anfingen zu pushen, kam ich nicht mehr hinterher." Für Danner ist Räikkönen ein würdiger Weltmeister. "Natürlich war das Auto das Beste, aber auch damit muss man erst einmal seinen Job erledigen."

Die 6 Fragezeichen

War Massas Verbremser eine versteckte Teamorder?
"Es war vielleicht etwas Öl auf der Strecke, ich bremste nicht zu spät, hatte aber keinen Grip und rutschte auf der schmutzigen Seite", begründete Massa seinen Ausrutscher, der Räikkönen näher an ihn ranrücken ließ. "Das hat die WM aber nicht beeinflusst, ich war froh, dass ich dem Team helfen konnte." Ron Dennis sah den Positionswechsel an der Spitze nicht als frevelhaft an. "Das muss ein Team machen, wenn es den Titel holen will", sagte er. "Daran ist nichts falsch. Wir hätten das in einer ähnlichen Situation genauso gemacht."

Nakajimas erster F1-Boxenstopp ging gehörig schief., Foto: Sutton
Nakajimas erster F1-Boxenstopp ging gehörig schief., Foto: Sutton

Was passierte bei Nakajimas Boxenstopp?
Der Japaner fuhr zu schnell zum Stopp heran, erwischte zwei seiner Mechaniker, die hinterher zum Check abtransportiert wurden. Nach ersten Angaben blieben beide von schlimmeren Verletzungen verschont. "Zu allererst möchte ich mich entschuldigen, dass einige meiner Mechaniker bei meinem Boxenstopp verletzt wurden", sagte Nakajima nach seinem Debütrennen.

Wieso konnte Rosberg am Ende so aufhtrumpfen?
Zuerst schnappte er sich Nick Heidfeld, danach auch noch den zweiten BMW Sauber von Robert Kubica. Nico Rosberg war der schnellste Mann den Schlussrunden. "Das Überholmanöver war sehr hart, ich würde aber sagen, es war im Rahmen", urteilte Heidfeld. "Denn einfach so Überholen, geht in der Formel 1 nun einmal nicht. Dadurch kam ich leider ganz neben die Strecke, aber sonst hätte es geknallt."

Bei Kubica hatte Rosberg ebenfalls kein leichtes Spiel. "Ich wusste nicht, was ich machen sollte", war er zunächst ratlos. Kubica machte geschickt dicht. "Ich konnte es nur außen herum versuchen, da sind aber diese Dinger auf der Strecke." Beim dritten Versuch versuchte er es etwas enger, damit Kubica innen bleiben musste. "Ich wusste, dass ich außen nicht vorbeikomme. Die einzige Möglichkeit war, dass er einen Fehler machte." Dieser Plan ist aufgegangen. "Am Schluss waren die Reifen von Robert komplett kaputt, er konnte nicht mehr dagegen halten", erklärte Mario Theissen. "In den letzten zehn Runden hatte ich große Schwierigkeiten mit den Reifen und habe nur noch versucht, das Auto auf der Strecke zu halten", fügte Kubica an. Trotzdem gab es Lob von Theissen: "Nico ist sehr stark gefahren, das war schon super."

Wer war alles in den Startunfall verwickelt?
Gleich in der ersten Kurve flogen die Teile. "Ich sah, wie Giancarlo blockierte und geradeaus fuhr und erwartete, dass er die Kurve versäumt", berichtete Tonio Liuzzi. "Deswegen ging ich innen hinein, aber er kam doch wieder rein und traf meine Nase. Das hat mir das Rennen ruiniert." Fisichella selbst beklagte, dass er kurz nach dem Start am Heck getroffen wurde. "Sein Auto kam plötzlich herüber, traf Ralf Schumachers Auto und löste damit eine Kettenreaktion aus, die auch mich betraf", fasste Heikki Kovalainen zusammen.

Was passierte bei Kovalainens Unfall?
Während der eine Finne gewann, schied der andere mit einem kräftigen Knall aus. Kovalainen bemerkte plötzlich Vibrationen hinten rechts. "Ich lupfte, das Heck kam und ich flog in die Mauer." Die Unfallursache wird vom Team noch untersucht, es vermutet aber einen technischen Defekt.

Warum schieden Fisichella und Yamamoto aus?
Fisichella kämpfte in Runde 2 mit Kazuki Nkajima, geriet aber neben die Strecke. "Das Auto war auf dem Gras schwierig zu kontrollieren, als ich auf die Strecke zurückkam kollidierte ich mit einem anderen Auto. Es war ein Rennunfall", sagte der Italiener. Für Fisichella und Sakon Yamamoto war das Rennen damit gelaufen. "Fisichella kam genau vor mir auf die Strecke zurück", beschrieb der Japaner die Situation. "Mitten auf die Ideallinie. Normalerweise meidet man so eine Situation, er tat das jedoch nicht, deshalb konnte ich ihm nicht ausweichen."