Man kann sagen, was man will. Die Formel 1 hat in diesem Jahr alles dafür getan, den Abgang der Lichtgestalt vergessen zu lassen: Neue Hoffnungsträger, Spioangeaffären und ein unglaublich spannender Titelkampf ließen die 2007er Kampagne vorbeigehen wie im Flug. Und jetzt, kurz vor Schluss wird der Unterhaltungswert der Formel 1 durch ein weiteres höchst interessantes Kapitel bereichert, das in dieser Form noch nie dagewesen ist: Ein Mann gegen sein Team, oder ganz einfach Spanien gegen England. Das letzte Mal, dass sich eine gewisse Brisanz aus der Begegnung dieser zwei Nationen ableitete, liegt schon über 400 Jahre zurück, als die spanische Armada zum Sturz der englischen Königin Elisabeth in Richtung Norden segelte und vernichtend geschlagen wurde.

Der spanische Stier hat sich in Stellung gebracht., Foto: Sutton
Der spanische Stier hat sich in Stellung gebracht., Foto: Sutton

Diesmal allerdings sehen sich die Briten nicht einer Flotte von 130 Schiffen, sondern einem ungleich härteren Gegner gegenüber: Admiral Alonso, der seine Truppen mit Namen Marca, AS und Mundo Deportivo geschickt in Stellung bringt. Die öffentliche Meinung in Spanien ist eindeutig: Dem Doppelweltmeister allein ist es zu verdanken, dass aus McLaren, dem Krisenteam der vergangenen Saison, der Titelanwärter Nummer 1 geworden ist. Doch anstatt es dem Spanier zu danken, versucht der englische Teamchef mit seinem englischen Team mit aller Macht seinen englischen Ziehsohn zum Weltmeister zu machen. Und dieser Ziehsohn gibt sich auch noch als Wolf im Schafspelz - nach außen ein Engel, nach innen intrigant und skrupellos.

An dieser Sichtweise kann auch eine Pressemitteilung von McLaren nichts ändern, in der das Team beteuert, seine Fahrer absolut gleich zu behandeln. In Spanien wird so etwas nur noch als "absolut zynischer Akt" (Marca) kommentiert. Die Glaubwürdigkeit von Ron Dennis ist bei den Iberern mittlerweile auf den Nullpunkt gesunken. Das öffentliche Klima ist so vergiftet, dass man glauben mag, es handele sich nicht mehr um einen sportlichen Wettkampf, sondern um eine nationale Angelegenheit höchster Bedeutung.

Dabei findet die Mobilmachung auf allen Ebenen statt. Die Meldung, dass ausgerechnet spanische Mercedes-Mitarbeiter den Eintrag des freien Internet-Lexikon Wikipedia über Lewis Hamilton mit geradezu kindlich, trotzigen Schmähungen sabotierten, könnte man eigentlich unter der Rubrik "Vermischtes" als lustige Anekdote bringen. Doch wenn der Krieg der Sterne tobt, reicht das für einen umfassenden Vergeltungsschlag der Gegenseite.

Ron Dennis und Martin Whitmarsh können einem fast schon leidtun., Foto: Sutton
Ron Dennis und Martin Whitmarsh können einem fast schon leidtun., Foto: Sutton

Natürlich bellte die englische Presse nach Bekanntwerden der Wikipdeia-Affäre in schärfstem Ton über die "niederträchtige Attacke" die durch die "spanische Paranoia" ausgelöst wurde. Genau auf diesem Niveau wird der Kampf um den WM-Titel gerade ausgefochten, wobei man fairerweise sagen muss, dass die Spanier nicht unbedingt die Aggressoren in diesem Konflikt waren.

Denn seit jeher weiß jeder britische Sportler, der die Chance hat, den Ruhm der Königin zu mehren, einen mächtigen Medienapparat im Rücken, der als Waffe äußerst selten das Florett wählt. Und als sich früh abzeichnete, dass sich Lewis Hamilton zum neuen Superstar der Formel 1 emporschwingen könnte, ließen Sun, Daily Mail und Co. keine Möglichkeit aus, Salven in Richtung Fernando Alonso abzufeuern, wobei gerne auch mal Freund und Feind verwechselt wurden. Der bemitleidenswerte Ron Dennis kann ein Lied davon singen.

In dieser von Hass vernebelten Luft kann von Vernunft auf beiden Seiten keine Rede mehr sein. Jetzt schickt die FIA auf Betreiben des spanischen Delegierten sogar einen Aufpasser in die McLaren-Box, damit sichergestellt wird, dass Fernando Alonso im finalen Kampf um die Formel 1-Krone gegenüber Lewis Hamilton nicht benachteiligt wird. Bizarrerweise sind sogar beide Seiten froh über den Schiedsrichter. Denn alleine kann man den Konflikt bei McLaren schon längst nicht mehr regeln.

Bei allem Unterhaltungswert dieses Schauspiels, das irgendwo zwischen Krieg und Komödie angesiedelt ist, rollt der neutrale Fan nur noch mit den Augen und hofft, dass sich in einer Woche eine alte Redensart bewahrheitet: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte...selbst wenn er Ferrari fährt. Zwar müsste man dann auf Italien achten, doch zumindest die Finnen sind der Kriegstreiberei bisher unverdächtig.